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Matt Ruff – Fool on the Hill (1988)

Lange hat es gedauert, bis ich mich endlich einmal aufraffen konnte, diesen bereits 1988 erschienenen, knapp 600 Seiten starken Wälzer in Angriff zu nehmen. Jahrelang hatte er mir auffordernd aus dem Bücherregal zugezwinkert (siehe Abbildung), doch immer fehlte es irgendwie an Zeit, an Lust oder auch einfach nur am Feeling für das, was der Klappentext über den Inhalt andeutete. Nun endlich ist es vollbracht, und was soll ich sagen? Innerhalb von drei Tagen war die Schwarte gelesen... Und da Fool on the Hill überraschenderweise noch nicht im Zine with no Name besprochen wurde, soll dies hiermit auch gleich erledigt werden.
Also, worum geht es nun in diesem schillernden Werk? Im wesentlichen um einen aufstrebenden Schriftsteller namens S.T. George, der sich nach längerer Abstinenz mit dem Gedanken trägt, sich wieder zu beweiben und der auf der Suche nach seiner Traumfrau so allerlei erlebt. Doch schnell wird deutlich, daß diese Geschichte quasi einen doppelten Boden hat, denn mehrere vollkommen verschiedene Handlungsstränge und –ebenen werden auf geradezu haarsträubende Weise miteinander verwoben, und zwar von Mr. Sunshine, einem alten Griechen, der nichts mehr liebt als Schicksal zu spielen und arglosen Menschen in ihrem Leben herumzupfuschen. Mit Unterstützung seiner debilen Gehilfen entwirft er rund um den Campus einer Universität in Neuengland ein Szenario, das jeder Beschreibung spottet.
Es dauert schon ein wenig, bis man sich in die Geschichte eingefunden hat; ziemlich banal, ja bisweilen gar etwas grotesk lesen sich die ersten rund 100 Seiten über freakige Studenten, quirlige Kobolde, faschistoide Rassehunde, fatalistische Mischlingshunde und atheistische Katzen. Doch spätestens, wenn die ritterlichen Bohemier auf den Plan treten und in einem aberwitzigen, zum Brüllen komischen Spektakel ein verschlafenes Provinzkaff aufmischen, hat der Leser den roten Faden gefunden und einem ungetrübten Lesegenuß steht nichts mehr im Wege.
Matt Ruff (oder Mr. Sunshine) läßt in loser Folge weitere Protagonisten aufmarschieren, die die Geschichte immer wieder in neue Richtungen lenken: Die Tochter eines Nonkonformisten, die zu dessen Leidwesen mit einem tödlichen Langweiler liiert ist, eine leibhaftige Liebesgöttin, laszive Asiatinnen, merkwürdige Tolkienianer, Fieslinge jedweder Couleur, diverse durch Zauberei beseelte, an sich aber völlig seelenlose Wesen oder Gegenstände...; er inszeniert vor Einfallsreichtum nur so sprühende Rahmenbedingungen wie eine überdimensionale Pheromonwolke (mit den entsprechenden Auswirkungen) oder einen wahnsinnig machenden Regen, er spielt mit komischen, bizarren, magischen, träumerisch-visionären und alptraumhaften Elementen... grandios!
Dazu bedient sich Ruff einer äußerst bilderreichen Sprache, die den Leser mitten in das Geschehen hineinversetzt, ihn gewissermaßen von Schauplatz zu Schauplatz, von Ereignis zu Ereignis mitwirbelt. Fantasysequenzen wechseln sich mit Nonsens ab, auf bluttriefende Actionszenen folgen romantische Episoden, dazwischen immer wieder Anspielungen auf reale historische Personen... Atmosphärisch fühlt man sich in manchen Passagen irgendwie an Terry Gilliam-Filme erinnert, und der furiose Showdown weist gar Parallelen zu Horrorszenarien Kingscher Prägung auf!
All dies klingt ziemlich wüst und streng genommen ist es das auch. Doch wenn der Leser erst einmal mit der Logik des Plots vertraut ist, kann er sich der Faszination der Geschichte nicht mehr entziehen. Neben dem Lesespaß wird er mit einer Fülle von Aphorismen und Lebensweisheiten belohnt, die der Autor geschickt und unaufdringlich als Erkenntnisse aus dem Geschehen einfließen läßt. Diese gelungene Gratwanderung verdient allerhöchsten Respekt.
Mein einziger kleiner Kritikpunkt besteht denn auch darin, daß Ruffs Erzählstil in einigen wenigen ruhigeren Passagen manchmal etwas leidenschaftslos oder nüchtern wirkt; hier vermißt man etwas die ansonsten allgegenwärtige Detailverliebtheit. Darüber hinaus gibt es aber rein gar nichts zu mäkeln, hier harrt ein Kultbuch seiner Entdeckung!
Abschließend sei noch gesagt, daß Fool on the Hill gewissermaßen eine Allegorie auf das Leben darstellt, so anarchisch es auch konzipiert sein mag (oder vielleicht gerade deswegen); Fool on the Hill ist definitiv nichts für hüftsteife Dogmatiker oder geistige Schrebergärtner; es ist einfach nur zauberhaft, es ist wildromantisch im wahrsten Wortsinne, es ist eine gewagte, knallbunte Mischung, die aber bestens funktioniert. Vor allem jedoch ist Fool on the Hill eine tiefgründige und dennoch äußerst unterhaltsame Lektüre, die in ihrer phantasievollen Überdrehtheit am ehesten mit Per Anhalter durch die Galaxis oder Hotel New Hampshire vergleichbar ist, und es wäre nicht mehr als recht und billig, wenn man von diesem Roman einmal so ehrfurchtsvoll wie vom "Anhalter" einfach nur vom "Fool" spräche.

- Klaus - 03/06