Zur Rubrik "Hören"
Kommentieren
Zur Hauptseite
Zur Hauptseite
Worum's geht...
Musikmacher
Bewegte Bilder
Lesen
Anderes

"Any attempt to reproduce these musical statements in our own words is necessarily doomed to failure."
(Aldous Huxley)

 

 


Ein wilder Ritt durch die Ewigen Jagdgründe der Pop-Musik
Teil 3

 

*** Tears Run Rings *** Eigentlich ganz netter Shoegaze bzw Dream Pop. Letztlich aber nicht völlig überzeugend in der Umsetzung, vor allem im instrumentalen Bereich. Da schwurbelt vieles zu uninspiriert und tendenziell dissonant vor sich hin. Psychdelisch oder doch einfach nur narkotisch? Schwer zu sagen ... *** Monster Movie *** Das höre ich mir kein zweites Mal an. Das neue Album "Everyone Is A Ghost" ist einfach nur eine schmalspur-poppige Katastrophe. Zumindest nicht das Comeback, auf das man gewartet hätte. Bored Beyond Oblivion? Hm, ihr sagt es, Leute. Keinerlei Überbeibsel sind mehr auszumachen von dem geradezu magischen Gespür für hymnisch entschwebte Melodien und der entwurzelten, wärmenden Melancholie des Debuts "Last Night Something Happened". *** Efterklang *** Wer hätte zu Zeiten von "Tripper" geahnt, daß dieses famose Ensemble einmal eine lockerleichtbeschwingte Frühlings-Platte machen würde? Es scheint eigentlich immer bedenklich, wenn ein Bandleader wie Casper in einem Interview (bei "Wenn's Rockt") über die glorreichen Anfangstage sinngemäß sagt, man sei damals einfach zu ernsthaft gewesen, habe sich und der Welt etwas beweisen müssen. Heute hingegen wäre man erwachsen und gereift und habe beim Komponieren inzwischen einen wesentlich unbeschwerteren und natürlicheren Ansatz. "Magic Chairs" klingt dem entsprechend auch federleicht und positiv - nahezu gänzlich verschwunden sind die elektronischen Widerhaken, die klassizistische Schwermut, die avantgardistische Unvorhersehbarkeit und die entrückte Erhabenheit. Casper hat eine mehr als passable Stimme, verströmt aber, wie sich herausstellt, leider zu wenig Charisma, um die neuen Stücke als jetziger Leadsänger tragen zu können. Efterklang 2010 sind nach wie vor eine gute und außergewöhnliche Band, deren detailverliebte, farbenfrohe und -reiche Musik absolut hörenswert ist. Viele kleine Pop-Perlen sind hier zu entdecken. Die jedoch, zumindest an mir, ohne bemerkenswerte innere Bewegung zu verursachen oder sichtbare Spuren zu hinterlassen, vorbeilaufen. *** Alcoholic Faith Mission *** Noch eine Band die mir früher besser gefiel. Trug die leichte Unbedarftheit in der Darbietung beim Singer/Songwriter-orientierten "421 Wythe Avenue" noch zum nicht unerheblichen Charme des Albums bei, irritiert sie beim neuen Release, durch die deutliche Hinwendung zum verschrobenen Indie-Pop, einfach nur. Sorry. *** Ef *** Nach dem fantastischen ersten und einem guten zweiten Album sind Ef mit "Mourning Golden Morning" nun endgültig in der Post Rock Champions League angekommen und nehmen den titelgebenden Imperativ ihres Debuts ernster als jemals zuvor. Herrlich. Und die Gelegenheit die Jungs live zu erleben sollte man sich ebenso wenig entgehen lassen wie ihre brillanten und zudem hübsch aufgemachten Tonträger. *** Goonies Never Say Die *** "In A Forest Without Trees" ist eine der Kirschen auf der Torte des melodischen instrumentalen Gitarren-Post Rock! Ein geschmackvoller Hochgenuß! *** Collapse Under The Empire *** Ich würde gerne konstatieren es gäbe neben Long Distance Calling und Daturah eine dritte herausragende Post Rock Formation aus deutschen Landen. Ich kann es leider nicht. *** Genesis *** Nach etlichen Versuchen dieses nach wie vor hoch angesehene Werk auch für mich zu erschließen, kam ich heute zu der erschütternden finalen Einschätzung, daß "The Lamb Lies Down On Broadway" größtenteils einfach nur pompöser, theatralischer Schwachsinn ist. Punkt. Eine künstlerische Havarie, in ihren Ausmaßen an Titanic-Kategorien heranreichend, zerschellt am Eisberg der aufgeblasenen Selbstgefälligkeit. Drei