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Nick Hornby - How To Be Good (2001)

nick hornby - how to be goodVon diesem englischen Schriftsteller hat man aus der einen oder anderen Quelle viel Positives gehört, so daß man nur schwerlich vermeiden konnte, seiner geweckten Neugier nachzukommen und nach seinen Werken Ausschau zu halten. Glücklicherweise führt unsere Aschaffenburger Stadtbibliothek gleich drei seiner vier Romane, die, wie ich zu meinem Verdruß feststellen mußte, jedoch außerordentlich frequentiert sind und man unter den offenbar zahlreichen Interessenten sich selbst dazu gratulieren darf, wenn man mal die Gelegenheit bekommt, ein Exemplar wegschnappen und entleihen zu können; es hat sich mittlerweile also herumgesprochen, daß es mit Hornby durchaus etwas auf sich hat. Denn seine scharfe Beobachtungsgabe und das Talent diese literarisch umzumünzen, sind umgehend zu spüren. Dabei muß Hornby den Leser nicht erst in ferne, phantastische Welten entführen in denen es von exotischen Wesen wimmelt und die Helden irgendwelche besonderen Fähigkeiten haben, um ihn zu verführen und in seinen Bann zu ziehen. Er konstruiert keine außergewöhnlichen Umstände wie Mord, Verschwörung, Krieg, Bedrohung durch übersinnliche oder außerirdische Mächte, idealisierte Breitwandromantik usw., um künstlich Spannung, Dynamik, Gefühl und Dramatik zu erzeugen. Nein, er schafft dies alles mit einem schlichten, aber durchdringenden Blick auf den ganz stinknormalen menschlichen Alltag. Das Leben schreibt eben seine ganz eigenen Geschichten und Dramen, welche erholsamerweise so ganz ohne Schwertkämpfe, Schießereien oder ähnliches auskommen, sondern allein durch ihre schonungslose Realitätsnähe und Ehrlichkeit, veredelt durch Hornbys sarkastischen, humorvollen, spritzigen, psychologisch den Finger immer wieder in mifühlender Art auf neuralgische Punkte legenden Schreibstil, durch die fühlbar ihnen innewohnende Menschlichkeit, zu beeindrucken wissen.
Allen seinen Romanen scheint jeweils ein grundlegendes Thema den äußeren Rahmen zu verleihen. Bei "High Fidelity" (verfilmt mit John Cusack) ist es die moderne Popkultur, bei "About A Boy" (verfilmt mit Hugh Grant) sind es die vereinzelten Nöte und Freuden der ungebundenen Singles, bei "Fever Pitch" (verfilmt? falls nicht, dann sicher bald) ist es die für manchen unerklärliche, banale wie gewaltige Faszination des Fußballs, und schließlich bei "How To Be Good" das der familiären Bindungen im englischen Mittelstand. Vor allem letzteres hört sich erstmal abschreckend belanglos an - aber wie immer bleibt weniger die Vorlage entscheidend, sondern was man in der Lage ist, daraus hervorzukitzeln. In "How To Be Good" versucht jeder der Charaktere auf seine ganz eigene Weise mit den Widrigkeiten des gesellschaftlichen Daseins in Beruf und Familie, wie des Lebens allgemein und an sich zurechtzukommen, und das Ganze einigermaßen zufrieden stellend, möglichst auch noch sinnvoll zu gestalten. Da ist vor allem erstmal Kate Carr, die Ich-Erzählerin: Ehefrau seit fast 20 Jahren, Mutter von zwei halbwüchsigen Kindern namens Tom und Molly, und so ganz nebenbei noch allgemein-medizinische Ärztin. Sie illustriert uns ihr Umfeld und die Personen darin auf ihre ganz eigene, permanent mit piekigen sarkastischen Stacheln bewehrten subjektiven Sichtweise. Etwa ihren Beruf, aus welchem sie wesentlich weniger ethische Legitimität