Zur Rubrik "Musikmacher"
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Nachdem im September 2006 Thorsten, ein verschollen geglaubter Mitarbeiter des Nonkonform-Fanzines, in unserem Gästebuch vorschlug, doch das im Jahr 1994 von ihm geführte Interview mit John Perez von Solitued Aeturnus wieder zu veröffentlichen, hab' ich das Nonkonform #3 aus dem Bankschließfach geholt und den Text nach vielen Jahren wieder mal gelesen. Hier ist es also, "das geilste Interview überhaupt" (Thorsten 2006).
- Martin - 06/07

Der Minister für Heavy Metal empfiehlt: lest dieses bewußtseinserweiternde Interview! Mittlerweile sind zwar dreizehn Jahre ins Land gezogen, aber es ist aufgrund der musikalischen Aktivitäten aller Beteiligten noch immer aktuell:
Solitude Aeturnus haben 2006 das Album "Alone" veröffentlicht, und Rob Lowe (voc) veredelt mittlerweile zusätzlich sehr eindrucksvoll die Musik von Candlemass - da fällt die Abwesenheit von Messiah Marcolin sozusagen nicht so sehr ins Gewicht...
- Thorsten - 06/07

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Erwartete ich nun einen Finstermann par excellence zum Gesprächspartner, so sah ich mich denn mal stark getäuscht. John Perez, mit dem das Interview in der Oldenburger Disco "Amadeus" geführt wurde, war, ganz im Gegentum, ein arg witziger und lockerer Zeitgenosse. Darauf deutet in seiner Musik recht wenig hin, aber mit diversen anderen Ansichten scheinen Frank und ich durchaus ins Schwarze getroffen zu haben. Das lest aber am besten mal selbst (in jedem siebten Ei...). Auf geht’s!

In Bezug auf Eure Band taucht immer wieder der Begriff Einsamkeit auf. Ist Einsamkeit ein wichtiges Gefühl für Euch und Eure Band?

Ähm. Ja, das war's besonders am Anfang. Es war nur ein Name, der den Sound, den Stil und das ganze Konzept beschrieb. Es ist ein desolater, depressiver "state of mind", und er bezieht sich darauf, wie wir Dinge empfinden, wie wir glauben, daß unsere Musik klingt. Es paßt irgendwie, echt wahr. Es ist ein sehr treffender Name, er hat zwar keine besondere Bedeutung, aber Solitude Aeturnus, was soviel wie ewige Einsamkeit heißt, bezieht sich auf unseren Sound.

Ihr werdet als Doom-Band gehandelt, benutzt aber sehr viele positive und schöne Melodien. Inwieweit fühlt Ihr Euch mit Bands wie Trouble und St. Vitus verwandt?

Ich bewundere diese Bands für das, was sie musikalisch machen. Ich persönlich mag sie sehr gerne. Ich glaube, daß sie uns musikalisch ein wenig beeinflußt haben, Trouble ein wenig stärker als Saint Vitus, sie sind etwas langsamer und heavier. Das ist die einzige Art, in der wir mit ihnen verwandt sind. Aber wir klingen wie keine von ihnen.

Was müßte geschehen, damit Eure Musik nicht mehr so depressiv - melancholisch ist?

"We had to be dead!!!" (ein nicht ganz so ernster, lachender John - die Red.). Es ist wie mit einem Künstler, der malt wie er malt. Auf diese Weise behandeln wir unsere Musik. Ein Künstler ist nicht immer depressiv oder verrückt oder so. Das, was er malt, ist nur ein Teil dessen, was er denkt und fühlt, es ist ein Teil seiner selbst. Das ist, was wir mit unserer Musik machen. Es ist nur Ausdruck eines Teils unserer Persönlichkeit, da kannst Du ruhig Meike fragen (die Tourbegleiterin). Ich bin nicht immer nur depressiv oder abgefuckt. Aber wenn es sich um unsere Musik dreht, dann bin ich zu 100% drin. Ich habe manchmal sehr aggressive Gefühle, manchmal sehr heavy, manchmal sorgenvoll und depressiv. Aber das ist ein Teil meiner Persönlichkeit, die ich in meiner Musik zum Ausdruck bringe. Soweit es sich um Solitude Aeturnus dreht, würde ich daran auch nichts ändern. Das ist das Konzept hinter der Band. Wenn ich etwas anderes machen wollte, z.B. fröhliche Musik, dann würde ich in einer anderen Band bzw. einem anderen Projekt spielen.

Besteht bei Euch eine Verbindung zwischen Drogen und Musik?

