Ein Rückblick mit mehreren Abschweifungen und wenig Informationsgehalt
Meine
erste Begegnung mit Iron Maiden war eine Kassette mit "Seventh Son Of A Seventh
Son", die mir ein Klassenkamerad von dem damals noch als luxuriös geltendem
Tonträger "CD" überspielt hatte. 1988 war das.
Nein, eigentlich fing es früher an. Den Bandnamen mit dem prägnanten
Schriftzug - damals hatten Bands noch eigene Schriftzüge, die auf jeder
Platte gleich waren, das scheint nachgelassen zu haben - hatte ich natürlich
schon früher mal gelesen, frühestens nach der Erstkommunion, denn
da kam das erste Album von Iron Maiden raus. Vorzugsweise zuerst auf Schulranzen
und danach auf zu Schulranzen umfunktionierten, furchtbar unpraktischen Sporttaschen.
Später, als meine Altersgenossen etwa 14 wurden, auch auf T-Shirts; vorher
hatten es die Eltern nicht erlaubt, und selbst hatte man noch nicht so viel
Taschengeld. 1985 muß es gewesen sein, als ich Iron Maiden jeden Tag an
der Bushaltestelle beim Warten auf den Schulbus sah. Es war das Plakat zur Powerslave-Tour,
das mit Eddy als Sphinx oder als Pharao (damals wußte ich natürlich
noch nicht, daß das Maskottchen von Iron Maiden "Eddy" genannt wurde),
und es beeindruckte mich sehr. Über die Musik konnte ich kein Urteil abgeben,
da ich sie noch nie gehört hatte; außer vielleicht aus dem Walkman
meiner Klassenkameraden, denn damals wurde noch kein Metal im Radio gespielt,
nein, ich glaube, nicht, nicht mal bei Thomas Gottschalk auf Bayern 3. Erneut
wurden Iron Maiden in meiner Umgebung präsent (von der Musik hatte ich
immer noch nichts bewußt gehört; meine Heavy Metal-Kenntnisse beschränkten
sich auf eine schlechte Tape-Kopie von "Fly On The Wall" von AC/DC), als jemand
in unserer Klasse mit einer Jeansjacke mit einem aufgenähtem Bild mit dem
Maiden-Schriftzug und den Worten "Stranger In A Strange Land" auftauchte. Iron
Maiden verarbeiteten gerne geschichtliche und literarische Themen in ihren Texten,
aber es dauerte noch ein paar Jahre, bis ich u. a. herausfand, daß "Stranger
In A Strange Land" ein Science Fiction-Roman von Robert A. Heinlein war. Der
Typ, nennen wir ihn mal Hans, war eher ein angepaßter Schüler, die
Kutte also ein typisches Zeichen pubertären Aufbegehrens. Ich stelle mir
die Szene vor, wie er seine Mutter bittet, ihm dieses Bild hinten auf die neue
Jeansjacke zu nähen, denn eine Freundin, die das für ihn hätte
tun können, hatte er, soweit wir wußten, damals nicht. Sowas kam
nie in Heavy-Metal-Videos vor. Er hat sich dann später für zwölf
Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet ("If you're gonna die, die with your boots
on", ha, ha), zum zweiten Mal geheiratet und dann auf Bundeswehrkosten angefangen,
BWL zu studieren, während manch anderer mehrere Semester an der Armutsgrenze
leben mußte. Als ich ihn vor ca. 2 Jahren Monaten nach gut 10 Jahren wieder
mal getroffen habe, wollte er mir erläutern, warum er einen 40.000-Mark-BMW
fährt, aus Freude am Fahren, als Hobby, wegen des Feelings, mit 200km/h
über die Autobahn zu bretten undsoweiter. Als er über die praktischen
Vorteile gegenüber einem Ford Fiesta zu referieren begann, hab ich abgeschaltet;
auf meinen Einwand, daß man mit dem Fiesta kleinere Transporte wesentlich
besser bewältigt (umklappbare Rücksitze!), als mit seinem BMW, ist
er ja auch nicht eingegangen. Ja, und daß man sich wegen der vielen Aussiedler
(Stichwort: Russenmafia!) in seiner Stadt nachts nicht mehr auf die Straße
wagen kann. Ob er immer noch Iron Maiden hört, habe ich ihn dann gar nicht
mehr gefragt.