Aspekte: Peter Gabriel ist unerträglich; besonders wenn er versucht, narrative Spannungen oder schwer wiegende emotionale Zustände auszudrücken. Der offene Widerspruch zwischen seiner allgemeinen Wertschätzung als Sänger und der eigentlichen Talentfreiheit verblüfft mich immer wieder aufs Neue. Die Texte dieses Albums und ihre mannigfaltigen Allegorien, dargestellt durch den Protagonisten Rael und seine Irrfahrt durch die anfängliche großstädtische Szenerie New Yorks, bis hinein in die Untiefen des eigenen Unterbewußtseins, interessieren mich ehrlich gesagt nicht wirklich. Dann wäre da die weitäufige Abwesenheit von Steve Hackett zu erwähnen; kaum ein nennenswerter, guter Beitrag von ihm hier. Nichtexistenter wurde sein Instrument im Kangbild von Genesis erst nach seinem Ausstieg 1977. Schlußendlich das uninspirierte Geklimpere von Tony Banks, welches viele Stücke notdürftig zusammen hält. Es klingt oft allzu beliebig und nach ausdruckslosen klassischen Pianisten-Etüden. Oder als hätte er einiges davon sich von alten Single-B-Seiten eines Johann Sebastian Bach entlehnt. Es gäbe noch mehr zu sagen, aber das reicht erst mal. Ein Doppel-Album mußte es also sein, Jungs? Aber klar doch. Eine ganz ordentliche EP hätte durchaus daraus werden können. *** Dead Letter Circus *** Meine erste Einschätzung war, dies sei der typische, modern-trendige Drama-Alternative-Rock für emotional instabile Teenager. Aber die Jungs sind einfach zu gut in dem was sie tun, um allzu leicht übergangen werden zu können. Mit allerhand produktionstechnischen und spielerischen Fertigkeiten werden die Dämonen der gesichtslosen Konfektion in Schach gehalten. Über die 12-Song-Distanz wird es allerdings zur zunehmenden Herausforderung, den fast ständig im theatralisch-emotionalen Overdrive operierenden Sänger auch nur eine Sekunde länger zu ertragen. *** Redemption *** "Snowfall On Judgment Day" bleibt, wie so vieles von dieser Band, standardisierter Progressive Metal, genauso glatt und berechenbar wie der Geschmack einer Torte aus der Supermarkt-Tiefkühltheke. Und genauso fade. Da hilft denn auch das Mitwirken von Ray Alder kaum, der in den letzten Jahren wohl leider einiges an stimmlichem Ausdrucksvermögen, vor allem in den höheren Tonlagen, eingebüßt hat. Er agiert solide, ohne jedoch nennenswerte Anteilnahme beim Rezipienten zu wecken. Ein Eindruck welcher durch den Gastauftritt von Dream Theaters James LaBrie nur noch akzentuiert wird. Instrumental wird man den Erfordernissen des Genres gerecht, bleibt insgesamt aber einfach zu blass und fantasielos. Allenfalls die solistischen Einlagen und das eine oder andere Gitarrenriff lassen einmal wirklich aufhorchen. Leviathan Rising vermittelt eine Dringlichkeit und melodische Eleganz, welche den Song herausragen lassen. Der Großteil des Albums indes bleibt eine anspruchsvolle aber substanzarme kompositorische Fingerübung. Man scheint zu sehr um risikolose Gefälligkeit beim einschlägigen Publikum bemüht. *** Kayo Dot *** Fand ich die originelle Mischung aus Prog Rock, Jazz und Kammermusik, die langen in der Zeit erstarrten elegischen Passagen mit gelegentlichen metallischen Ausbrüchen auf "Choirs Of The Eye" noch faszinierend, und auch die nachfolgenden Werke höchst bemerkenswert, stellt sich gegenüber Toby Drivers neuester Exzentrik, "Coyote", eine unverhohlene Ermüdung bei mir ein. Auf der einen Seite ist das Werk zu gewollt experimentell und dann wiederum in den Longtracks zu repetitiv. Bei Whisper Ineffable gibt's mittig den obligatorischen Verzweiflungsausbruch. Der eine oder andere dahinmäandernde hübsche Jazz-Teil, bei dem zumeist die Trompeten Akzente setzen, bleibt anzumerken. Insgesamt jedoch entlockt "Coyote" bei mir kaum mehr als ein avantgardistisches Gähnen. Vielleicht ist es mir auch einfach nur von zu desolater und albtraumhafter Stimmung. All meiner Vorbehalte zum trotz haben wir es hier mit einer der faszinierndsten Formationen