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ATROX – Contentum (2000)

atrox contentumEs gibt sie also doch noch: neue interessante Metalbands! OK, sooo neu ist diese Band auch nicht, denn bereits 1997 ist ihr Debütalbum "Mesmerized" erschienen. Dieses habe ich mir damals aber nicht gekauft, weil da neben der Sängerin Monika Edvardsen (Schwester der Ex-The 3rd And The Mortal-Sängerin Ann-Mari Edvardsen) noch ein "Sänger" mit von der Partie war und bei diesen "Die Schöne und das Biest"-Konstellationen die männlichen "Biester" mit ihren gesanglichen Un-Fähigkeiten nach meinem Empfinden regelmäßig die Songs versauen und mich persönlich einfach nur nerven.

Auf "Contentum" ist Monika nunmehr für den Gesang alleine verantwortlich, und man kann es nur als weisen Entschluß bezeichnen, daß sich die Band von ihrem männlichen Gegenpart getrennt hat! Monikas Stimme, die ich als eine Mischung aus Kate Bush, Ofra Haza und Nina Hagen bezeichnene würde, ist so variabel, daß es schon einem Sakrileg gleichkäme, neben ihr noch jemand anderen ans Mikro zu lassen. Ihre ausgelassene und übermütige Vokalakrobatik, die teilweise schon einer stimmlichen Achterbahnfahrt gleichkommt, wird zwar mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack sein, aber Sängerinnen mit beliebig austauschbaren, glattpolierten Stimmen gibt es bereits genug. Monika ist für mich ohne Zweifel eine der besten und originellsten Sängerinnen überhaupt! Und von der Intensität her kann man sie sicher auch mit Dawn Crosby (R.I.P.) oder Tori Amos (live) vergleichen.

Daß "Contentum" in vielerlei Hinsicht aus dem Rahmen fällt, läßt schon das sehr surrealistisch wirkende und von Monika selbst gemalte Cover erahnen. Eines hat diese Frau definitv: Phantasie! Da kann es dann nicht überraschen, daß auch die Texte und die Musik in keine gängigen Klischees passen. Die Musik läßt sich zwar noch relativ problemlos der Oberkategorie "Metal" zuordnen, aber von den bisher bekannten Unterarten paßt keine, weshalb man am besten auf die auch von der Band selbst verwendete Bezeichnung "Schizo Metal" zurückgreift.

Die Texte, die bis auf zwei Ausnahmen allesamt von Monika stammen, machen teilweise einen ähnlich surrealistischen Eindruck wie das Cover. So erzählt Monika in "Letters To Earth", wie sie auf einem anderen Planeten in einer anderen Galaxie lebte, wo Zeit nicht existierte und "Sometimes I wrote letters to earth - To ask what year, what season it was - Sometimes I wrote letters to earth - To find out how old I had become - And sometimes I was seventy years old - But other times my granddad wasn´t even born - So my letters to him were returned - And I had to note on the envelope - Which year it was supposed to arrive in...". Und in "Lizard Dance", bei dem Monika stellenweise wie ein kleines Kind klingt bzw. jemand, der gerade Helium inhaliert hat, bekommt man folgenden Dialog zu hören: "poor lizards - swimming naked in icy water - I´ll light a fire under you... - ...if I can only find other matches" - "you fool! - You can´t cook soup on me - I can stand the heat - I´ll sprawl in your mouth - I´ll curl round your tongue - And I can assure you won´t relish me - But...here have my tail - And now give me my swim mask - I want to explore this kettle!"

Da die meisten der Songs auf diesem Album von der Länge her zwischen 5 ½ und 7 ½ Minuten liegen (insgesamt dauert die Platte ca. 65 Minuten), es zugleich aber nur so vor Breaks wimmelt und der Begriff "Refrain" für Monika keine besondere praktische Bedeutung zu haben scheint, ist diese Platte alles andere als leicht konsumierbar, also ideal, um jede Karaoke-Party zu sprengen! Gerade, wenn man die Platte an einem Stück und dann noch konzentriert über Kopfhörer hört, kann es schon mal anstrengend werden, wobei ich allerdings sagen muß, daß mir die Platte im Laufe der Zeit - ich habe sie im Zeitpunkt, da ich diese Rezension schreibe, 42mal gehört – immer besser gefällt. Lediglich die beiden letzten Stücke, das 1 ½minütige "Torture" und das 3minütige "Outro", hauen mich musikalisch nicht gerade vom Hocker und Monika ist hier - jedenfalls mit ihrer Stimme - leider auch nicht mehr zu hören.

Einzelne Songs besonders hervorzuheben fällt schwer, doch eines meiner Lieblingsstücke ist in jedem Fall "Gather In Me No More", bei dem Monika an einigen Stellen so schön kreischt wie Kate Bush in ihren frühen Tagen (und nicht so, daß man wie bei einigen männlichen Kollegen der Marke "zorniges Rumpelstilzchen" zu lästern versucht ist: "Hurra, hurra, der Kobold mit dem roten Haar, hurra, hurra, der Pumuckl ist da!"). Daneben gefallen mir sehr der Song "Serenity", bei dessen "Refrain" auf einen verzweifelt klingenden Ausruf unmittelbar ein Flüstern folgt und Monika im nächsten Moment wie eine Opernsängerin klingt, sowie "Letters To Earth" und "Homage". Es ist gut möglich, daß sich meine Lieblingssongs im Laufe der Zeit wieder ändern, was aber eher für, als gegen die Qualität des Albums spricht.

Von der "Sperrigkeit" bzw. "Uneingängigkeit" der Songs her würde ich ja normalerweise sagen, daß "Contentum" eher eine "Kopfhörerplatte" ist, also eine, die man sich am besten in Ruhe und konzentriert mit geschlossenen Augen anhört, doch überraschenderweise konnte ich die Platte auch schon öfters gut nebenher hören, etwa während ich mit "Baldur´s Gate" zugange war, wo einem die Helden und Heldinnen mit ihren ständig gleichen Fragen wie "Was willst Du?" und Kommentaren wie "Und ich verschwinde jetzt." schon nach kurzer Zeit ziemlich auf den Wecker gehen und man sich den Ton getrost sparen kann!

Wer gute und originelle Sängerinnen schätzt und auch mit Alben klarkommt, deren Songs nicht so schnell ins Ohr gehen, der müßte auch an einem Album wie "Contentum" seine Freude haben. Ich persönlich mag dieses Album und vor allem den Gesang von Monika sehr und würde sie liebend gern einmal live erleben!

- Burkhard - 08/00
- Zuerst veröffentlicht im Polarlicht-Fanzine -