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"Je n'ai jamais aimé les gens préfabriqués"

Und – um ehrlich zu sein: So mühselig war es denn auch gar nicht diesen Weg zurückzuverfolgen und im Sinne der Band wieder in die Jetztzeit zurückzuschreiten. Schließlich hat sich an der Problematik, die Trust ab Ende der Siebziger thematisierten, herzlich wenig geändert! Freilich, damals gab es den inzwischen reichlich überstrapazierten Begriff der political correctness, unter dem heutzutage ja nahezu alles schöngeredet wird, noch nicht, man konnte also auch lauthals und – für Trust-Verhältnisse eher etwas unreflektiert – wild um sich schlagend gegen alles und jeden schäumen; angefangen beim blasierten In-Disco-Publikum über ausbeuterische Bosse und Polizeistaatsmethoden bis hin zu eher allgemeinen Dauerbrennerthemen wie Ignoranz und Konsumhörigkeit der Gesellschaft, nachzuhören auf dem 1979 veröffentlichten Debütalbum. Vielleicht nicht gerade musikalisch (zumindest nicht zu 100 Prozent, da zu ausgefeilt), textlich dafür aber umso heftiger waren Trust gerade zu dieser Zeit mehr Punk als jede andere Band! Und da Sänger und Sprachrohr Bernie Bonvoisin zu den veritablen Überzeugungstätern zu zählen ist, ließ er sich auch auf den darauffolgenden Veröffentlichungen nicht im geringsten davon abhalten, unverblümt seine Meinung zu sagen bzw. mit seinem aggressiven Gesangssstil, der auch oder gerade bei den englischen Songversionen nichts von seiner Eindringlichkeit einbüßte, in die Gehörgänge der Fans zu schreien.

Bonvoisins Texte waren denn auch weniger Lyrics im eigentlichen Sinne als social realistics, wie es ein etablierter Schreiberkollege vor langer Zeit einmal so treffend umschrieb. Unbequem, anprangernd, entlarvend, mit Vorliebe gegen Staat und Bourgeoisie gerichtet, und von daher verwundert es auch nicht, daß damals im Zusammenhang mit der Band gar die Termini staats- oder verfassungsfeindlich gebraucht wurden. Trust landeten mehr als nur einmal auf dem Index, und ein vorläufiger "Höhepunkt" in der frühen Bandkarriere war wohl deren Auftrittsverbot im Vorfeld der Wahlen in Paris anno 1980. Fast scheint es, als trauten die Mächtigen dieser Combo zu, mit ihren Messages auf Gehör zu stoßen und vielleicht sogar etwas bewirken zu können...

