Wer bitteschön ist Boris
Bürgel, werden sich viele wohl jetzt fragen. Der Berliner Filmemacher
dreht seit den 80er Jahren regelmäßig Kurzfilme. Auch als begabter
Kameramann konnte er sich einen Namen machen. Früh bereits entwarf er
sogar die Computereffekte für seine Filme in Eigenregie. Auf einer DVD
der Berliner Filmzeitschrift "Splatting Image" wurden einige von
Bürgels Arbeiten wiederveröffentlicht. Grund genug, per Elektropost
einige Fragen nach Berlin zu schicken, die auch prompt und sehr
ausführlich beantwortet wurden. Doch zuvor gehen wir einige Jahre
zurück, genauer gesagt ins Jahr 1990...
Eine Familie
verbringt den Urlaub in ihrem Ferienhaus. Die bürgerliche Idylle wäre
perfekt, doch dann erzählt ein Freund der Kinder eine mysteriöse
Geschichte. Es ist die Geschichte von drei Jägern, die anno dunnemals
im Ferienhaus ums Leben kamen. Weil sie nicht ordnungsgemäß bestattet,
sondern wegen radioaktiver Verstrahlung in Gorleben endgelagert wurden,
können ihre Seelen nicht zur Ruhe kommen. Sie nehmen Besitz von den
Kuscheltieren, die daraufhin die Familie angreifen...
Tja, ein Schelm, wer angesichts der Inhaltsangabe zuerst an
superbillige Amateurfilme denkt, die man mal eben in den Ferien mit
Papis Videokamera zusammenschraddelt. Doch hier liegt die Sache anders.
Natürlich ist KKT in erster Linie ein Amateurfilm, doch Kamera und
Schnitt, der ganze dramaturgische Aufbau können sich wirklich sehen
lassen. Kleinere produktionsbedingte Mängel übersieht man dabei gerne.
Sehr genial auch die knochentrockenen Kommentare von Boris´ Vater Peter
Bürgel: "Da haben wir´s, Irmtraut, unser Haus ist verflucht!"
KKT macht einfach Laune, weil man
das Potential des Filmemachers nicht übersehen kann, ebensowenig die
Tatsache, dass er sich im Umgang mit Super 8 und Video in den Jahren
zuvor schon eine Menge selbst beigebracht hatte. Kurz: Ein Amateurfilm
im positiven Sinn des Wortes. Die 1994 gedrehte Fortsetzung konnte
wegen der komplizierten Nachbearbeitung erst 1997 veröffentlicht werden
(dazu im Interview mehr). KKT 2 ist richtig aufwendig und gegenüber dem
Vorgänger eine Steigerung um Lichtjahre.
Schauplatz ist wieder das schmucke
Ferienhaus aus Teil 1. Drei junge Typen wollen hier einen Film drehen.
Produziert wird (absichtlich) fürchterliches Kunstfilm-Geschwätz, bei
dem sich dem Zuschauer die Zehennägel hochbiegen. Als sähen es die
Kuscheltiere ähnlich, erwachen sie wieder einmal zum Leben. Diesmal
wird es den Menschen aber nicht so leicht gemacht. Das K 1000, ein
Kuscheltier aus flüssigem Metall (remember "Terminator 2"?), erweist
sich als verdammt zäher Brocken und als die Plüschviecher endlich
eliminiert sind, gehen die Probleme erst richtig los: Der Angriff der
Jägerzombies...