Er trug also diese Iron-Maiden-Kutte. Die beginnenden Alkoholiker und der Hyperkinetiker
bevorzugten härte Sachen und traten mit dem "Hell Awaits"-Aufnäher
von Slayer oder dem Metallica-Shirt mit der Parole "Honesty is my only excuse"
auf (letzteres wurde dann passenderweise bei der feierlichen Zeugnisübergabe
am Ende der Realschule getragen). Und malten sich die Buchstabenkombination
M.O.D. und S.O.D. auf ihre Adidas-Trophy-Stiefel.
Die anderen hörten Musik, die heute keiner mehr kennt, außer es wird
irgendwo ein 80er-Jahre-Sampler aufgelegt, oder die Dire Straits oder Pink Floyd.
Pink Floyd zu hören, galt als intellektuell. Ich schnitt abends eifrig
die tägliche Oldie-Sendung "Aus meiner Rocktasche" mit Georg Kostya auf
Bayern 3 mit, und zweimal wurde sogar mein Hörerwunsch erfüllt! "American
Pie" (natürlich ausdrücklich in der langen 8-Minuten-Version!) von
Don Mc Lean und "Knockin' On Heavens Door" von Bob Dylan. Langsam begann ich
mich intensiver mit den Beatles zu beschäftigen und stellte fest, daß
Rock- und Pop-Musik mehr sein kann als Hintergrund- und Tanzgedudel. Das Beatles-Buch
aus der Pfarrbücherei mußte ich zweimal verlängern lassen. Später,
etwa zu dem Zeitpunkt, als man die "Master Of Puppets"-Shirts häufiger
sah, aber noch einige Zeit, bevor sie durch "... And Justice For All" ersetzt
wurden, verlagerte ich meine Forschungen auf Bob Dylan und sein Werk im Kontext
der 60er Jahre und bekam dadurch einen rudimentären Begriff davon, was
die 60er Jahre eigentlich waren. Mit einem so abwegigen Musikgeschmack (im Endeffekt
dauerte die Dylan-Phase etwa 1 Jahr und existiert heute noch in Form von drei
Schallplatten, etlichen Tape-Mitschnitten und zwei Büchern) hatte ich mich
endgültig ins soziale Abseits katapultiert.
Schließlich kam die "Seventh Son"-Kassette, damals Maidens bis dato experimentellstes
Album, wie ich mir später aneignete, als ich mich durch Metal-Hammer und
Rock Hard zum interessierten Laien hochgearbeitet hatte und dies bei Expertengesprächen
dann und wann einfließen lies.
Dies war der Beginn meiner Heavy-Metal-Hörer-Karriere, die etwa acht bis
neuen Jahre andauerte, denn AC/DC darf man, streng genommen, nicht mitrechnen,
denn das ist eine Blues-Rock-Band und waren sowieso nur mit Bon Scott richtig
gut, wie einem alternde Enddreißiger heute gerne erzählen.
Gestern habe ich, nach was weiß ich wieviel Jahren, meine alten Iron Maiden-Platten
wieder angehört. "Number Of The Beast", die erste mit Dickinson, war meine
erste eigene Maiden-Platte. Da ein Plattenspieler nur im elterlichen Wohnzimmer
stand, blieb der Inhalt des Tonträgers nicht geheim. Das Cover wurde kritisch
beäugt. Um bei Diskussionen den Maiden-Kenner zu mimen, sollte man zu gegebener
Zeit beiläufig erwähnen, daß Bruce Dickinson ja vorher bei Samson
gesungen hat. Die muß man dazu nicht unbedingt kennen, aber man sollte
wissen daß auch diese zur NWOBHM (New Wave Of British Heavy Metal)gehörten.
Nach und nach holte ich mir die Erste und "Killers" billig Second Hand, später
noch "Piece Of Mind" (ein besseres Wortspiel als "Iron Nosen", das muß
ich zugeben - aber dafür ließen Maiden meiner Meinung nach bei der
Platte merklich nach). "No Prayer For The Dying" habe ich mir neu als LP gekauft
und ein paar Jahre später wieder billig verkauft, weil sie langweilig war.