und Sinnhaftigkeit für sich selbst bezieht als der ursprünglich zu dieser Wahl motivierende Wunsch suggerierte; dann der Scherbenhaufen ihrer Ehe, das sich Auseinander- und nur noch Nebenherleben im Laufe der Jahre, begünstigt durch ihren inzwischen frustrierten, zynischen Mann David, mit dem der Kontakt sich größtenteils nur noch auf distanzierte Duldung oder offene Beleidigung beschränkt und der eine regelmäßige giftige Kolumne in einer Lokalzeitung verfaßt mit dem bezeichnenden Titel "Der zornigste Mann von Holloway". Ein spontaner Scheidungsantrag und eine nicht geringer spontane Affäre von Kate mit einem jüngeren Mann, die sich danach sehnt, wieder geliebt und begehrt zu werden, verfehlen ihr Ziel die verfahrene Situation aufzubrechen und die verkrusteten, zum Stillstand gekommenen Geschehnisse wieder in Fluß zu bringen. Dies geschieht witzigerweise erst, als David zufällig mit dem jugendlichen Wunderheiler DJ Goodnews zusammen trifft und durch dessen Einfluß sich auf erstaunliche Weise völlig wandelt von einem bisher fiesen, deprimierten Typen in einen nächstenliebenden, moralistischen, tugendhaften, philantropischen Gutmenschen, von welchem selbst Ghandi, Albert Schweizer und Mutter Theresa noch hätten lernen können. Etwas in dieser Richtung hatte sich Kate zwar seit Jahren gewünscht, ironischerweise verschärft die unfaßbare Wandlung ihres in seinen neuartigen altruistischen Neigungen nun unberechenbaren Angetrauten die Verhältnisse zusehends. Als dann schließlich zu allem Überfluß noch Goodnews in die Wohnung der Familie Carr einzieht, um zusammen mit David zurückgezogen immer neue weltverbesserische Aktionen auszuhecken und damit die auf so etwas völlig unvorbereitete Familie und Nachbarschaft zu terrorisieren, wird durch die zwar erhoffte, so allerdings nun wirklich nicht erwartete revolutionäre Veränderung plötzlich Kates eigener moralischer Maßstab hinterfragt, ihr eigenes Selbst- und Weltbild, dessen, wie die Dinge und Verhältnisse halt einmal schicksalhaft und unverrückbar sind oder zumindest zu sein scheinen, auf eine harte Probe gestellt und droht ihre eigene kleine Welt entgültig aus den Fugen geraten zu lassen...
Erstaunlich, mit welcher Süffisanz und Leichtigkeit Nick Hornby solch schwere individuelle, familiäre und gesellschaftliche Probleme wie Lieblosigkeit, Kommunikationsunfähigkeit, Verständnislosigkeit, stumpfe Gewohnheit, Verzweiflung und innere Leere, auffressen allen Freiraums und aller Möglichkeiten zur persönlichen Selbstverwirklichung durch Beruf und Familie, oder aber allgemeine, wuchernde Sinnlosigkeitsgefühle gedanklich aufgreift und verarbeitet. Das, was seine Protagonisten durchmachen, das manchesmal nervtötende, hemmende, abstumpfende des Daseins, dürfte einem jedem von uns mehr oder weniger bereits bekannt vorkommen und wird somit zu einer sehr privaten Reise durch die angeschlagene Psyche des Homo Zivilisationicus. Und - ob ihr's jetzt glaubt oder nicht - zu einer verdammt unterhaltsamen und witzigen! Alleine Kates ständige messerscharfe Kommentare zum Geschehen aus dem Off und die vielen originellen wie treffsicheren Formulierungen sind einfach nur köstlich! Außerdem ist mir Kates schlußendlicher Lösungsansatz so unendlich sympathisch...
Wenn ich auch ein halbes Sternchen für den seltsamen zweiseitigen Epilog, der einen dann doch in etwas melancholischer Stimmung zurückläßt, abziehen muß.
