Zur Rubrik "Hören"
Zur Rubrik "Klassiker"
Kommentieren
Zur Hauptseite
Zur Hauptseite
Worum's geht...
Musikmacher
Bewegte Bilder
Lesen
Anderes


(1980)

dream theater - when dream and day unite

Wieder einmal wage ich mich an ein Classics Review. Und wieder einmal gehe ich bewußt das Risiko ein, mich in die Nesseln zu setzen. Aber wie schon im Falle von Motörheads Overkill habe ich auch diesmal nicht vor, eine heilige Kuh zu schlachten oder ein Denkmal vom Sockel zu stürzen, sondern möchte lediglich dezent darauf hinweisen, daß der allseits anerkannte "Klassiker" einer Band nun einmal nicht unbedingt auch zwangsläufig deren allerbestes one & only album ever sein muß...

Wenn schon eine Rezension eines "klassischen" RIOT-Albums, dann kann es sich wohl nur um eine Lobhudelei auf die Fire Down Under handeln, oder? Falsch! Freilich, die Fire Down Under ist auch nach über 25 Jahren immer noch ein absoluter Meilenstein im Heavy Rock Genre, und für so manchen gilt die Scheibe wohl als die erste Speed Metal-Veröffentlichung überhaupt, lange bevor an Bands wie Metallica oder Slayer überhaupt zu denken war. Keine Frage: Fire Down Under war seinerzeit wegweisend, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Allerdings behaupte ich einmal, daß der Platte damals genauso ein Schattendasein beschieden gewesen wäre wie den meisten übrigen Releases der legendären US-Combo, hätte sich darauf nicht der Kultsong Swords & Tequila befunden, den man als Metaller in den frühen Achtzigern (so die Infrastruktur stimmte) zu allen passenden und – eher selten auftretenden – unpassenden Gelegenheiten auf die Lauscher geknallt bekam.

Auch ich habe mir natürlich als erstes Vinyl von RIOT die Fire Down Under ins Regal gestellt, zählte allerdings auch zu den wenigen, die damals via Tapetrading (danke, Markus!) schon das Rock City-Debüt der Band aus dem Jahre 1978 kannten. Als dann publik wurde, daß "noch eine Platte dazwischen" existierte, gab es natürlich kein Halten mehr, und schließlich wurde man beim Stöbern beim GOVI auch fündig. Narita hieß das Teil, ein zugegeben ziemlich dämlicher Titel für eine Hardrock-Scheibe, handelt es sich doch hierbei um den Namen des Tokioter Flughafens, mit dem RIOT halt ihre Zuneigung zu den japanischen Die-Hard-Fans zum Ausdruck bringen wollten.

Die musikalische Leistung auf Narita indes war dann – und ist es immer noch - über jeden Zweifel erhaben; ich habe selten eine Platte gehört, auf der es von vorne bis hinten nur so raucht, kracht und auch noch groovt!

Bestach Rock City noch durch seine durchweg guten Songs, die allesamt eher dem knackig-melodischen Hardrock zuzuordnen waren, so gelang es RIOT auf Narita die Güte der Melodien und Hooklines ihres Debüts mit einer (noch) grandios(er)en Spielfreude und Energie zu kombinieren; hier "glüht" es förmlich! Angefangen beim Ohrwurm-Opener Waiting for the Taking mit seinen furiosen, nicht enden wollenden Gitarrensoli, über den groovenden Rocker 49er bis hin zum Titelstück Narita, einer Instrumentalgranate mit tollen melodiösen Gitarrenläufen, die starke Assoziationen an die frühen NWOBHM-Bands weckt...; RIOT ziehen alle Register von hardrockig bis speedig. Lediglich die eher unsägliche Coverversion von Steppenwolfs Born to be wild bremst den Druck der ersten LP-Seite etwas aus (ich konnte eh´ nie so recht nachvollziehen, warum die Band auf ihren Studio-Veröffentlichungen relativ viele Coverversionen oder auch Füller wie Flashbacks von der Fire Down Under unterbrachte; dann doch lieber ein spontan eingejammter Rocker aus eigener Feder... das Potential dazu hatte man gerade während der Anfangszeiten doch!?).

Seite 2 beginnt mit Here we come again, und erneut läßt es sich Gitarrist und Mastermind Mark Reale nicht nehmen, seiner Klampfe bis hin zum Schluß des Songs die geilsten Endlossoli zu entlocken. Ohne balladeske Intermezzi wird weiter gnadenlos durchgerockt, die Gitarren glühen, die Drums wummern... und über allem thront Guy Speranzas klarer, aber dennoch unglaublich prägnanter Gesang. Druck ohne Wenn und Aber! Hot for Love fängt dann noch ziemlich "brav" an, steigert sich gegen Ende aber auch zu einem kleineren Inferno. Und das schnelle Road racin´ beendet schließlich eine der seltenen Platten, bei denen man fast schon den Zwang verspürt , sie stante pede wieder von vorne hören zu müssen. Kult, Kult und noch mal Kult!

Und genau das ist es, was für mich Narita von Fire Down Under unterscheidet: Letztere ist zwar über weite Strecken speediger, klingt aber paradoxerweise auch viel polierter, ja kalkulierter als Narita, welche im direkten Vergleich doch deutlich rauher, ungeschliffener und bauchlastiger daherkommt.