Diese vier Platten sind alles, was ich von Maiden besitze. In die späteren
Platten habe ich teilweise noch reingehört, aber etwa ab 1994 hat sich
die Spur verloren. Sie haben ein zweites Live-Album veröffentlicht. Das
erste ist nach allgemeiner Expertenansicht eines der besten Live-Alben aller
Zeiten, aber nur in der Vollversion auf Vinyl. Im Studentenwohnheim habe ich
es mir vom Gitarristen einer Hardcore-Band auf Kassette überspielt. Irgendwann
haben sie den Sänger gewechselt. Kürzlich habe ich im Fernseh Bruce
Dickinson wieder bei Iron Maiden rumhüpfen sehen. Mann, sind die alle alt
geworden.
Auch wenn es sehr konservativ klingen mag und ich mich damit in die Nähe
der AC/DC-Bon-Scott-Fraktion begeben könnte: Mir gefallen die ersten beiden
Platten mit Paul Di' Anno am besten. Warum, weiß ich nicht zu sagen. Er
hat später, in den späten 80ern oder in den 90ern irgendein Solo-Projekt,
aber ein zweiter Ozzy Osbourne ist er damit nicht geworden, und bestimmt war
es sehr peinlich.
Auf meinen Led-Zeppelin-Text
hat es einige empörte Reaktionen gegeben. Das ist OK so, er sollte auch
nicht objektiv sein. Iron Maiden waren und sind, genauso wie Led Zeppelin, eine
ziemlich konventionelle Rock-Band. Ideal für große Stadien, mit Gitarren-Rumgepose
und Macho-Gehabe (ich hör' sie schon, die LedZep-Adepten: "Led Zeppelin
mit Iron Maiden vergleichen! Spinnt denn der?!"). Was Iron Maiden sympathischer
machte, abgesehen davon, daß mir die Musik besser gefallen hat, war das
Fehlen des Anspruchs, hier Kunst oder sowas zu produzieren, sondern einfach
drauflos zu spielen, wenn auch mit gar nicht mal so anspruchslosen, zumindest
aber unterhaltsamen Texten. Und esoterische Anwandlungen hatten sie auch nie,
außer man deutet denn von ironieunfähigen Pädagogen hineingedeuteten
Satanismus in dieser Weise.
Ums zusammenzufassen: Iron Maiden spielten bei meiner frühen musikalischen
Sozialisation eine größere Rolle als Led Zeppelin. Das hätte
durch puren Zufall auch anders kommen können und hat, wie immer, nichts
mit einem allgemeingültigen Qualitätsurteil zu tun.
- Martin - 12/03
IRON MAIDEN – Brave New World?
Also
der Martin macht es einem echt nicht leicht: Kaum hat man seinen Led
Zeppelin-Rundumschlag einigermaßen verdaut, folgt sogleich die nächste
Schlachtung einer heiligen Kuh, namentlich des britischen Metal-Urgesteins
Iron Maiden. Doch bevor ich nun in bester DIO-Manier zu meinem True Metal
Schwert greife und wild geifernd zu einem vernichtenden Hieb auf das Haupt
dieses Ungläubigen aushole, nehme ich noch schnell einen tiefen Schluck
aus der Jack Daniels-Pulle, rülpse einmal tief durch und bange noch eine
Runde zur letzten Manowar... Aah! Gleich viel besser!
Aber ganz ungeschoren soll der werte Herr Herausgeber dann doch nicht davonkommen,
und wo er sich schon so süffisant auf die alternden Enddreißiger
eingeschossen hat, meldet sich nun halt mal ein solcher zu Wort.
Einer, der zwar z.B. zu Led Zeps Glanzzeiten auch noch nicht soo musikinteressiert
war, aber dennoch – gelinde gesagt- Probleme mit Martins Demontage dieser Legende
hatte. Und das sind sie zweifelsohne, eine Legende. Und um dies anzuerkennen,
muß man nicht zwangsläufig mit ihrer Musik aufgewachsen sein, auch
wenn dies den Zugang zu einer Band bzw. Stilrichtung erheblich erleichtert.
