Zur Rubrik "Bewegte Bilder"
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Herzlich willkommen zu unserem MIDNIGHT SPECIAL, einer neuen Rubrik im ZWNN, angesiedelt in der "Twilight Zone" zwischen Programmkino, B-Movies und Klassikern. Wie der Titel der Reihe schon andeutet, werden es Til Schweigers "Keinohrhasen" oder Jahrhundertklassiker wie "Piratensender Powerplay" hier schwer haben. Vielmehr sollen das Abseitige und Abgründige, sanfter Grusel und düsteres Drama, Kultfilme à la "Night on Earth" und schwarzhumorige Komödien ihren wohlverdienten Platz finden. Film ab!

DIE SCHWARZE 13 (EYE OF THE DEVIL / 13) (1966)

Graf Philippe de Montfaucon (David Niven) wird auf sein Schloss gerufen, da die Weinernte zu verderben droht. Entgegen seinem Rat reisen seine Frau Catherine (Deborah Kerr) und die Kinder hinterher und müssen schon bald feststellen, daß ihre Anwesenheit nicht erwünscht ist.

Die immer wie zufällig wirkende Anwesenheit der jungen Geschwister Odile und Christian de Caray (Sharon Tate und David Hemmings) sorgt für subtil bedrohliche Stimmung, zumal Christian ständig mit Pfeil und Bogen bewaffnet ist, die er benutzt, um Catherine zur Begrüßung eine weiße Taube vor die Füße zu schießen. Später wird diese Taube in einem geheimnisvollen Ritual mit dreizehn Männern in Kapuzen geopfert werden, das Catherine versteckt beobachten kann.
Gerade von Odile geht eine suggestive Kraft aus, die Catherine später fast dazu bringt, vom Turm des Schlosses zu stürzen.

Der Graf zeigt ein zunehmend abweisendes Verhalten und fügt sich stoisch in ein noch nicht erkennbares Schicksal, welches mit seiner Rolle bei der Rettung der Weinernte zu tun haben scheint. Die gesamte Dorfbevölkerung, angeführt vom Dorfpfarrer - mit einer Mischung aus Trance und Irrsinn gespielt von Donald Pleasence - scheint Bescheid zu wissen.

Als Catherine versucht, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, macht sie persönlich Bekanntschaft mit den langsam dahinschlurfenden Kapuzenmännern, die sie im Wald bedrängen und versuchen, sie in den Wahnsinn zu treiben. Später wird sie nicht mehr sicher sein, was alptraumhaftes Grauen oder Wirklichkeit war.

Immer mehr zeichnet sich ab, daß die Dorfbewohner Anhänger eines seit Jahrhunderten währenden heidnischen Kultes mit durchaus christlicher Symbolik sind (13 - Jesus und seine zwölf Jünger, dargestellt durch den Grafen von Montfaucon und die zwölf Kapuzenmänner), welcher ein Opfer verlangt, um die Natur zu besänftigen.

Catherine ist schließlich für den Zuschauer der einzige Anker für eine rationale Perspektive, während sich der Rest der in sich geschlossenen Welt von Schloss und Dorf längst auf ein unausweichliches Ende zusteuert.

DIE SCHWARZE 13 nimmt nur langsam an Fahrt auf, was vom heutigen Zuschauer auch eine Umstellung seiner Sehgewohnheiten verlangt. "This is the climax in mind-chilling terror!" verspricht das Filmplakat bzw. das DVD-Cover. Dies sollte keine falschen Erwartungen an blutige Gewalt provozieren. Mit sehr wenigen special effects und nur mit den klassischen Mitteln der Montage und der Kameraeinstellung erzeugt der Schwarz-Weiß-Film eine Atmosphäre zunehmender Bedrohung - insbesondere die stillen Kapuzenmänner hinterließen bei mir starken Eindruck. Wenn man sich darauf einläßt, erwartet einen ein Film, der noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Mit Staraufgebot drehte J. Lee Thompson auf dem französischen Schloss Château de Hautefort.
David Niven wurde immer gern besetzt, wenn Aristokratie gefragt war, aber meine eigentlichen Stars des Films sind die Geschwister de Caray. Beide, immer in Schwarz gewandet, scheinem gerade von einer Beat-Lesung der damaligen Zeit zu kommen oder aus einem Existenzialisten-Keller. Sie sind die wirklich heidnischen Figuren in der ganzen Geschichte, Odile trägt zudem einen Anhänger, auf den der englische Filmtitel verweist, das "Auge des Teufels", und sind Teil des Schlosses und der Natur, die es umgibt. Die Herrscher des Schlosses und des Weinbergs kommen und gehen, sie bleiben in ewiger Jugend bestehen.