In nur 20 Minuten wird hier ein Feuerwerk der guten Laune und
phänomenaler Spezialeffekte abgebrannt. Kamera und Schnitt sind noch
besser geworden. Abgesehen von ein paar arg platten Dialogen (wohl
beabsichtigt) sind hier so gut wie keine Schwächen mehr zu entdecken,
wenn man die begrenzten Möglichkeiten in Rechnung stellt. Im Gegenteil:
Man ist gespannt, was Boris Bürgel mit einem richtig großen Budget
alles anstellen würde. Sehr schön auch die Filmzitate, die von John Woo
(ich glaubte u.a. eine Szene aus "A Better Tomorrow 2" wiedererkannt zu
haben) bis hin zum grandiosen Finale aus Sergio Leones "Zwei glorreiche
Halunken" reichen. Die Computereffekte rund um das K 1000 aus flüssigem
Metall wurden auf einem Amiga zusammengebastelt und sind erste Sahne.
Wohlgemerkt: Man kann das mit sehr viel Geld sicher auch viel besser
aussehen lassen, doch was zählt, ist der persönliche Enthusiasmus in
der Sache und da ist KKT 2 nicht zu schlagen.
Zusammen mit anderen Filmen, bei
denen Boris Bürgel als Kameramann fungierte, kann man die KKT-Kracher
auf der Splatting Image-DVD bewundern. Ein weiteres Highlight auf dem
Silberling ist der sehr düstere s/w-Kurzfilm PEIN, der sich an eine
Episode aus Jörg Buttgereits grandiosem "Der Todesking" anlehnt. Harter
Stoff, der sicher nicht für den fröhlichen Feierabend geeignet, aber
kompetent gemacht ist. Dürfte sicher manche im direkten Vergleich zu
den KKT-Filmen etwas verschrecken.
Ein professionell anmutende Fingerübung ist
TELEFON. Visuell ganz im Stil des italienischen Thriller-Kinos
gehalten, perfekt geschnitten, mit tollem Drive inszeniert. Die Story
ist sehr simpel: Ein Mann sitzt zuhause, erwartet einen Telefonanruf.
Der Apparat klingelt, am anderen Ende ist eine fiese Stimme, die
ankündigt, unseren Helden ins Jenseits zu befördern. Dass bei dem
derart Überraschten nach weiteren Anrufen Panik ausbricht, kann man
verstehen. Flugs wird die Tür verbarrikadiert und sich bewaffnet. Was
das Opfer nicht weiß: Der Mörder ist bereits in der Wohnung...
In der Ausleuchtung der Tradition von Mario Bava und Dario Argento
verpflichtet, zelebriert Bürgel hier bewusst Thriller- und
Horrorklischees, um sie am Ende genüsslich auf die Schippe zu nehmen.
TELEFON sollte eigentlich Bürgels Sprung ins Filmgeschäft unterstützen
und eine professionelle Karriere als Kameramann ermöglichen, woraus
dann leider doch nichts wurde. Was der sympathische Berliner heute so
macht und wie er die feinen Tricks in seinen Filmen gebastelt hat,
erfahrt ihr im Interview.
Wie im Artikel angedeutet, war Boris Bürgel sehr kommunikativ und
schuftete sogar in der Wahlnacht (als Stoiber zurück nach München
musste) für das Interview, um die Antworten auf meine Fragen
zurechtzuzimmern. Dafür noch mal ein extra Dankeschön, zumal die
Ausführungen alles andere als 08/15 waren. Doch lest selbst...
Du schreibst auf Deiner Homepage, dass Du Deine Brötchen
mittlerweile mit 3D-Computeranimationen verdienst. Gibt es denn,
abgesehen von dem (immer noch?) unvollendeten WORTGEFECHT, andere
aktuelle Projekte, an denen Du mitarbeitest, vielleicht sogar unter
eigener Regie?
WORTGEFECHT ist mittlerweile fertig und alle Beteiligten
haben eine VHS-Kopie bekommen, allerdings scheint Regisseur Ulli
Fleischer nicht mehr an einer Veröffentlichung interessiert zu sein.