Ich wage sogar zu behaupten: Man muß nicht einmal unbedingt selbst Musik
machen, um Zep adäquat würdigen zu können, aber sowohl jeder
für sich als auch alle im Kollektiv waren einfach nur ausnehmend gute Musiker.
Freilich kenne auch ich noch die Zeiten, als man entweder zu Purple oder zu
Led Zep stand (beides zusammen ging halt einfach nicht) und ich schlug mich
damals auf die Purple-Seite, nicht zuletzt wegen Blackmores grandioser Klampferei.
Wenn man aber nach rund 25 Jahren Hartwurstmucke einmal einen Blick zurück
auf die Entwicklung dieses Genres wirft, ist der Kultstatus dieser Band auch
heute durchaus noch nachvollziehbar. Nicht alleine wegen ihrer Musik, sondern
vor allem wegen ihres nachhaltigen Einflusses auf Bands, Szene und Business.
Zep waren von vornherein als Megahype an den Start gegangen und hatten mit ihrem
Konzept durchschlagenden Erfolg; wie sie die Siebziger dominiert haben und Standards
für die Folgedekaden gesetzt haben, läßt sich am ehesten anhand
der Lektüre der wirklich lesenswerten Biografie von Ritchie Yorke (in deutscher
Übersetzung im VGS-Verlag Köln erschienen) miterleben.
Zep haben die für die Rockszene so elementaren Klischees geprägt und
vorgelebt, so daß der Begriff "Urväter des Heavy Metal"
durchaus seine Berechtigung hat, und wenn man bedenkt, wie viele Bands alleine
vom nahezu unverändert aufgegriffenen Zepschen musikalischen Vermächtnis
gut existieren konnten (Kingdom Come oder Billy Squier beispielsweise, um nur
die herausragendsten zu nennen) oder auch heute noch mit Led Zep Coveralben
gute Verkaufszahlen erzielen (z.B. die Black Crowes oder Great White unter Federführung
ihres Sängers Jack "I stopped buying records after Led Zep broke up"
Russell), kann man ihnen auch einen gewissen Einfluß auf die heutige Rockmusik
wohl kaum absprechen.
Natürlich haben sich die äußeren Umstände und die Hörgewohnheiten
inzwischen verändert, und auch ich habe bisweilen so meine Probleme mit
Robert Plants Stimme, halte Led Zeppelin deswegen aber keinesfalls für
"nervtötendes Hintergrundgedudel", auch nicht über einen
längeren Zeitraum. Dazu sind vor allem Alben wie III, IV (Symbols) oder
Physical Graffiti einfach zu zeitlos. Oder anders gesagt: Zu ihrer Entstehungszeit
innovativ, über Jahrzehnte hinweg wegweisend und nunmehr nostalgisch im
besten Sinne.
Überhaupt: Nostagie! Genau dies ist wohl auch das Schlüsselwort für
Iron Maiden (gerade noch die Kurve gekriegt). Im Gegensatz zu Led Zeppelin bin
ich mit Iron Maiden und der NWOBHM groß geworden (alternder Enddreißiger
eben), und man muß schon die frühen Achtziger hautnah miterlebt haben,
diese Aufbruchsstimmung, die in der neu entstehenden Szene herrschte, um dem
Phänomen Heavy Metal hinreichend gerecht werden zu können. Man war
jung, voller Ideale und wollte die Welt im Sturm nehmen. Die Fans waren noch
weit davon entfernt, sich in Poser und Thrasher aufzuspalten, der Zusammenhalt
und der Idealismus waren entsprechend groß, die Szene lieferte "Vorbilder"
gleich dutzendweise, und beinahe jede Woche fand man beim Govi oder im Musicland
eine aufregende LP einer neuen Band... man war "anders" als der Rest
der Gesellschaft und kultivierte diesen Underdogstatus natürlich auch.