Sharon Tate ist hier in ihrer ersten großen Filmrolle zu sehen. Tragischerweise wurde sie drei Jahre später von den Anhängern des "Family" von Charles Manson ermordet. Müßig zu erwähnen, daß damals Spekulanten von einem Zusammenhang mit "Eye of the Devil" raunten, zumal die Macher des Films den Okkultisten Alex Sanders als Berater für die Authentizität der durchgeführten Rituale angestellt hatten.

DIE SCHWARZE 13 läuft manchmal irgendwo versteckt im Spätprogramm. Die Aufmerksamkeit, die er verdient hätte, hat er nie erfahren - was erklärt, daß von dem Film keine deutsche DVD-Fassung existiert und Warner erst seit wenigen Jahren über den eigenen Online-Shop (oder ebay...) in den USA eine DVD ohne jegliche Extras (aber dafür ohne Regionalcode) vertreibt. Die Bildqualität ist jedoch gut und im Gegensatz zu Raubkopien von TV-Ausstrahlungen in Widescreen.

- Martin - 05/13

 

THE GAMMA PEOPLE (1955)

Während Martins Eröffnungsfilm es immerhin zu einer Aufführung im deutschen Sprachraum brachte, blieb THE GAMMA PEOPLE dem hiesigen Publikum vorenthalten. Aber auch im Ausland fristet er bis heute eher ein Schattendasein. Weder in den USA, in England noch anderswo gibt es ihn offiziell auf DVD zu kaufen - ein gebrauchtes VHS-Video ist die am leichtesten verfügbare Bezugsquelle.

Regisseur John Gilling ist Genrefans am besten durch seine beiden Hammer-Filme DAS SCHWARZE REPTIL und NÄCHTE DES GRAUENS bekannt. In THE GAMMA PEOPLE wagte er sich an eine Mischung aus Komödie, politischer Satire und Mad-Scientist-Horror. Kann so etwas funktionieren? Aber sicher!

Gemeinsam mit zwei Musikjournalisten, die zu einem Festival nach Salzburg reisen, landen wir im obskuren Zwergstaat Gudavia, in dem unsere Protagonisten, ein hemdsärmeliger Ami und ein leicht blasierter Engländer, nach einer kurzen Begrüßung direkt am Bahnhof verhaftet werden, denn in Gudavia ist schon seit Jahren kein Zug mehr eingetroffen. Die misstrauische Abschottung des Landes hat der undurchsichtige Forscher Boronski (Walter Rilla) zu verantworten: Ihm ist daran gelegen, die örtliche Bevölkerung in Angst und Schrecken zu halten - Störenfriede von außerhalb sind daher gar nicht willkommen.

Boronski möchte nicht bei seinen Experimenten gestört werden, die aus Kindern mittels Gammastrahlen-Beschuss kleine Genies und spätere Übermenschen machen sollen. Geht die Dosierung allerdings daneben, bleiben halbdebile Gestalten zurück, die Boronski zu Handlangern fürs Grobe umfunktioniert ...

Der typische Mad-Scientist-Plot: Ein größenwahnsinniger Wissenschaftler als skrupelloser Verbrecher, der alles einebnet, was sich ihm an ethischen Bedenken in den Weg stellen könnte. Gewürzt wird mit absurdem Humor und satirischen Anspielungen. Auch das skurrile Personal des Films sorgt für reichlich schräge Momente: Der örtliche Polizeikommandant agiert mit dem Elan eines debilen Faschingsprinzen, während der englische Journalist am Postschalter verblüfft erfährt, dass sein Telegramm als Serviceleistung für besondere Gäste sogar kostenlos ist, dafür aber wie alles andere niemals weitergeleitet werden wird ...