Eigentlich schade, denn obwohl sicherlich kein Meisterwerk, ist
WORTGEFECHT auf jeden Fall ein nettes Partytape. Danach war ich an
keinem Filmprojekt mehr beteiligt. Auch beruflich habe ich so gut wie
nichts mehr mit Film zu tun. Ich arbeite hier in Berlin bei dem
Multimedia-Dienstleister q-bus. Vor kurzem haben Westbam und Nena
zusammen einen Videoclip produziert, der komplett bei q-bus realisiert
wurde. Dabei mussten die beiden im virtuellen Studio gefilmt werden,
der Hintergrund wurde komplett im Computer erstellt.
Auf der Splatting Image-DVD sind etliche Arbeiten von Dir zu sehen.
Wird es auch noch andere Kurzfilme unter Deiner Mitwirkung als
Neuauflage geben? Ich denke da an einen Film wie CATTIVO, der von Frank
Trebbin ("Die Angst sitzt neben Dir") seinerzeit ja sehr gelobt wurde.
Das ist nicht geplant. Ich habe CATTIVO damals zusammen mit KKT 1 und
einigen Kurzfilmchen auf einer VHS-Kassette veröffentlicht, die man
sich im Videodrom ausleihen konnte (wer weiss, vielleicht steht sie
immer noch da). Auf die SI-DVD sollten nur die "Highlights" kommen, zu
denen ich CATTIVO mittlerweile nicht mehr zähle, auch wenn er damals in
vielerlei Hinsicht ein großer Schritt nach vorne war. Ich stand damals
unter dem Einfluss von Dario Argento, deshalb auch das viele farbige
Licht. Außerdem hatte ich Lust, nach den vielen Slapstickfilmen einmal
etwas Ernsthaftes zu versuchen und Kamera, Schnitt und Licht bewusst
gestalterisch einzusetzen.
Deine früheren Produktionen, speziell KILLERKUSCHELTIERE 2, sind
humorvoll und parodistisch angelegt. Guter Humor verlangt ja eine Menge
Timing und Können im dramaturgischen Aufbau, was man in etlichen
Amateurmovies nicht unbedingt vorfindet, es sei denn in unfreiwilliger
Form. Ist das Komödiantische Deine große Stärke oder würdest Du Dir
auch einen vollkommen trockenen, ernsten Stoff zutrauen?
Grundsätzlich versuche ich, unterhaltsame Filme zu machen.
Das Schlimmste, was man über einen meiner Filme sagen könnte, ist, dass
er langweilig war. Dass die meisten meiner Filme humorvoll sind, liegt
daran, dass mir dies am meisten Spaß macht. Peinlich wird es, und so
geht es mir mittlerweile bei CATTIVO, wenn jemand etwas Anspruchsvolles
versucht, dabei aber nicht überzeugend wirkt und ins unfreiwillig
Komische abrutscht. Dann schon lieber freiwillig komisch. PEIN,
bei dem ich nur die Kamera gemacht habe, ist aus meiner Sicht ein
gelungener Versuch, einen ernsten Film zu machen, was er der
ausgezeichneten schauspielerischen Leistung von Christian Kessler zu
verdanken hat. Aber ich schaue mir diesen Film nur ungern an. Er ist so
langsam und bedrückend. Was das Timing angeht: Im Laufe der Zeit
entwickelt man natürlich ein Gespür dafür und außerdem habe ich bei
meinen letzten Filmen Storyboards gezeichnet. Die Kameraeinstellungen
wurden schon vor Drehbeginn ausgearbeitet, dienten beim Drehen als
Rahmen, trotzdem war noch Freiraum für Improvisationen.
Du scheinst sehr gerne mit Filmzitaten zu spielen, gerade bei KKT 2
wurde von John Woo bis hin zum Finale aus Sergio Leones "Zwei
glorreiche Halunken" einiges eingebaut. Planst Du solche Dinge im
Voraus oder ergibt sich das auch schon mal spontan beim Dreh? Willst Du
Dich über solche Szenen nur lustig machen oder steckt da auch eine
persönliche Sympathie für die zitierten Regisseure dahinter?