der Gegenwart zu tun. Man darf stets mit gespannter Erwartung auf deren neueste Schöpfung blicken. *** Burial *** Von einem Freund wärmstens empfohlen und stets für neue stilistische Erfahrungen offen, kam ich kürzlich in Berührung mit einer elektronischen Untergrundströmung namens Dubstep, welche in den letzten Jahren in einschlägigen Kreisen von sich reden machte. Der Londoner Soundtüftler Peter Barker, aka Burial, gilt als Vorreiter einer in einen stilistischen Mix unterschiedlichster Clubsounds hinein evolvierenden Szene. Auf seinen bislang zwei Alben bringt er nicht nur entspannte Bewegung in die Beine von Besuchern einschlägiger Zappelbuden sondern auch in die Neuronen räumlich vereinzelter Seelen unter den heimischen Headphones. Der samtige dunkle Dancefloor auf "Untrue" entführt in ganz eigene Realitätswahrnehmungschichten, betört die Sinne mit seinen sombren Synthie-Klangflächen, subtilen Effekten, morphinen Beats und mannigfaltigen, repetitiv-kunstvoll gesampelten, geisterhaft-sehnsüchtigen Soulstimmen. Faszinierend. *** Sleepy Eyes Of Death *** "Toward A Damaged Horizon" klingt, als ob die vier Jungs aus Seattle zufällig Edgar Froeses ausrangiertes und bei Ebay angebotenes achtziger Jahre Equipment von Tangerine Dream ersteigert hätten. Dann mal eben den Staub von den Reglern und Tastaturen geblasen und losgelegt. Und wie! Zu den klar die Szenerie bestimmenden Synthesizern und Sequenzern gesellen sich akzentuiernd Shoegazer- und Post Rock-Gitarren nebst einer lebhaften Rhythmussektion - und fügen sich unter beherzten und unbekümmerten Händen mal eben zur Platte des Jahres zusammen! SEOD beweisen, daß man 80er Elektronik fast völlig ironiefrei recyclen kann, ohne im mindesten peinlich oder antiquiert zu wirken. "Toward..." ist eine perfekte Hochzeit von Retro und Moderne. Eine mitreißende, lebendige Melange von wuchtigem Bombast, Abgespacedheit und unwiderstehlichem Popdrive! Das Album läuft zwar nur knapp über eine halbe Stunde, dafür will man es jedoch wieder und wieder und wieder hören. Außerdem haben SEOD ja noch andere tolle Sachen veröffentlicht. Jetzt, wo sich die Musik so langsam endgültig von physischen Tonträgern zu lösen beginnt, machen schlankere Formate durchaus mehr Sinn. Lieber ein Werk von 25 - 40 Minuten als ein doppelt so langes, dem dann aber auf halber Strecke die Inspiration abhanden kommt oder dessen allgemeine Intensität unter der Fülle leidet. Und Intensität, ja, meine Freunde, das ist genau das passende Stichwort hier! *** 65daysofstatic *** Mit "We Were Exploding Anyway" gelingt den Sheffieldern sich selbst neu zu erfinden und dabei zugleich absolut treu zu bleiben. Es gelingt ihnen, zugänglicher zu werden ohne an Anspruch und Komplexität zu verlieren. Es gelingt ihnen mit diesem Meilenstein erneut, zu den relevantesten und innovativsten Formationen in der zeitgenössischen Rockmusik zu gehören. Chapeau! *** Hammock *** Die verdeckte Ankündigung im Titel ihres letzten, musikalisch die minimalistische Seite ihres Sounds auslotenden Albums "Maybe They Will Sing For Us Tomorrow", wird erst auf wundersame Weise bei den letzten beiden Songs eingelöst (zugegeben, Track # 4, Breathturn, unterschlage ich jetzt einfach mal um der eleganten Einleitung willen...). Ansonsten finden sich auf dem neuen Meisterwerk wieder vollständig versammelt all jene Elemente, für die wir die Band liebgewonnen haben: slowe, weiträumige Arrangements, sternennebelhafte Synthies, getragen hallende Shoegazer-Gitarren, seufzervolle Streicher. Alles äußerst geschmackvoll ausgewählt und angeordnet. Von höchster Subtilität. Mit einem meisterhaften Gespür für Dimensionalität und Melodiösität. Soundscapes, durchdrungen von einer unterkühlten, zwischenweltlichen Atmosphäre, von sehnsuchtsvoller Melancholie, von seliger Entrücktheit. Ein schwereloses Equilibrium, ein kurzfristiges Innehalten des Atemstroms, inmitten der beständigen Wandlung.

 

- Heiko; 07/2010 -
@