Nichstdestotrotz gelang es der Band nahezu mühelos, von ihrem Zweitwerk Répression über 1.000.000 Exemplare alleine in Frankreich zu verkaufen und es damit zu Doppelplatinstatus zu bringen (das Debüt Trust brachte es "lediglich""zu Goldehren), ein zu dieser Zeit wohl einzigartiges Kunststück. Metal war noch alles andere als angesagt, spätere Megahypes wie Guns´n´Roses noch nicht einmal ansatzweise vorstellbar, und schließlich war Frankreich damals wie heute nicht gerade als Metal-Hochburg verschrien. "Die Kids haben sonst nichts und niemanden", erklärte sich Bonvoisin 1980 diesen spektakulären Erfolg. "Das soziale Klima in Frankreich ist sehr schlecht, und von daher brauchen sie wenigstens eine Rock´n´Roll-Band, der sie folgen können, Musiker, die die gleiche Sprache sprechen, die heiße Eisen anpacken, die jeden einzelnen von ihnen persönlich beschäftigen." (Quelle: Musik Express - Heavy Metal Special, 1980, Seite 66). Jahre später, als Trust bereits ausgebrannt und Geschichte waren, präzisierte er dieses Statement anläßlich des Releases der posthumen Live-CD mit Mitschnitten von der Répression-Tour: "Es wird Zeit für einen Bürgerkrieg! Die Politiker regieren über die Köpfe der Leute hinweg. Überall in Europa ist das Bild das gleiche: Streiks, Armut, Arbeitslosigkeit. Es wird Zeit, daß die Leute aufstehen und sagen, daß sie auch noch da sind. Das Wort "Bürgerkrieg" ist natürlich etwas übertrieben, aber der Mann von der Straße soll wieder sein Selbstbewußtsein bekommen. Die Leute sind doch mehr als nur Marionetten im Spiel der großen Politik. (...) Einen Song wie Fatalité haben wir vor zwölf Jahren geschrieben. Über die Unterprivilegierten in den Vorstädten, die keine Jobs bekommen. Das Thema ist leider aktueller denn je." (Quelle: Rock Hard Nr. 69, Februar 1993, Seite 95). Starker Tobak, aber auch mehr als weitere zwölf Jahre nach Veröffentlichung dieses Interviews immer noch brandaktuell, wie sich gezeigt hat (und wie Martin ja bereits oben angedeutet hat). Und wer sich trotz des Trubels und der Euphorie/Hysterie anläßlich der unlängst zu Ende gegangenen Fußball-WM noch ein wenig für Hintergründe interessiert hat, dürfte festgestellt haben, daß Frankreichs Superstar Zinedine Zidane aus vergleichbaren Verhältnissen stammt und nicht müde wird, immer wieder auf diese Zustände hinzuweisen. Elend in Zeiten der Spaßgesellschaft? Kann so etwas möglich sein? Oder wird vielleicht eine neue "Qualität" der Verelendung nicht gerade erst dadurch begünstigt, daß weite Teile der Bevölkerung immer mehr abstumpfen, Befriedigung nur noch in überdrehter Ablenkung suchen (und auch finden!) und gewissermaßen als fernsteuerbare Konsumviehherde jegliche tiefergehende Kritikfähigkeit verlieren? Das alte "Brot und Spiele"-Prinzip, übertragen auf die Neuzeit? Das mag vielleicht etwas übertrieben klingen; Fakt ist jedoch, daß Trust den Zeitgeist des Postmaterialismus, jener fatalen Verquickung von Kapitalismus und Christentum mit all ihren negativen Folgeerscheinungen wie Sinn-, Werte- und Identitätsverlust sowie damit einhergehende zunehmende Orientierungslosigkeit zum einen, maßlos überzogene Selbstgerechtigkeit, scheinbar grenzenlose Machtgier oder hemmungsloses Besitzstreben zum anderen (um nur einige wenige zu nennen), schon vor fast 30 Jahren erkannt haben und diesen weitaus differenzierter als die zeitgenössische Punkbewegung anzuprangern verstanden, lange bevor auch nur annähernd engagierte Musiker einer ähnlich gelagerten Bewußtseinsrichtung auf der Bildfläche erschienen.

Bereits das Urlogo von Trust, das ab dem 2. Album Repression Verwendung fand und welches lange Zeit - wenn auch später in abgewandelter oder abgeschwächter Form – für den Idealismus und die Power stand, die die Band verkörperte, zeigt deutlich, daß Trust keine Gefangenen zu machen gewillt waren: Als Symbol wurde ein Bulldozer gewählt, dessen hoch erhobene Schaufel von den riesigen, metallisch glänzenden Lettern des Bandnamens verziert wird. Pikanterweise wird das "S" dieses Logos auch noch von zwei Knubbelchen gekrönt, die es dezent aber immer noch deutlich genug an das Kürzel der begehrtesten Währung dieser Welt erinnern lassen...

Ja, Trust vertraten ihre Botschaft konsequent und intelligent, und selbst wenn ich die Band leider nie live sehen konnte, wirkt sie auf mich bodenständig, authentisch und glaubwürdig. Es ist wohl diese einzigartige Mischung aus unverkennbarem, teils auch stilprägendem, Songwriting, der deutlich heraushörbaren Leidenschaft, der unaufgesetzten Attitüde sowie dem unprätentiösen, offenen Auftreten von Sänger Bernie Bonvoisin, die diese Band so sympathisch macht; selten wurde wohl ein ähnlich prägnanter Bandname gewählt!

Jetzt aber genug herumschwadroniert; um nun endlich einmal der Chronologie die Ehre zu geben, sei der Ball hiermit an Martin weitergespielt, der schon ungeduldig darauf harrt, nach all den Vorreden auch mit handfesten biographischen Fakten aufzuwarten.

- Klaus -

Bildnachweis: (1) Bernie Bonvoisin, wahrscheinlich Anfang der der 80er Jahre, keine weiteren Quellenangaben bekannt, www.trust.tm.fr, (2) Trust-Logo vom "Savage"-Album