AC/DCs "Highway to Hell" traf den Zeitgeist voll, obwohl es natürlich
kein Metal im engeren Sinne war, Bon Scott wurde durch seinen exzessiven Lebensstil
und seinen tragischen (wenn auch letztendlich nicht wirklich überraschenden)
Tod zu einer Ikone für diese Generation, weil er für das, wovon er
sang, auch stand, Judas Priest wurden von der englischen Presse zum "Evangelium
des Heavy Metal" erklärt, Bands wie Saxon spielten in 5000 und mehr
Zuschauer fassenden Hallen, Gottschalk legte in "Pop nach Acht" Songs
von Demon, Rainbow oder Rage auf, übertrug im Rahmen dieser Sendung gar
ein Livekonzert von Ian Gillans metallischem Soloprojekt "Gillan",
und selbst der dem Metal gegenüber eher skeptisch auftretende Musik Express
gab ein wirklich exquisit recherchiertes HM-Sonderheft heraus, lange bevor an
Metalpublikationen wie das Rock Hard oder den Metal Hammer überhaupt zu
denken war.
All dies sprühte nur so vor Credibility und Integrität, roch nach
Rebellion, riß Dinosaurier von ihren Sockeln und vermittelte eine besondere
Identität bzw. Abgrenzung, die im Laufe der Jahrzehnte zu einer bequem
tümelnden True Metal Behaglichkeit geronnen ist, in all ihren erstarrten
Klischees der Volksmusik gar nicht einmal so unähnlich.
Maiden selbst lernte ich anno 80 als Anheizer für die unsäglichen
KISS kennen. Vorher kannte kein Schwein diese Band, lediglich eine kurze LP-Rezension
des Debüts aus der BRAVO (!) hatte ich im Hinterkopf als ich mich in die
Hemmerleinhalle nach Neunkirchen aufmachte, um KISS unmasked zu sehen (was allerdings
nur ein reißerischer Promogag war; KISS traten natürlich geschminkt
auf. Nach Maidens furiosem Auftritt war der Hauptact ohnehin alles andere als
interessant, da vom Opening Act von der Bühne gefegt.). Eben dieses Debüt
wurde daraufhin schnellstens angeschafft, und ragte trotz erstklassiger Konkurrenz
wie "British Steel", "Wheels of Steel", Rose Tattoos Vinyleinstand
oder Y&Ts "Earthshaker" doch deutlich heraus. Rainbow, UFO &
Co. hatten ihren Zenit bereits hinter sich, Motörhead waren damals noch
ein wenig zu räudig, Purple gab es nicht mehr... man hatte fast keine andere
Chance als Maiden-Fan zu werden.
Das "Killers"-Album war dann noch einen Zacken rauher und präsentierte
Maiden in Weltklasseform. Als dann auch noch der stimmlich doch arg limitierte
Sänger Paul Di Anno gegen Bruce Dickinson ausgetauscht wurde, war die Band
in ihrem Sektor einfach nahezu unschlagbar, "Number of the Beast"
und "Piece of Mind" waren musikalisch und konzeptionell vom feinsten,
und selbst als Iron Maiden auf "Powerslave" zu experimentieren begannen,
beklagte sich kaum jemand. Das folgende Livealbum "Live after Death"
dürfte im Metalbereich auch heute noch zu den großen Drei gehören,
zeigt es die Band doch von ihrer allerbesten Seite. Zwar entdeckten Maiden zu
dieser Zeit wie viele andere Combos auch ihre Möglichkeiten und begannen
sich weiterzuentwickeln, doch eine platte Anbiederung an den Kommerz waren stilistisch
breiter gefächerte Werke wie "Somewhere in Time" oder auch das
feine "Seventh Son of a Seventh Son" beileibe nicht! Wenn ich da an
Bands wie Priest, Saxon, Y&T, Blackfoot, Molly Hatchet und wie sie alle
heißen denke, die Mitte der Achtziger einbrachen... Okay, "No Prayer
for the Dying" war dann allerdings wirklich mau, wurde aber mit "Fear
of the Dark" wieder wettgemacht.
