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Matthias Penzel – TraumHaft (2004)

"Rock´n´Roll ist mehr als nur eine Musikrichtung – er ist ein Lebensgefühl, dem treu zu bleiben nicht immer einfach ist. Auf der Suche nach sich selbst und einer Kunst, die nicht vom big business korrumpiert ist, verschlägt es den Bassisten Niet und seine Band von Deutschland über London und New York schließlich nach Los Angeles, an die äußerste Grenze des Goldenen Westens und zu den Traumfabriken Hollywoods."
Soweit der Klappentext zu Matthias Penzels erstem Roman, der bereits erahnen läßt, daß es sich bei vorliegendem Buch nicht um eine unreflektierte Hommage an den Rock´n´Roll way of life handelt. Vielmehr entwirft der Autor, der einigen vielleicht durch seine Tätigkeit für eine damals noch zurecht unter der Bezeichnung Metal Hammer firmierende Musikzeitschrift ein Begriff sein dürfte, ein Szenario, das zwar auch – und nicht zu knapp – den R´n´R-immanenten Hedonismus als eine Art jung erhaltende Triebfeder für Selbstverwirklichung und Freiheit in den Mittelpunkt stellt, das den Leser aber zugleich zutiefst nachdenklich stimmt bzw. stimmen sollte.
Aufgrund der Vielzahl von Handlungs- und Gedankenebenen, die allerdings für die Entwicklung der komplexen Story alles andere als unbedeutend sind und ihr einen wahrhaft filmischen Touch verleihen, wird dem Leser der Einstieg zwar nicht gerade leicht gemacht, doch hat man erst einmal diese Klippen umschifft, läßt einen der Rhythmus der rasant in Form einer Rückblende erzählten Geschichte aus der Sicht des eingangs erwähnten Bassisten nicht mehr los.
Ausgehend von interessant angelegten fiktiven Charakteren und garniert mit packenden Hintergrundinformationen über allseits bekannte – reale - Musiker berichtet Penzel in TraumHaft mit viel Liebe zum Detail und teilweise philosophischem Tiefgang, was der aufstrebenden deutschen Band ShamPain auf ihrem Weg in den Metal-Olymp und durch die Mühlen des Showgeschäfts so alles widerfährt. Er offenbart profunde Szenekenntnisse, gewährt tiefe Einblicke in die Psyche R´n´R-Verrückter und seziert geradezu analytisch die jeweiligen Motivationen der Protagonisten im Kampf um kreativen Ausdruck oder um ein möglichst großes Stück vom Erfolgskuchen.
Der hierdurch entstehende Eindruck von Authentizität und die damit einhergehenden - beinahe deduktiv herausgearbeiteten – Gesetzmäßigkeiten und Schlußfolgerungen sowie zahlreiche Aphorismen der Kategorie "Wow!!!" lassen den Leser geradezu mit der Rolle des idealistischen Hauptdarstellers verschmelzen und ihn mit diesem mitleiden beim allmählichen Verlust seiner Illusionen angesichts der zynischen, menschenverachtenden Maschinerie des Musikbusiness und eines immer schwieriger aufrecht zu erhaltenden Gleichgewichts innerhalb der Band.
Penzel versteht es außerordentlich gut, den so "eingenommenen" Leser in ein Wechselbad der Gefühle zu stürzen; ähnlich wie Stephen King zu seiner besten Zeit zeichnet er das Bild eines augenscheinlich vorsichtigen und vernünftigen Menschen, der im Sog einer immer komplexer und bedrohlicher werdenden Situation nach und nach an seine Grenzen gelangt, bis sich schließlich die Ereignisse überschlagen und nichts mehr so ist, wie es zu sein scheint...
Allerdings ist der Schrecken hier greifbarer, die Paranoia bleierner, weil realistisch, unentrinnbar und letzten Endes auch vorhersehbar, und während man noch versucht, zu begreifen, was eigentlich genau passiert ist, während man noch mit verschiedenen Entwicklungen hadert, konfrontiert einen der Autor – gewissermaßen nach dem "Abspann" – mit einem allerletzten Kapitelchen, das wieder ein ganz anderes Schlaglicht auf die bereits zu Ende erzählte Geschichte wirft. Gut gemacht!
TraumHaft ist ein über weite Strecken mit Stilmitteln eines Roadmovies inszenierter Roman mit dezenten experimentellen Anleihen, räumt kritisch - bisweilen gar schonungslos – auf mit zeit-, system- oder ideologisch bedingten Monstrositäten und behält sich dennoch ein Augenzwinkern im Umgang mit den gängigen Rock-Klischees vor. Eine gelungene Gratwanderung zwischen Spaß und Anspruch, zwischen Desillusioniertheit und Aufbegehren, und somit Pflichtlektüre für jeden Rockfan, der sich noch nicht ganz von den ursprünglichen Idealen dieser Ausdrucksform abgenabelt hat.

Erschienen ist TraumHaft (ISBN 3-937738-04-5) bei den Schwartzkopff Buchwerken Berlin (www.schwartzkopff-buchwerke.de), einem jungen, erst 2004 gegründeten Verlag, "dessen Anspruch es ist, aufzurütteln und sich einzumischen in soziale, politische und literarische Diskurse." (Zitat aus Editorial des Verlagsfrühjahrsprogramms 2005)
Zumindest mit dieser Veröffentlichung hat man schon einmal einen Volltreffer gelandet.

- Klaus - 04/05