Die Filmzitate hast Du sehr gut erkannt. Wie bereits angesprochen sind
diese Ideen im Voraus geplant. Lustig machen möchte ich mich nicht über
John Woo und Sergio Leone, beide sind große Vorbilder von mir und es
macht mir großen Spaß, ihnen nachzueifern.
Die Arbeiten an KKT 2 dauerten sehr lange, wobei die Post-Production
das Umfangreichste gewesen zu sein scheint. Was waren denn die Gründe
für die Verzögerung: Finanzen, technische Komplikationen, keine Zeit?
Es war der erste Film, in dem ich mit digitalen Spezialeffekten
experimentiert habe und ich musste natürlich eine Menge Erfahrungen
sammeln, habe wirklich viel gelernt dabei. Ich musste mich in dieser
Zeit intensiv um meine berufliche Zukunft kümmern, einen Fuß in die Tür
der Filmbranche bekommen, denn ich wollte ja Kameramann werden.
Du hast die Computereffekte für KKT 2 auf einem Amiga 4000 erstellt.
War das budgetbedingt, bist du ein Computer-Nostalgiker oder sind die
Kisten einfach besser als die monopolisierte Windows-Welt? Wie muss man
sich das Arbeiten mit dem Amiga vorstellen? Ich habe zwar die
entsprechende Seite auf Deiner Homepage gelesen, möchte aber mal ganz
plastisch wissen, wie so etwas funktioniert. Wie wird das
Video-Material bearbeitet, wie kommen die Effekte möglichst verlustfrei
auf das Videoband?
Der Amiga war damals der ideale Computer, wenn es um
Videobearbeitung ging. Egal ob 2D/3D-Animation, Videoschnitt oder
Betitelung, auf dem Amiga gab es in allen Bereichen gute und
ausgereifte Software dafür. Der Amiga4000 war damals das
High-End-Modell unter den Amigas. Zunächst stanzte ich das Computerbild
per Genlock in das Videobild, später kam noch die
VLab-Motion-Videoschnittkarte dazu, mit der ich das Videomaterial
digital auf Festplatte speichern, dort bearbeiten und wieder auf Video
ausspielen konnte. Nur mit dieser Technik war es möglich, die
Computereffekte halbwegs glaubhaft mit dem Realbild zu kombinieren und
ruckelfrei wieder auszuspielen. Nach dem Niedergang von Commodore war
ich dann gezwungen, auf die Windows-Plattform zu wechseln und Programme
wie Softimage3D, Cinema4D und 3ds Max zu lernen.
Zu TELEFON: Der Film wirkt technisch sehr routiniert, Ausleuchtung
und Kamera sind professionell. Was war das Besondere an der Umstellung
auf 16mm? Welche Vorteile bietet dieses Material, was muss der
Regisseur zur Vermeidung von Fehlern beachten?
Im Gegensatz zu Video spielen hier natürlich die Materialkosten eine
erhebliche Rolle, man kann also Einstellungen nicht beliebig oft
wiederholen. Außerdem kann man nicht einfach zurückspulen und das
Ergebnis überprüfen. Wir hatten zwar eine s/w-Videoausspielung, diese
lässt aber kein Urteil über den Look des Bildes zu, das letztendlich
auf dem Film landet. Man muss also sorgfältiger planen und mehr
Erfahrung beim Lichtsetzen haben, um abschätzen zu können, wie das
Ergebnis auf Film aussehen wird. Da ich nur wenig Erfahrung im Umgang
mit Drehen auf Film hatte, war es sehr spannend, die ersten Muster aus
dem Kopierwerk zu sehen. Zu meiner Erleichterung sah fast alles so aus,
wie ich es mir gewünscht hatte.