THE GAMMA PEOPLE gelingt ein bemerkenswerter stilistischer Spagat von der Komödie bis zum SF/Horror-Plot, auch handwerklich ist gute Arbeit zu loben. Gedreht wurde in Tirol, genauer im Ort Imst und Umgebung. 2013 und 2010 kam es zu einer Sondervorführung von THE GAMMA PEOPLE in der Imster Gegend, letztere nicht ohne Lokalpatriotismus im regionalen Veranstaltungskalender angekündigt, wo man dem interessierten Publikum auch den Filminhalt näherbrachte: "Dr. Boronski führt grausame Versuche mit Gammastrahlen durch, um aus Kindern entweder Genies oder willenlose Sklaven zu machen".

Das gab die Geschichte zwar originalgetreu wieder, doch etwas unglücklich platziert folgte gleich darunter ein Hinweis auf die Aktion "Tirol hilft den Kindern von Tschernobyl", in deren Rahmen es den jungen ausländischen Gästen in der österreichischen Sommerfrische an nichts fehlen sollte: "Der Aufenthalt dient der Erholung und Regeneration in nicht verstrahlter Umgebung. Jedes Kind, das in einer Gastfamilie mitleben darf, kann so Energie für sein weiteres Leben tanken." (Originalzitat!) Tja, es lässt sich kaum leugnen: Fingerspitzengefühl ist nicht jedem in die Wiege gelegt ...

Mein ewiger Neid gilt den Einwohnern von Imst, die am 23. Juni dieses Jahres den Film noch einmal bewundern durften und zwar in Anwesenheit von Stargast Michael Caridia, der die Rolle des Hugo spielt, Boronskis treuem Musterschüler, der mit seinen jungen Weggefährten (eine Mischung aus Kinderchor und Hitlerjugend) das Werk seines Meisters weiterführen und vollenden soll. Wir Normalsterblichen wären dagegen schon mehr als zufrieden, wenn es endlich eine DVD-Veröffentlichung des Films zu vermelden gäbe.

- Stefan - 08/2013

 

I HIRED A CONTRACT KILLER (1990)

Der Kapitalismus ist, wie wir alle wissen, ein echter Schweinehund und hat im Jahr 1990 sogar die Wasserwerke Ihrer Majestät erreicht. Henri Boulanger (gespielt von Jean-Pierre Léaud aus Truffauts SIE KÜSSTEN UND SIE SCHLUGEN IHN) wird zusammen mit anderen Bediensteten aus Rationalisierungsgründen entlassen. Die Zeit ist gekommen, denkt sich der einsame Henri, den letzten Weg alles Irdischen anzutreten, aber mit der praktischen Umsetzung hapert es: Beim Versuch, sich aufzuhängen, stürzt er zusammen mit den extra dafür gekauften Utensilien (Seil und Haken) nur auf den Fußboden, und der Kopf im Gasherd bringt auch keinen Erfolg, denn ausgerechnet jetzt wird beim zuständigen Energieversorger gestreikt.

Ein Blick in die Zeitung bringt Henri per Zufall auf die Idee, die Ausführung seines Todeswunsches geschultem Personal zu überlassen, denn wozu gibt's schließlich Auftragskiller? Diese inserieren aber für gewöhnlich nicht, da der Rechtsstaat diesem Gewerbe eher kritisch gegenübersteht. Henri sucht in zwielichtigen Spelunken selbst nach den Männern vom Fach und wird schnell fündig. Er hinterlässt das Honorar und ein Foto von sich, auch das Kleingedruckte ist schnell besprochen. Sollte Henri auf der Zielgeraden doch Manschetten bekommen, kann er von seinem Auftrag wieder zurücktreten, ansonsten bleibt alles wie vereinbart.