Drogen und Musik??? (- Gelächter -) "Well, let's see", Space tea... (zensierte Hanfwaren). Das Problem ist folgendes: Um unsere Musik richtig zu hören, mußt Du Acid genommen haben. Du mußt Acid genommen haben, um unsere Musik zu hören. Sonst läuft da nix!!! (- Gegröhle -) Mal ehrlich, unsere Musik ist überhaupt nicht drogenbezogen. Ähm, ähm, ähm, sie ist es überhaupt nicht, nein, nein! (Haben wir den guten John etwa in Verlegenheit gebracht? - die Red.) Ich habe nichts gegen Leute die Drogen nehmen, es ist ihre eigene Entscheidung. Ich nehme keine Drogen, wenn Du das denkst (?!? - die Red.). Wenigstens nicht immer (soso). Ich nehme fast gar keine Drogen (aha). Aber, äh, es gibt keine Verbindung zwischen unserer Musik und Drogen, überhaupt nicht. Ich habe keine Probleme damit... (Pause - die Red.). Das hat mich bisher noch niemand gefragt, das ist eine sehr seltsame Frage. - So, eigentlich wollte ich jetzt zur nächsten Frage kommen, aber John war nicht mehr zu bremsen - zum Glück!!! - Laß uns noch mal zur vorigen Frage zurückkommen - Drogen. Die Sache ist folgende: Ich glaube, daß unsere Musik bewußtseinserweiternd ist. Schau, viele Leute glauben, daß Metal nur eine Sache bedeutet: wie hart, aggressiv und tough du bist. Aber viele Leute vernachlässigen dabei den Bewußtseinsaspekt des Metal. Metal kann genauso wie Klassik oder alles andere Bewußtseinsmusik sein. Ich glaube wirklich, daß wir Metal fürs Bewußtsein machen. Ich scheiße auf Tattoos, Piercing , Hartsein und den ganzen Mist, das ist alles für diese anderen Bands. Für mich ist unsere Musik fürs Bewußtsein. Sie ist bewußtseinserweiternd; Drogen können auch bewußtseinserweiternd sein; auf diese Art ist sie es. - Würdest Du Eure Musik auch als Droge bezeichnen? - Sure, alles ist eine Droge. Alles was man zur Unterhaltung braucht, um dem Alltag zu entfliehen, ist eine Droge. Alles was dafür sorgt, daß Du Dich besser fühlst, ist eine Droge. Und Musik sorgt dafür, daß man sich besser fühlt, darum hört man sie. Alles, was man zum Vergnügen oder Wohlbefinden macht, kann als Droge bezeichnet werden, Fernsehen, Kino...

Die Texte von Into the depths of sorrow waren teilweise religiösen Ursprungs. Wie kommt das?

Als ich die Band 1987 gründete, hatten wir einen anderen Sänger. Unser erster Sänger war ein richtiger Christ. Damit habe ich aber keine Probleme, ich stimme mit vielem aus der christlichen Religion überein. Seine Texte waren religiös orientiert, mit einem christlichen Ursprung. Er schrieb die Texte zu "Where angels dare to tread" von der ersten Scheibe und "It came upon one night" von der zweiten und auch zu "Transcending sentinels" von der ersten. Aus diesem Grund haben einige Texte einen religiösen Ursprung, weil sie von einem Christen geschrieben wurden. Aber wir sind keine religiöse Band und predigen auch keine religiöse Botschaft.

Ihr wart mit Mercyful Fate auf Tour. Das paßt zwar musikalisch hervorragend, wie sieht es aber mit King Diamonds satanistischen Ansichten aus?

Ich habe auch keine Probleme mit King Diamonds Satanismus. Ich kenne K.D. persönlich, und er ist eine sehr nette Person. Ich behandle Leute so, wie sie mich behandeln. K.D. behält seine religiösen Ansichten für sich selbst, solange man ihn nicht danach fragt. Dann, und auch nur dann, erzählt er Dir etwas darüber, solange Du es ernst meinst. Ich weiß, daß ihm sein Glaube persönlich ist, wie er sein Leben lebt. Es betrifft keine anderen Personen. Er lebt sein Leben, ich habe keine Probleme mit ihm. Die meisten seiner Texte sind Fantasy-orientiert, sie beschäftigen sich mit der dunklen Seite der Dinge, sie predigen keine Botschaft des Satanismus. Seine Texte beschäftigen sich nicht damit, eine Botschaft der Gewalt zu verbreiten und aufzufordern, andere Leute zu verletzen und aufzumischen. Wir haben keine Probleme mit ihm und sind auch sehr gut mit ihm befreundet. Musikalisch sind Mercyful Fate eine klasse Band, wir sind froh, mit ihnen durch die Staaten getourt zu haben.

Was hat Dich in letzter Zeit menschlich so berührt, daß es sich musikalisch ausgewirkt hat?