Der Anfang von TELEFON erinnert an Horrorfilm-Klischees, wie sie
beispielsweise in Wes Cravens "Scream" zelebriert wurden. Magst Du das
Horror-Genre oder war TELEFON nur ein Gag, bei dem Du mit dem ganzen
Plunder mal aufräumen wolltest? Deiner Beschreibung von TELEFON
entnehme ich, dass Du den gemeinhin mit Blut und Splatter in Verbindung
gebrachten Horrorfilm nicht wirklich gut findest, stimmt das?
Die Zeit, in der ich Horrorfilme mochte, war bei TELEFON schon vorbei.
TELEFON ist ja auch eher als Thriller und nicht als Horrorfilm gedacht.
Aufräumen wollte ich nicht, aber mit den Erwartungen des Zuschauers
spielen und ihn letztendlich an der Nase herumführen. Einige
Horrorfilme mag ich immer noch, dazu gehören natürlich die Filme von
Dario Argento, während ich mich bei Teenie-Slashern wie "Freitag der
13." oder "Nightmare on Elm Street" langweile.
Hat Dir TELEFON weitere Projekte ermöglicht, Türen geöffnet oder war
es doch "nur" eine Fingerübung? Ich frage das deshalb, weil in punkto
Schnitt, Dramaturgie, Kombination von Kamera, Licht usw. diese Arbeit
sozusagen als Demo-Produkt vieles enthält, was Du kannst.
TELEFON war ja mein Abschlussfilm an der Fachschule für Optik und
Fototechnik hier in Berlin und sollte natürlich mein Können zeigen.
Überraschenderweise hat mir dieser Film aber im professionellen
Filmbusiness keine Türen geöffnet. Dort interessierte zunächst
niemanden mein Können als Bildgestalter, sondern nur meine
Zuverlässigkeit als Kamera-Assistent. Allerdings brachte die Vorführung
auf Filmfestivals einige interessante Kontakte mit anderen Filmemachern
wie z.B. Christian Rzechak und Ulli Fleischer.
Kinobegeisterte haben fast alle in ihrer "Laufbahn" als Filmfans
einige magische Momente, die ihre Liebe zu diesem Medium auslösten. Sei
es die Godzilla-Jugendvorstellung im uralten Kino an der Ecke, in dem
später ALDI einzog, der Wer-hält-es-am-längsten-aus-Härtetest mit
Freunden (bevorzugt hier: "Ein Zombie hing am Glockenseil") oder das
epische Dahinschmelzen bei Sergio Leones "Es war einmal in Amerika".
Gab es diese "magic moments" auch bei Dir und welche waren das?
Ich erinnere mich noch sehr gut an das Finale in "Spiel
mir das Lied vom Tod". Ich hatte mir diesen Film absichtlich nie auf
Video ausgeliehen und irgendwann lief er dann in einem kleinen Berliner
Kino. Bei der berühmten Duellszene am Schluss gibt es dann diesen
Moment, wo die Kamera vom Kopf des Jungen wegfährt und den Blick auf
den Torbogen freigibt, dazu die geniale Musik von Ennio Morricone...
Ich wäre beinahe von meinem Sessel aufgesprungen und hätte geschrieen
vor Begeisterung, aber ich konnte mich beherrschen. Am
Geschichtenerzählen habe ich schon immer Spaß gehabt. Als kleiner Junge
habe ich Hörspiele gemacht, später kam dann Thomas (Schweer,
Redakteur bei Splatting Image) mit dieser Super8-Kamera an, die er
von seinem Vater geliehen bekommen hatte. Wir fingen an, kurze Szenen
zu drehen, es ging natürlich um Mord und Totschlag, erweiterten die
Geschichten zu kompletten Filmen und hatten eine Menge Spaß dabei.
Irgendwann stand mein Entschluss fest, das auch beruflich machen zu
wollen.
Wie steht eigentlich Deine Familie dazu, dass sie von Dir sozusagen
in das Pantheon der Filmstars erhoben wurde? Sven Berndt hat Deinen Dad
ja sogar als größten Schauspieler seit Al Pacino bezeichnet ("Da haben
wir´s, Irmtraut, unser Haus ist verflucht!" - für diese Szene hätte es
den Oscar geben müssen).