Viel geredet wird nicht in Aki Kaurismäkis lakonischem Neo-Noir-Krimi I HIRED A CONTRACT KILLER, womit er sich klar an seine großen Vorbilder wie etwa die Gangsterfilme von Jean-Pierre Melville anlehnt, in denen zwei sich anschweigende Charaktere über das gemeinsame Rauchen einer Zigarette so gut wie alles sagen können, was besprochen werden muss. Dumm nur, dass Henri exakt in jenem Moment seines Lebens, in dem alles schnörkellos und final vor ihm zu liegen scheint, von Amors Pfeil getroffen wird, als die Blumenverkäuferin Margaret (Margi Clarke) vor ihm steht. Natürlich würde er nun seine Ermordung gerne wieder stornieren, aber das ist ausgesprochen schwierig, denn das Lokal, wo er seine Kontaktleute traf, liegt in Trümmern und der Killer hat als echter "Professional" Henris Spur bereits aufgenommen ...

Es gibt viel zu entdecken in diesem Film, der mit seinem schrulligen Humor sehr zu amüsieren weiß und eines wiederum aber doch ganz gewiss nicht ist, nämlich eine platte Parodie auf den Film Noir. Kaurismäki scheint dieses Genre, dem er nicht nur hier seine Ehrerbietung erwies, zu lieben und beschädigt deshalb in der großartigen Situationskomik seine Vorbilder nicht. Wollte man all die kleinen, skurrilen Details und die erwähnenswerten Momente beschreiben, es würde eine ausufernd lange Liste daraus.

Die Szenen des (natürlich unheilbar erkrankten) Killers in der Praxis seines Arztes, der kurze Gastauftritt von Joe Strummer (THE CLASH) als Kneipengitarrist, der Überfall auf den Juwelierladen, durch den Henri auf höchst "glaubwürdige" Weise vom Zufallszeugen zum gesuchten Mörder wird - alles sehenswert! Auch die zahlreichen Rauchszenen nicht zu vergessen, etwa wenn Frittenbuden-Vic (Serge Reggiani aus Melvilles DER TEUFEL MIT DER WEISSEN WESTE) dem Killer als Kampfansage kurzerhand eine Dunstwolke ins Gesicht bläst oder am Ende des Films genussvoll-versonnen qualmend auf den Abspann wartet.

Allein schon sein in hellblaues Wellblech eingekleideter Gourmet-Tempel "Vic's French Hamburgers" am Rande eines Friedhofs (!) ist grandios: Im Hintergrund laufen französische Chansons, in der Küche brutzelt der dorthin untergetauchte Henri die Hamburger und es wird natürlich ständig geraucht. Wie der Film zum Schluss sogar noch ein Happy End hinbekommt, das muss man gesehen haben. Die DVD scheint momentan vergriffen zu sein, allerdings läuft Kaurismäkis Geniestreich auch immer wieder einmal werbefrei bei den Öffentlich-Rechtlichen, was als Alternative zu überhöhten Sammlerpreisen allemal genügt.

- Stefan - 03/2013

 

DIE NACHT DES JÄGERS (THE NIGHT OF THE HUNTER) (1955)

"Es waren einmal zwei Kinder, übrigens fast so wie Hänsel und Gretel, und als ihr Vater starb, heiratete ihre Mutter einen bösen Mann, der so tat, als wäre er gut. Dieser böse Mann hatte auf die Finger der einen Hand LIEBE und auf die der anderen Hand HASS tätowiert." Stephen King fordert in "Danse Macabre" seine Leser auf, die Frage nach dem Titel des Films aus seiner Liste "echter Angstfilme" zu beantworten, auf den diese Beschreibung zutrifft.

Wanderprediger, Ikonographie, in Kings eigenen Büchern, Dead Zone (Greg Stillson, der in jungen Jahren als Vertreter für Bibelausgaben durch die Lande zieht und eine weltzerstörerische Aggression in sich trägt), scheint in Randall Flagg durch, der auch als "Wandernde Geck" bezeichnet wird, Poltergeist (Reverend Kane in "Poltergeist II"), nicht zuletzt in Kings Spätwerk "Revival".

Harry Powell