"Rock´n´Roll
ist mehr als nur eine Musikrichtung – er ist ein Lebensgefühl, dem treu
zu bleiben nicht immer einfach ist. Auf der Suche nach sich selbst und einer
Kunst, die nicht vom big business korrumpiert ist, verschlägt es
den Bassisten Niet und seine Band von Deutschland über London und New York
schließlich nach Los Angeles, an die äußerste Grenze des Goldenen
Westens und zu den Traumfabriken Hollywoods."
Soweit der Klappentext zu Matthias Penzels erstem Roman, der bereits erahnen
läßt, daß es sich bei vorliegendem Buch nicht um eine unreflektierte
Hommage an den Rock´n´Roll way of life handelt. Vielmehr entwirft der
Autor, der einigen vielleicht durch seine Tätigkeit für eine damals
noch zurecht unter der Bezeichnung Metal Hammer firmierende Musikzeitschrift
ein Begriff sein dürfte, ein Szenario, das zwar auch – und nicht zu knapp
– den R´n´R-immanenten Hedonismus als eine Art jung erhaltende Triebfeder für
Selbstverwirklichung und Freiheit in den Mittelpunkt stellt, das den Leser aber
zugleich zutiefst nachdenklich stimmt bzw. stimmen sollte.
Aufgrund der Vielzahl von Handlungs- und Gedankenebenen, die allerdings für
die Entwicklung der komplexen Story alles andere als unbedeutend sind und ihr
einen wahrhaft filmischen Touch verleihen, wird dem Leser der Einstieg zwar
nicht gerade leicht gemacht, doch hat man erst einmal diese Klippen umschifft,
läßt einen der Rhythmus der rasant in Form einer Rückblende
erzählten Geschichte aus der Sicht des eingangs erwähnten Bassisten
nicht mehr los.
Ausgehend von interessant angelegten fiktiven Charakteren und garniert mit packenden
Hintergrundinformationen über allseits bekannte – reale - Musiker berichtet
Penzel in TraumHaft mit viel Liebe zum Detail und teilweise philosophischem
Tiefgang, was der aufstrebenden deutschen Band ShamPain auf ihrem Weg
in den Metal-Olymp und durch die Mühlen des Showgeschäfts so alles
widerfährt. Er offenbart profunde Szenekenntnisse, gewährt tiefe Einblicke
in die Psyche R´n´R-Verrückter und seziert geradezu analytisch die jeweiligen
Motivationen der Protagonisten im Kampf um kreativen Ausdruck oder um ein möglichst
großes Stück vom Erfolgskuchen.
Der hierdurch entstehende Eindruck von Authentizität und die damit einhergehenden
- beinahe deduktiv herausgearbeiteten – Gesetzmäßigkeiten und Schlußfolgerungen
sowie zahlreiche Aphorismen der Kategorie "Wow!!!" lassen den Leser geradezu
mit der Rolle des idealistischen Hauptdarstellers verschmelzen und ihn mit diesem
mitleiden beim allmählichen Verlust seiner Illusionen angesichts der zynischen,
menschenverachtenden Maschinerie des Musikbusiness und eines immer schwieriger
aufrecht zu erhaltenden Gleichgewichts innerhalb der Band.
Penzel versteht es außerordentlich gut, den so "eingenommenen" Leser in
ein Wechselbad der Gefühle zu stürzen; ähnlich wie Stephen King
zu seiner besten Zeit zeichnet er das Bild eines augenscheinlich vorsichtigen
und vernünftigen Menschen, der im Sog einer immer komplexer und bedrohlicher
werdenden Situation nach und nach an seine Grenzen gelangt, bis sich schließlich
die Ereignisse überschlagen und nichts mehr so ist, wie es zu sein scheint...
Allerdings ist der Schrecken hier greifbarer, die Paranoia bleierner, weil realistisch,
unentrinnbar und letzten Endes auch vorhersehbar, und während man noch
versucht, zu begreifen, was eigentlich genau passiert ist, während man
noch mit verschiedenen Entwicklungen hadert, konfrontiert einen der Autor –
gewissermaßen nach dem "Abspann" – mit einem allerletzten Kapitelchen,
das wieder ein ganz anderes Schlaglicht auf die bereits zu Ende erzählte
Geschichte wirft. Gut gemacht!
TraumHaft ist ein über weite Strecken mit Stilmitteln eines Roadmovies
inszenierter Roman mit dezenten experimentellen Anleihen, räumt kritisch
- bisweilen gar schonungslos – auf mit zeit-, system- oder ideologisch bedingten
Monstrositäten und behält sich dennoch ein Augenzwinkern im Umgang
mit den gängigen Rock-Klischees vor. Eine gelungene Gratwanderung zwischen
Spaß und Anspruch, zwischen Desillusioniertheit und Aufbegehren, und somit
Pflichtlektüre für jeden Rockfan, der sich noch nicht ganz von den
ursprünglichen Idealen dieser Ausdrucksform abgenabelt hat.
Erschienen ist TraumHaft (ISBN 3-937738-04-5) bei den Schwartzkopff
Buchwerken Berlin (www.schwartzkopff-buchwerke.de),
einem jungen, erst 2004 gegründeten Verlag, "dessen Anspruch es ist,
aufzurütteln und sich einzumischen in soziale, politische und literarische
Diskurse." (Zitat aus Editorial des Verlagsfrühjahrsprogramms 2005)
Zumindest mit dieser Veröffentlichung hat man schon einmal einen Volltreffer
gelandet.
- Klaus - 04/05