Danach
verließ Dickinson bekanntermaßen die Band, Maiden verschwanden
mit neuem Sänger im grauen Mittelmaß, und gerade nach der von allen
Seiten lautstark geforderten Rückkehr von Bruce zetern die "Fans"
mehr denn je. "Dance of Death", das aktuelle 2003er Album wird geliebt,
gehaßt, noch und nöcher verglichen (mit "Brave New World",
dem Vorgängeralbum zur Dickinson-Reunion, mit alten Maiden-Werken, mit
Platten anderer Bands, mit was-weiß-ich allem); Stagnation und Selbstplagiat
heißt es auf der einen Seite, logische Weiterentwicklung auf der anderen...
Fakt ist, daß traditioneller Metal heutzutage nun einmal weitgehend ausgereizt
ist und die altbekannten Trademarks im Rahmen seiner stilistischen Grenzen nur
noch variiert werden können. Und genau das tun Maiden doch mit Bravour,
oder? Sicherlich mag man darüber streiten können, ob Dickinsons Soloalben
"Accident of Birth" oder "Chemical Wedding" nicht vielleicht
die besten Maiden Alben seit langem waren, ob nun "Dance of Death"
besser oder schlechter ist als "Brave New World", aber was bringt´s?
Und wo gerade von Soloprojekten die Rede ist: Auch Ex-Vocalist Paul Di Anno
konnte neben einigen Veröffentlichungen jenseits der Peinlichkeitsgrenze
im Laufe der letzten 15 Jahre immer wieder mal mit echten metallischen Perlen
für Aufmerksamkeit sorgen: Ende der Achtziger mit zwei recht guten Battlezone-Alben,
1992 mit dem Killers Erstling und zuletzt vor etwa vier Jahren mit der ziemlich
rohen Di Anno-CD, die er mit ein paar brasilianischen Jungspunden eingehämmert
hat, aber dies nur am Rande.
Solange es Iron Maiden in der von den Fans geforderten Besetzung noch gibt und
solange sie solide Arbeit abliefern, sollte man einfach zufrieden sein, mit
deren Berechenbarkeit, mit deren Credibility der einfach mit qualitativ gut
gemachter Musik... Lieber die nach wie vor einmalige Röhre von Bruce, den
so typischen melodieprägenden Baß von Steve Harris, die melodischen
bis schneidenden Twin Guitars von Smith/Murray (den Clown Gers mal bewußt
ausgeklammert, den haben sie nur aus schlechtem Gewissen in der Band behalten)
oder das zuverlässige Drumming von Nicko als irgendwelche gesichtslosen
Kopisten, so gut sie meinetwegen instrumental auch sein mögen. Neue Zeiten,
neue Bands halt, und darunter gibt es ja durchaus Vertreter, die für die
alten Säcke (um den "Enddreißiger" mal elegant zu umschiffen)
nachvollziehbar sind, wie z.B. Slough Feg, Twisted Tower Dire oder Astral Doors.
Gerade letztere machen ja eigentlich auch nichts anderes als im Rainbow/DIO/Sabbath-Fahrwasser
zu pilgern, aber sie machen ihre Sache gut und weitestgehend eigenständig.
Innovation war während der letzten zwanzig Jahre bestimmt keine Domäne
des Metal, und das hat ja auch durchaus sein Gutes: Wenn man eine CD einer "bewährten"
Band blind ersteht, weiß man von vornherein, daß man nicht enttäuscht
wird, genauso wenig wie wenn man in Unkenntnis des aktuellen Albums auf ein
Konzert dieser Combos geht.
Es gibt ohnehin nicht allzu viele "große" Bands, die im härteren
Rocksektor die Gratwanderung zwischen Bodenständigkeit und Weiterentwicklung
meisterlich beherrschen und dabei stets nachvollziehbar und glaubwürdig
bleiben. Spontan fallen mir da eigentlich nur Rush ein und – mit Abstrichen
– Deep Purple und Dream Theater. Gerade letztere stoßen allerdings mit
ihrem aktuellen Album auch nicht auf einhellige Gegenliebe, und auch Purple
werden seit dem Weggang Jon Lords zunehmend kritischer beäugt.
Ach ja: Und Led Zeppelin. Aber die waren angesichts ihrer bodenlosen Arroganz alles andere als integer. Waren halt doch andere Zeiten.
- Klaus - 01/04