Das Klischee: vor drei Jahren ging es mit mir und meiner Freundin in die Brüche, und es kam eine Reihe von Songs, die sich damit beschäftigen, heraus. Das ist richtig klischeehaft: schlechte Beziehungen. Nein, keine schlechten Beziehungen, sondern Trennungen. Ich schreibe kaum Texte, mein Platz in der Band ist, Songs zu schreiben. Die Art, wie ich denke und kommuniziere, konstituiert sich in der Musik. Rob schreibt die Texte, einige Sachen, die er schreibt, sind persönlich, andere Sachen sind solche, die er unterwegs gesehen hat oder deren er Zeuge wurde, seine Beobachtung von Leuten und wie sie sich generell verhalten, und vom Leben allgemein ist es, worüber er seine Texte schreibt (wie gut, daß seine Texte nicht so lang sind wie dieser Satz - die Red.). Musikalisch versuche ich, mit einer Gefühlsregung anzukommen. Ich bin eine emotionelle Person, wenn es sich ums Schreiben oder Hören von Musik dreht. Ich schreibe über Sachen, die mich persönlich berühren oder die ich fühle. "Shattered my spirit" ist ein Song, den ich schrieb, als es mit meiner Freundin in die Brüche ging, es ist ein trauriger, selbstbemitleidender Song; "Falling" ist ein cooler rockig-grooviger Song. So geht das bei mir. Ich bin davon betroffen, wie ich mich gerade fühle, wenn ich Songs schreibe.

Ihr seid gewiß täglich von Musik umgeben. Gibt es noch genügend Raum für Dich, Musik zu fühlen, wenn Du die Augen schließt oder bist Du zu übersättigt? Das bezieht sich jetzt auch auf fremde Musik.

Wir hören die ganze Zeit im Bus Musik, wir sind wahre Fanatiker, wir sind verrückt und krank im Kopf. Wir können nicht aufhören, in Plattenläden zu stürmen und CDs zu kaufen. Das geht nonstop. Ich könnte den ganzen Tag Musik hören. Meine Lieblingsbeschäftigung ist wirklich, Musik zu hören und darin einzutauchen. Ich kann verstehen, daß viele Musiker das nicht mehr tun. Bei mir gibt es auch Zeiten, wo ich ganz einfach keinen Bock mehr habe, irgend etwas zu tun, wo mir alles zum Halse heraushängt, manchmal hängt mir sogar der Metal zum Halse heraus. Ich mag deshalb noch immer viele Metal-Bands, weil ich auch für andere Sachen offen bin. Ich höre mir viele verschiedene Musikstile an, statt daß ich, wie in den 80ern, 24 Stunden am Tag nur Heavy, Thrash und Death Metal höre. Ich höre mir Metal an, dann vielleicht die Beatles, Outfield oder Journey, egal, alles, was ich mag oder was gut klingt. Das hält meine Ohren für andere Sachen frisch. Deswegen mag ich Metal noch immer, ich mag die neue Grave Digger, die neue Running Wild und Metal der alten Schule. Ich mag auch vieles von den neuen Sachen. Manchmal sehe ich schon, wie einige Musiker richtig krank werden, denn wenn man davon die ganze Zeit umgeben ist, wenn man nur Metal hört, hat man die Schnauze voll davon. Ich kenne viele Metal-Musiker, die Metal nicht abkönnen. Das klingt für mich zwar verrückt, aber ich sehe, wie so etwas geschehen kann.

Wie gefallen Euch Land und Leute In Deutschland / Europa?

Ich mag's hier, das ist ein cooles Land, es ist für uns alle ganz anders. Ich war bisher noch nicht in Deutschland, es ist hier sehr interessant und bislang hatten wir eine Menge Spaß. Wir haben nette Leute getroffen, da waren ein paar Arschlöcher, aber das kann man überall haben, denke ich. Bislang war's cool, und ich muß echt sagen, daß die Fans, besonders die deutschen, die echt hinter der Musik stehen, auch wenn's nur ein kleines Publikum von hundert Leuten ist, echt verrückt sind. Wir haben einige Tourneen in Amerika gemacht und dort ist es ein wenig anders als hier, hier sind die Fans fanatischer. Das macht richtig Spaß. Ich mag es total, mich mit den Leuten zu unterhalten. Das Spielen macht auch mehr Spaß, wenn die Leute richtig abdrehen, es war bisher echt cool und bis jetzt habe ich es echt genossen. Wir können aber kein Brot und keinen Käse mehr sehen. Die einzige Sache, die man hier als Snack kriegt, ist ein Käsebrot. Das ist so richtig Quark!!! Der Käse ist zwar gut, aber bitte nicht ausschließlich! Brot, Käse und warme Cola, that sucks!!! Ihr trinkt warme Cola und warmes Bier (das stimmt nicht, kein warmes Bier!!!!!! - die Red.). Bei uns zu Hause, da würden wir ein Glas Cola ohne eine Tonne Eis nicht anfassen. Das liegt vielleicht daran, daß es bei uns in Texas so heiß ist.

