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(1979)

dream theater - when dream and day unite

Jaaa, ich weiß, daß ich mir jetzt den Zorn wohl fast aller Motörheadbangers zuziehen werde, wenn ich in dieser Rubrik nicht Ace of Spades huldige. Aber mein persönlicher Favorit der sympathischen Krawallcombo ist nun einmal nicht das Kultalbum mit dem Desperado-Cover, sondern das nach dem etwas chaotisch-rumpeligen Debütalbum erschienene Overkill aus dem Jahre 1979. Freilich, Ace of Spades war, ist und bleibt eine Überscheibe, daran besteht gar kein Zweifel. Immerhin hat das Werk der Band 1980 den "Durchbruch" beschert und eine Vielzahl weiterer Bands nachhaltig inspiriert (man darf nicht vergessen, daß Motörhead seinerzeit auf ihre Art sensationell waren; die Band galt als so ziemlich das Abstoßendste und Abartigste, was man sich musikalisch nur vorstellen konnte, und Venom wurden beispielsweise zu Beginn ihrer Karriere mit dem Slogan "Noch härter als Motörhead!" gefeatured). Doch für meinen persönlichen Geschmack ist Ace of Spades halt nun mal nicht das beste Motörhead-Album, sondern lediglich ein herausragendes in einer langen Liste der guten Alben der Band und steht für mich in einer Reihe mit Another Perfect Day (jetzt bin ich wohl endgültig in Ungnade gefallen!?), 1916, Bastards, Snakebite Love, Hammered und Kiss of Death; alles Alben, die durchgehend gutes Songmaterial enthalten, was ja im Hause Motörhead beileibe nicht immer der Fall ist.

Warum mir gerade Overkill so gut gefällt? Nun, es ist die Magie, die dieses Album verströmt. Unter der Regie von Jimmy Miller in gerade einmal 14 Tagen eingespielt, besticht Overkill einerseits durch eine unheimlich druckvolle und dennoch transparente Produktion und andererseits durch ausnahmslos starke Songs, die von der Band mit einer unbändigen Power tight auf den Punkt gespielt werden. Daß dieses Kunststück gar nicht so einfach zu wiederholen ist "bewies" dasselbe Team mit dem Nachfolger Bomber, dem es sowohl etwas an der nötigen Power fehlte als auch an richtig starken Songs (gerade einmal 4, 5 Stücke können es mit dem Standard des Vorgängers aufnehmen), was allerdings auch daran gelegen haben kann, daß man diesmal "zuviel" Zeit für die Produktion zur Verfügung hatte... Wie dem auch sei: Overkill ist ein Hammeralbum und bedeutete für mich den Einstieg in eine wohl lebenslange Motörhead-Passion. Und auch wenn es inzwischen längst "technisch bessere", "schnellere", "härtere" oder "originellere" Rockbands gibt; kaum eine reicht an den Groove und den ruppigen Charme heran, mit der sich diese Institution seit nunmehr über dreißig Jahren immer wieder aufrappelt um ihren Fans das zu geben, was sie wollen: Simplen, schmutzigen und ehrlichen Rock´n´Roll. Und genau das zeichnet nun einmal gerade die Motörhead- Urformation, Ian "Lemmy" Kilmisters wüsten Haufen (die kurzlebige Wallis/Fox-Besetzung der On Parole-Phase einmal bewußt ausgeklammert), die alles andere als brillante Musiker waren, aus; besonders auf Overkill (und natürlich auch auf Ace of Spades).

Beginnend mit DEM Mega-Opener Overkill, einem Doublebaßgewitter allererster Güte, auf dem Philthy Animal Taylor seine Drums und Becken wummern und scheppern läßt, daß es eine wahre Pracht ist, und der der Band offensichtlich so viel Laune macht, daß man nach dem Schluß des Songs gleich zweimal wieder einsteigt, über Classics wie Stay clean, No Class oder Metropolis bis hin zu No Name Songs wie (I won´t) Pay your Price, Damage Case oder dem leicht punkigen Tear ya down...; es regiert eine Mischung aus Power, Groove, geilen Melodien & Hooks und Lemmy-typischen Lyrics. Und – was besonders auffällt: Eine bei Motörhead-Alben selten so stark ausgeprägte Ausgewogenheit des Songmaterials; mal schneller, mal langsamer, zumeist heftig rockend, aber auch mit viel Raum für Zwischentöne... Lemmys Baß knarzt mal herrlich, mal übernimmt der Mastermind mit seinem Baß eine Art Rhythmusgitarrenfunktion (auf dem kauzig-genialen Limb from Limb steuert er sogar ein - zugegeben etwas schräges - Gitarrensolo bei), Fast Eddie Clarke geizt nicht mit tollen Riffs, Licks und Soli, das Animal an den Drums brilliert mit einer für seine Verhältnisse geradezu grandiosen Timingsicherheit und Virtuosität... all das haben sie meines Erachtens auf Ace of Spades SO nicht mehr hinbekommen. Herausragend auch einer meiner persönlichen Faves, das herrlich ironische I´ll be your Sister, ein weiterer No Name Song, der anno 1992 auf der Bombers & Eagles-Tour zusammen mit dem Special Guest Saxon als Überraschungs-Konzertopener begeistern konnte; alles typisch Motörhead, typisch Lemmy und einfach gut. Lediglich Capricorn fällt dagegen ein klein wenig ab; dem Song fehlt es etwas an Ausstrahlung, obwohl er alles andere als schlecht ist und für Mr. Kilmister wohl auch so eine Art persönliches "Glaubensbekenntnis" darstellt.

Tja, was soll man über Overkill sonst noch groß Worte verlieren? Eigentlich müßte ohnehin jeder Freund härterer Klänge diese Platte oder CD in seiner Sammlung haben... Einfach mal wieder abstauben, auf- oder einlegen und genießen. Wer Overkill nicht kennen sollte, hat definitiv was versäumt und sollte sich erst nach ausgiebigem Teeren und Federn wieder auf einem Metal- oder Rock´n´Roll-Konzert blicken lassen oder pseudowichtig in den einschlägigen Szenetreffs rumhängen dürfen. Soweit, so gut; ich habe fertig und übergebe das Schlußwort an den Mastermind himself:

"The whole recording experience was pure joy (…) As is usual with Motörhead, there were quite a few new songs that we´d already been performing live. `Damage Case´, `No Class´, `I won´t pay your Price´ and `Tear ya down´ were among those. Others we wrote in the studio. `Capricorn´ was written in one night. Eddie´s solo for that one, I recall, happened while he was tuning up. The tape was running while he was fooling around with his guitar, and the producer added some echo. When Eddie finished tuning, he came in and said `I´ll do it now´, and we told him `Oh, we got it´. `Metropolis´ was another fast one. I went to see Metropolis, the movie, then I came home and wrote the song in five minutes. The words don´t make any sense, though. They´re complete gibberish. Overkill charted right away – it eventually peaked at 24. It was a minor hit, and some of our fans left us because they thought we were `going commercial´. That was really stupid. Elitist, overfed snobs! We knew we were doing just what we wanted to musically, so that was easy to ignore."
[Aus Lemmys Biographie "White Line Fever" - Besprechung HIER]

- Klaus - 08/08