Ah....., ich glaube, ich muß mich da nachträglich ein wenig revidieren. Wenn es im Epilog drei Tage hintereinander regnet, die Regenrinne total verstopft, die Familie Carr mit vereinten Kräften selbige halsbrecherisch, genau wie zuvor ihre kleine Gemeinschaft, erneut zum Laufen zu bringen versucht, und im letzten Satz Kates Blick in den grauen Abendhimmel fällt und sie meint trotz ihres neu erwachten, noch verhaltenen Lebensmutes zu sehen, daß dort draußen alles leer ist, so mutet dies erst einmal vordergründig pessimistisch an. Hornby wollte mit diesem finalen Stimmungsbild jedoch selbstverständlich nicht Kates zuvor realisierte Erkenntnisse entwerten, sondern im Gegenteil verdeutlichen und vertiefen. Denn egal wie grau, harsch und unerquicklich sie auch immer sein mögen, die unbeeinflußbaren Umstände im äußeren, sollte man gerade deshalb sich jederzeit die Möglichkeit offenhalten und zugestehen, Zuflucht in seinem selbsterschaffenen inneren Refugium zu nehmen.
Aber nein, jetzt habe ich doch wieder mehr preisgegeben, als ich eigentlich sollte.
Ein Wort noch zum ebenso passenden, schichten wie aussagekräftigen Coverfoto. Hier wird sehr anschaulich die trotz unserer weltweiten elektronischen Vernetzung weiterhin weitverbreitete, sich bei den meisten Menschen unperiodisch immer mal einzustellen pflegende Kommunikationsunfähigkeit dargestellt. Man sieht einen an seiner geringelten Schnur herabhängenden Telefonhörer, symbolträchtig für einen unterbrochenen Kontakt stehend, für ein abrupt abgebrochenes Gespräch. Wer weiß, vielleicht plappert es aus der Hörmuschel munter weiter, vielleicht hat der Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung überhaupt nicht mitbekommen, daß ihm niemand mehr zuhört, daß sich niemand für seine Belange und Erfahrungen interessiert, daß in der von ihm erst später wahrgenommenen ernüchternden Realität der Versuch eines Austauschs verweigert und er längst wieder in die Isolation seines begrenzten Ichs zurück geworfen wurde? Hat nicht ein jeder von uns schon erfahren müssen, wie immens schwierig es sein kann einen "Draht" zum anderen zu finden, wenn man den waghalsigen, mitunter ungewollten und zu anspruchsvollen Versuch unternimmt dem Verbindungsniveau einer Freundschaft, einer Beziehung zu einer neuen, erweiterten Ebene zu verhelfen? Oder wenn es darum geht, wirkliche Gefühle zu vermitteln? Und wie jene Dinge, die einem selbst ungeheuer wichtig und bedeutungsvoll sind, während dessen am ansonsten geschätzten Gegenüber echolos abprallen, welches ob diesem verwegenen Brückenschlag vielleicht bestenfalls angestrengte Höflichkeit und ein müdes Schulterzucken für einen selbst übrig hat?
Solche Themenkreise in einem Roman zu verarbeiten, ohne zu verkrampfen und damit runter zu ziehen, ohne zu deprimieren, sondern zu unterhalten und unförmigste, belastende Brocken in locker-flockig aufsteigende, pflanzengleiche emotionale Samenwölkchen aufzulösen, das ist eine erlesene Kunst.
Anyway! Nick Hornby hat solches mit einer beneidenswert unbescheidenen Lässigkeit meisterhaft drauf. Es ist ein absolut nicht alltägliches Stück Prosa aus dem Alltag, welches dieser englische Kult-Autor uns hiermit dankenswerterweise vorlegte.
This guy rules!
Wann immer es mir zukünftig möglich sein wird, allen Widrigkeiten zum Trotz etwas abzuschnappen, werde ich von ihm noch mehr lesen.

Viel mehr.

 V    i    e     l      mehr.
A        l        l        e        s      !

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- Heiko - 08/03