Bei den Dreharbeiten zu KKT waren meine Eltern und mein Bruder
teilweise schon ziemlich genervt, dass sie von mir so sehr für die
Dreharbeiten in Anspruch genommen wurden, denn eigentlich hatten sie
sich diesen Urlaub wohl anders vorgestellt. Hinterher schworen sie mir
alle, dass sie nie wieder in einem meiner Filme mitspielen würden,
glücklicherweise konnte ich aber meine Eltern für den zweiten Teil noch
einmal vor die Kamera zerren. KKT wurde damals im Offenen Kanal Berlin
ausgestrahlt und eigentlich dachte ich immer, dass kaum jemand diesen
Sender sehen würde, aber mein Vater wurde prompt auf der Arbeit auf
seine neue Karriere als Filmstar angequatscht.
Deine Kameraführung ist sehr flüssig, sehr beweglich. Speziell die
lange Einstiegssequenz bei "Blut für die Götter" ohne Schnitt finde ich
sehr beeindruckend. Hattest Du damals eine Steadycam zur Verfügung oder
wie wurde das gemacht?
Bei "Blut für die Götter" hatte ich keine Steadycam, wollte aber den
Effekt nachahmen. Der Trick funktioniert im Prinzip sehr simpel: Die
Kamera wird samt Stativ durch die Gegend getragen. Die Arme müssen
dabei die Erschütterungen dämpfen, die gespreizten Stativbeine sorgen
für eine gewisse Trägheit und Schuhe mit weichen Sohlen sind ebenfalls
hilfreich. Außerdem habe ich mir einen eigenen Jib-Arm gebaut, also
eine Wippe, auf der die Kamera auf und ab bewegt werden kann. Für
Kamerafahrten auf Bodenhöhe habe ich die "Hangocam" gebaut, dabei hängt
die Kamera ähnlich einer Marionette an Schnüren und kann vom Kameramann
mit einer Hand über den Boden geführt werden. Dollyfahrten habe ich bei
KKT auf Modelleisenbahnschienen gemacht, mittlerweile habe ich mir
allerdings selbst einen Dolly gebaut, der auf Kunststoffrohren fährt.
So wird Filmgeschichte gemacht! Zum Abschluss: Gibt es eigentlich
Pläne für ein längeres Filmprojekt unter eigener Regie? Das würde in
Deiner Filmographie noch fehlen. Oder willst Du dich mehr darauf
verlegen, anderen Regisseuren als Kameramann auszuhelfen?
Ich habe einige Ideen für längere Projekte, zu denen ich allerdings
erst einmal das Geld auftreiben muss. Natürlich träume ich davon,
irgendwann einmal einen "großen" Kinofilm machen zu können, aber wann
das sein wird... keine Ahnung. Als Kameramann arbeite ich momentan
nicht, mein Beruf nimmt mich zu sehr in Anspruch. Das ist auch der
Grund, warum ich lange keine eigenen Projekte mehr auf die Beine
gestellt habe.
Interview und einleitender Text: Stefan (fertiggestellt 11/2002)
Boris Bürgels Heimseite im Netz: http://kino.freepage.de/fox-film
Wer an der DVD Interesse hat, sollte mal bei www.splatting-image.com
vorbeischauen. Neben dem Hauptfilm BLUT FÜR DIE GÖTTER sind dort die
beiden KKT-Filme vertreten, der erwähnte PEIN und andere Sachen. Bei
den meisten Arbeiten war Boris Bürgel beteiligt (Kamera oder Regie oder
beides). Überwiegend handelt es sich zwar um Amateurfilme, aber eben um
bessere Vertreter ihrer Zunft. Bisweilen splattert es auch mal, also
nicht erschrecken.