"And to this planet it arrived ..."
Es gibt in der wohl unendlichen Weite des Musik-Kosmos immer wieder Gesamtkunstwerke,
deren Melodien und Geschichten über Monate, Jahre (...) hinaus Seele und
Bewußtsein der begeistert Hörenden beanspruchen. Werke, welche musikalisch
und lyrisch eine eigentlich nur magisch zu nennende Faszination ausüben
... wenn man die Zeit und Muße besitzt, sich auf sie einzulassen, ihnen
die höchstmögliche Aufmerksamkeit schenkt. Denn diese ist nötig,
um in die Welt des Kunstwerkes - und jedes inspirierte Kunstwerk ist eine Welt
für sich - geistig einzutauchen.
Die Erforschung des akustischen Labyrinths, die meditative Einswerdung mit der
Musik bei geschlossenen Augen, nicht nur für die Dauer einer CD, sondern
auch darüberhinaus (wahrscheinlich sogar über diese verflucht schöne
Welt hinaus), dies kann ein Gefühl von Zeitlosigkeit vermitteln, eine Ahnung
von ... Ewigkeit: Soundspaceternity awaits ...
Mit ein wenig Fantasie kann sich jede Musikseele dieses letztendlich nicht
mehr materielle Musik-Kontinuum vorstellen. Ich meine, selbst im Zeitalter des
Rationalismus ist die Vision einer anderen, friedlicheren Existenzebene nicht
totzukriegen. Und wenn es wahr ist, was Jesus, Buddha, Hesse, was alle ernsthaften
Dichter und Künstler, alle Heiligen und Mystiker der Menschheitsgeschichte
erkannt, gedacht, gefühlt und beschrieben haben, wenn es wirklich so ist,
dann wartet auf diejenigen, welche daran glauben können, allumfassende,
leidlose Ewigkeit, inclusive allem, was auf der planetaren Welt gut, aber nie
von Dauer war. Und dazu gehört auch weiß Gott die Musik, in ihrer
ganzen Vielfalt. Nicht nur die Sphärenharmonien, das Rauschen der Meeresbrandung,
der Blätter im Wind ... ebenso sind die wirklich von der Seele kommenden
Kunstwerke eine Dimension, jedes einzelne ein zeitloser Raum für sich.
Sicherlich gibt es allein schon im Metal/Rockmusikbereich viele solcher Werke,
zu viele, um sich in der Zeit mit jedem interessant klingenden wirklich
ausführlich beschäftigen zu können. Außerdem gibt es ja
auch andere Musikrichtungen. Also beschränkt man sich auf einige ausgewählte,
von Magazinen, Kumpels oder der eigenen Kauf-Intuition empfohlene Sachen...und
hofft auf ewigkeitswürdige Werke, wie z.B: in den letzten Jahren die Outputs
von Ayreon, Dream Theater, Shadow Gallery, Nightwish, The Tea Party, Arena,
Pendragon, Marillion .....u.v.m..
Doch Schluß mit dem namedropping, jetzt aber wirklich zu "The New Mythology
Suite", denn mit diesem Album haben Symphony X eines dieser ultimativen
Gesamtkunstwerke erschaffen, von denen in der Einleitung die Rede war.
O.k., "Damnation Game", "The Divine Wings Of Tragedy" und "Twilight In Olympus"
zuvor waren auch schon göttlich und fraglos wegweisend im anspruchsvoll-melodiösen
Progressivemetal. Songs wie "The Accolade", "Orion The Hunter", Lady Of The
Snow", "Edge Of Forever", "A Winter's Dream" und etliche mehr sind im Laufe
der Jahre zu immer wieder hörbaren Klassikern geworden.
Aber das fünfte Album "The New Mythology Suite" ist nochmal eine Dimension
weiter, musikalisch, lyrisch, überhaupt. Der zuvor schon überweltliche
Gesang ist variabler denn je, der Klassikeinfluß noch verstärkt,
Gitarre und Keybord zaubern vielfältige und ozeanweite Klangräume,
die Story reicht von Atlantis über Ägypten bis zur Neuzeit und macht
eine ausführliche Beschäftigung mit Booklet und Lyriks unumgänglich.
"And to this planet it arrived, a consciousness of pure energy that projected
itself into this material world ..."
Einminütiges Bombastklassik-Intro, und sogleich folgt mit "Evolution (The
Grand Design)" ein Band-typischer Eröffnungs-Hochgeschwindigkeitskracher
mit recht straightem Chorus und einem Wahnsinnsbreak gegen Ende ("...Gods we
will be, rulers of the sea, in our grand design...").
Ohne Ruhepause schließt sich das genial-düstere "Fallen" an, mit
unglaublich geilen Riffs, leicht versetztem Rhythmus und erneut überragendem
Refrain: "Tonight darkness will shadow the light, symmetry divine, there's no
force greater dividing the fathers of time...paradise denied, the balance of
ages forever lost in time...".