Was verlangt Ihr von Eurem Publikum?

Ich erwarte absolute Hingabe und blinde Verehrung. Ihr sollt all unsere CDs und T-Shirts kaufen und unsere Band verehren. Ihr sollt nur meine Band verehren und keine andere! Death to everyone else!!! Mal ehrlich, ich erwarte gar nichts, außer vielleicht, daß jemand zu unseren Konzerten kommt und hier Spaß hat. Wenn uns jemand was nettes zu sagen hat, dann nur zu. Wenn es etwas schlechtes ist, dann Kopf zu. Es geht nur darum, daß hier jeder seinen Spaß hat.

Viele gute (US-) Bands sind nicht gerade vom Erfolg verwöhnt. Was müßte passieren, daß sich Solitude Aeturnus auflösen?

Generell gesagt, wenn es uns keinen Spaß mehr macht. Das ist 'ne Menge Arbeit und häufig gar kein Spaß, aber wir haben noch immer genug Spaß an der Sache. Der Tag, an dem der Spaß aufhört, wird der Tag unserer Auflösung sein, denn wir machen es nicht fürs Geld. Wir haben noch nie Geld mit unserer Musik gemacht, darüber will ich mich nicht beklagen, aber es ist manchmal ganz schön deprimierend, schon so lange wie wir dabei zu sein, und trotzdem kein Geld zu machen. Das einzige, was man hat, ist der Spaß daran, und wenn das vorbei ist... Wenn statt Spaß Geld im Spiel wäre, würde ich es vielleicht noch ein paar Jahre machen, nur um Geld zu verdienen. Mal ehrlich, wenn's keinen Spaß mehr macht, hören wir auf.

Ich habe gehört, daß Ihr ein eigenes Plattenlabel gegründet habt. Sorcerer sollen dort ihr Debüt herausbringen. Welches Konzept steht hinter dem Label? Warum veröffentlicht Ihr dort nicht Eure eigenen Scheiben?

Die Sorcerer-CD ist jetzt raus, man kann sie für 16 US$ bei mir bestellen. Die CD ist klasse, 70 Minuten Epic-Doom-Metal wie die frühen Candlemass, mit großartigem Gesang, sie gehört zu meinen persönlichen Faves. Für die Zukunft stehen weitere Veröffentlichungen an, vielleicht wird es ja mal ein großes Label werden. Das Konzept für Brain-Ticket-Records ist: Musik fürs Bewußtsein. Zwei Sachen: ich will davon leben können, denn alles was ich will ist, daß ich bis ans Ende meines Lebens mit Musik beschäftigt bin, also will ich genug Geld verdienen, um das zu erreichen; außerdem möchte ich großartige Bands haben, ich liebe es, Bands eine Chance zu geben. Das Konzept ist einfach, gute Musik zu veröffentlichen. Ich habe mein ganzes Leben kein verdammtes bißchen Geld mit meiner Musik gemacht, es wird langsam Zeit dafür! So kann ich dafür sorgen, daß ich mein ganzes Leben 100% der Musik widmen kann.

Noch irgendeine Frage, die Du Dir selbst stellen möchtest?

Warum bin ich hier? Was ist der Zweck? Warum trinke ich warme Coke? Ne, da fällt mir nix ein. Aber: Falls Ihr Euch fragen solltet, warum meine Haare so naß aussehen, ich habe geduscht, sie sind nicht fettig, ich komme gerade unter der Dusche weg. Ich habe drei Tage nicht geduscht, aber ich bin jetzt sauber. Und ich werde dieses Acid-Shirt nicht auf der Bühne tragen (deutet auf sein T-Shirt). Nehmt alle Acid, dreht durch, schüttet es ins Wasserwerk, bringt es zum Kraftwerk, seid verrückt, nehmt es. Go, go, go!!!!!!!!!! Nein, das ist nur Spaß, jetzt denken alle, ich wäre ein Drogenabhängiger.

Interview 1994: Thorsten
Unentbehrliche Assistenz: Frank
Pix: Michael Bähre (wir konnten keinen Kontakt mit dir aufnehmen und haben - als "Nachfolger" des Nonkonform - dein Einverständnis für die Online-Veröffentlichung einfach mal angenommen)


Text und Bilder digitalisiert 01/2007: Stefan