So gesehen ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß ursprünglich kein Label das von der Band in Eigenregie aufgenommene Album veröffentlichen wollte, und erst nachdem RIOT ihren Bekanntheitsgrad durch ausgiebiges Touren im Vorprogramm einiger damals angesagter Bands gewaltig steigern konnten, erklärten sich Capitol Records dazu bereit, Narita herauszubringen. Allerdings erwartete das Label dann eine deutlich kommerziellere Nachfolgescheibe, und gerade das war Fire Down Under nun denn wohl auch wieder nicht. Es folgten ein weiterer Labelwechsel zu Elektra, der Release von Fire Down Under, der Ausstieg von Ausnahmesänger Guy Speranza, der keine Perspektive mehr für die Zukunft der Band sah, die Hinzunahme von Rhett Forrester als neuem – und stimmlich eher limitiertem - Sänger, zwei deutlich schwächere Alben mit eher biederem Songmaterial (Restless Breed und Born in America, die angesichts des Vermächtnisses dreier chromblitzender Vorgängeralben wohl nur abstinken konnten) und schließlich die Auflösung der Band, begünstigt durch ein Managementgebaren, das man wohl nur als amateurhaft und paranoid bezeichnen kann... alles in allem eine Affenschande!

Zwar hat sich Mark Reale in der Folgezeit mit neuem Management und ständig wechselnden Mitstreitern immer wieder aufgerappelt, um der Legende RIOT neues Leben einzuhauchen, und neben einigen eher mittelprächtigen Scheiben entstanden so auch ein paar durchaus hörenswerte Alben wie Thundersteel (1988) oder Inishmore (1998), aber die Klasse und Prägnanz der frühen Tage dürfte wohl nie mehr erreicht werden. Dies ist um so trauriger als Reale Ende der Neunziger erneut eine Zusammenarbeit mit Guy Speranza initiierte, von der es dem Vernehmen nach auch unveröffentlichtes Material geben soll, welche aber durch den Tod des Ur-Sängers im Jahre 2003 ein jähes und unwiderrufliches Ende finden sollte.

Was bleibt, sind drei Alben für die Ewigkeit, eine posthume Livescheibe aus dem Jahre 1980 (RIOT live in England), die die Band noch einmal von ihrer allerbesten Seite zeigt und ein nicht locker lassen wollender Klampfer (wenn sich jemand einen Preis für Durchhaltevermögen verdient hat, dann wohl Mark Reale!). Und die Hoffnung, die ja bekanntermaßen zuletzt stirbt...

Wie dem auch sei: Narita ist ein veritabler Pflichtkauf, seit 2006 via Rock Candy Records endlich auch auf CD erhältlich, und wer auf schnörkellosen, unprätentiösen Heavy Rock steht, der muß hier einfach zugreifen. Quasi als Vergleich: Für mich verdammt nah dran an Y&Ts Earthshaker!

- Klaus - 11/08

Epilog:

Nun hat es also auch einen der wirklich "Zähen" erwischt: Am 25. Januar 2012 verstarb RIOT-Leader Mark Reale im Alter von nur 56 Jahren nach zweiwöchigem Koma an einer Hirnblutung infolge seiner langjährigen Morbus Crohn-Erkrankung...

Dies ist umso bedauerlicher als Reale nach vielen Jahren der Orientierungslosigkeit mit der langlebigsten RIOT-Besetzung um Sänger Mike DiMeo mit der aktuellen - und nun wohl auch unwiderruflich letzten - Scheibe Immortal Soul einen wirklichen Brecher am Start hatte, der überall nur gute Kritiken erntete und der der Band in Anbetracht der Güte des Songmaterials durchaus so etwas wie eine späte Genugtuung für ihren unbändigen Durchhaltewillen hätte bescheren können.

Fast unbemerkt hatte sich Mark Reale in all den Jahren zu einem veritablen Ausnahmegitarristen gemausert - unbemerkt insofern als während der letzten zwei Dekaden leider zuviel musikalisch Verzichtbares entstanden war: Lediglich die Alben Nightbreaker (1993) und Inishmore (1998) waren durchgehend gut und interessant, bis man schließlich anläßlich des 2006er Werks Army of One doch endlich wieder einmal den Eindruck hatte, daß es Reale gelungen war, alle Stärken der Band zu bündeln - einschließlich starker Songs, guter Hooklines und genialen Gitarrenspiels!

Fast vergessen waren alle Spekulationen darüber, ob man einer möglichen Reunion mit Originalsänger Guy Speranza, die durch dessen Tod vereitelt wurde, eventuell hätte nachtrauern müssen oder ob anno 1993 der Verzicht auf Harry "The Tyrant" Conklin als Frontmann die richtige Entscheidung gewesen war (dem Vernehmen nach hatte letzterer sich um den Job gebracht, weil er während seiner ersten Gigs mit der Band derart viel gesoffen hatte, daß seine Stimme streikte…).

Wie die 1992 mitgeschnittene (und erst 1999 veröffentlichte) Live in Japan-CD allerdings - und vor allem im Gegensatz zur eher dürftigen Shine on -Live CD von 1998 - eindrucksvoll aufzeigt, scheint wohl aber der Thundersteel- /The Privilege of Power-Vokalakrobat Tony Moore, der nun auch wieder auf Immortal Soul zu hören ist, genau der Sänger zu sein, der es sowohl beherrscht, die Klassiker aus der Guy Speranza-Ära überzeugend darzubieten als auch spannende und abwechslungsreiche Gesangslinien zu schreiben. Also einer, der zu Mark Reale und seinen musikalischen Visionen paßt, was die Protagonisten leider anscheinend nur wieder einmal viel zu spät bemerkt haben - so zumindest sind wohl die lyrischen Beteuerungen auf Immortal Soul zu verstehen.

Naja… vom Präsens zum Präteritum, vom Konjunktiv zum Indikativ:

Fast sah es so aus als ob sich der Kreis mit diesem wirklich starken Album geschlossen hätte… Indes: Es hat wohl nicht sollen sein!

"One more immortal soul - come closer to the fire...

One thousand years of song with this unholy choir

One fallen angel behaving infernally"


Right, Mark: Wings are for Angels… so shine on!