Transzendental-orchestrale Überleitung, dann endlich die erste Akustikgitarre,
umrahmt von kristallenen Keybordmelodien. "Communion And The Oracle" ist ein
im Abendsonnenlicht glitzernder Strom von göttlichen Harmonien, schwerelos
ineinanderfließenden Passagen, darüber schwebend eine himmlische
Weisen singende Stimme: "...breathe the air around you, the oceans fill your
veins and winds embrace your heart, feel the change within you, the sun and
moon align, the grand design awaits a new start..."
Acht Minuten später ist der Traumflug leider vorbei...doch was ist schon
'Zeit' beim Hören solcher Musik ?
"The Bird-Serpent War", der bis dahin unzugänglichste Song, reißt
die Seele aus ihrem Communion And The Oracle-Wolkenflug. Ist aber trotzdem klasse,
wie ich nach mehrmaligem Hören feststellen durfte.
Aber was hiernach kommt..."On the Breath Of Poseidon", irgendwo zwischen Klassik
und Soundtrack, ruhig und aufbrausend, dem Wellenschlag des Ozeans nachempfunden.
Und "Egypt": orientalische Riffakkorde, grandiose Strophen/Refrains/Solos, wieder
einer von diesen best of all times-Songs.
"...find the key - it draws the final line between what is and what should never
be...".
Die letzten Pianotöne verklingen in der Wüstennacht. Hiernach findet
ein Zeitsprung in der Story statt, von der Antike zur Gegenwart, von mystischer
Mythologie zu allgemein-philosophischer Weltbetrachtung.
Es folgt: "The Death Of Balance/Lacrymosa". Der Tod des Gleichgewichts, akustisch
entsprechend heavy dargestellt durch instrumentale Tonfolgen an der Grenze zur
Disharmonie, anschließend die Trauer/Klage um eine aus den Fugen geratene
Welt.
Bekräftigt wird dies im Killerrefrain des von brachialen Riffs eingeleiteten
"Absence Of Light": "...Absence of light, unbalanced power, only then will we
know...". Also diese paradoxe Welt der Gegensätze als unumgängliche
Lernstufe für aus der Einheit gefallene Seelen. Ist es wirklich so, ist
ohne die Gegensätze keine Erkenntnis möglich ? Brauchen wir die Licht-
und Schattenspiele dieses Lebens/Sterbens, die Existenz von Zeit, um
die Zeitlosigkeit zu begreifen ? Ist am Ende die vom Menschen selbst erschaffene
Hölle auf Erden nur dazu da, um ein in jeglicher Hinsicht besseres Jenseits
erfassen zu können ? Wäre der von jedem halbwegs gesunden Menschenverstand
erwünschte Weltfrieden nicht schon hier und jetzt möglich, wenn jedes
Individuum seinen Seelenfrieden gefunden, Mitgefühl und Respekt vor allen
Lebewesen hätte ? Irgendwo muß man damit anfangen, mit dem Irrsinn
aufzuhören ! All die Jahrzehnte und Jahrhunderte bestimmt von Profitgier,
Hass, Neid, Unterdrückung, Gewalt und den Kriegen verschiedener Art. Der
prägnante Refrain von "A Fool's Paradise" macht es überdeutlich; was
ist aus der Welt geworden, so darf es doch nicht weitergehen! Ein zum Text passend
schneller und eindringlicher Track, inclusive Klassik-Einsprengseln.
Danach gibt's zur Entspannung ein atmosphärisches Akustik-Intro, bevor
die Band mit "Rediscovery II - The New Mythology" nochmal alles an den Start
bringt, was ihre Musik und speziell diesen Silberteller so überirdisch
genial macht: fantastische Riffs und Keybordsounds, haufenweise exzellente Breaks
und Übergänge, majestätische Melodien, weltüberragender,
variabler Gesang. Und nicht zuletzt die kongenialen Texte mit ihrem faszinierenden
Licht- und Schattenspiel: "...Goddess of truth speaks eternally, from the dephts
of the pages...". Und weiter aus "Rediscovery II", wo das Gesamtkonzept noch
einmal resümiert wird: "...Whave we done? Can we right all the wrongs,
the evils and fears for thousands of years, that forever drain our vitality
? Can this go on without dyer consequence (abdanken?) ? Our tragic ways, the
end of days that shadow the dawn of eternity ..."
Schließlich: "Lost evermore, the essence of truth, altough she tried in
vain to bring us peace, it will ever rest in our hands...".
In euren Händen liegt es nun, eure Seelenwelt mit diesem Musikmeisterwerk
zu bereichern. Wer (wie ich) Alben wie Heaven And Hell, Awaken The Guardian,
Into The Everflow, Carved In Stone, Scenes From A Memory, The Warning oder
The Universal Migrator zu den absoluten Highlights aller Zeiten dieser
Musikrichtung zählt, wird auch "The New Mythology Suite" für sich
verewigen.
"Choose the way, five paths there for you to find...". Nicht nur ein Weg führt
nach Elysium . . . Atlantis . . . Tir Nan Ogh . . . Avalon . . . Celephais .
. . Sona-Nyl . . . Arcana . . . in die Ewigkeit.
- Eddi -
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