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Neil Peart: Ghost Rider - Travels on the Healing Road (2002)

neil peart - ghost riderDas war aufreibend! Gott sei Dank ist das Buch in zwei Teile gegliedert, so daß ich Gelegenheit hatte, Teil 1 erst einmal etwas setzen zu lassen.
Teil 2 las sich dann schon etwas relaxter, und trotz der aufwühlenden Thematik fast schon ein wenig langweilig. Wohlgemerkt: Im Vergleich zum ersten Teil!
Denn was Neil Peart, allseits bekannt als Drummer und Lyriker der Band RUSH, hier zu Papier brachte, übertrifft die inhaltliche Tiefe seiner ohnehin schon genialen Songtexte noch bei weitem. So eindringlich und einfühlsam, so sprachlich pointiert und emotional zugleich, hat wohl noch nie irgend jemand zuvor seine Trauerarbeit zelebriert, ja zum Lehrstück gemacht.
Aber der Reihe nach...
Ausgehend vom tragischen Verlust seiner Frau und seiner Tochter, die beide innerhalb nur eines Jahres starben, macht sich Peart auf die Reise durch die Abgründe seines Leidens, in der vagen Hoffnung auf dessen Linderung. Allen Lebensmutes beraubt schwingt er sich ohne ein konkretes Ziel auf sein Motorrad und macht sich auf einen langen Trip durch Kanada, Alaska, Nord- und Mittelamerika, und was er dabei erlebt, ist schmerzhaft und aufwühlend, erhaben und friedvoll in einem. Wunderschöne Landschaftsbeschreibungen, Begegnungen mit interessanten Menschen, kuriose Beobachtungen, wissenswerte Details über Land und Leute sowie faszinierende Selbstreflexionen geben dem Buch eine Art Roadmoviecharakter, der den Leser unwiderstehlich in seinen Bann zieht.
Einzig die zahlreichen, teilweise etwas langatmigen Briefwechsel mit geradezu zwanghafter Vergangenheitsbeschwörung trüben den Lesegenuß ein wenig. Aber das ist wohl unvermeidbar beim Versuch, sich ins Leben zurückzukämpfen und der damit verbundenen diffusen Angst, darin zu versagen.
All dies zusammen gewährt tiefe Einblicke in eine erschütterte Seele und vermittelt einiges an Einsichten, wie z.B. daß aller Ruhm und alles Geld auf dieser Reise wertlos sind, oder auch einfach nur in die Kunst, Banalitäten zum Überlebenskriterium machen zu können (äußerst amüsant: Der erbitterte "Krieg" gegen die Eichhörnchen, die sich frech am Vogelfutter vergreifen).
Peart versteht es, den Leser zu fesseln, indem er ihn seine jeweiligen Gemütszustände hautnah miterleben läßt und präsentiert ein Buch, in dem man leben kann, das einen bisweilen erstarren läßt, das einen aber auch zum Schmunzeln bringt, ein Buch, das einen ganz bestimmt nicht unbeteiligt außen vor läßt; man ist gewissermaßen auf der Reise mit "dabei".
Für RUSH-Lunatics beinhaltet "Ghost Rider" noch ein besonderes Schmankerl, sind doch die einzelnen Kapitel mit treffenden Auszügen aus den Lyrics der Band versehen. Doch auch der bis dato nicht mit RUSH in Berührung gekommene Leser wird hier seine Aha-Momente finden, sich vielleicht sogar bemüßigt fühlen, auch dem musikalischen Schaffen von Peart & Co. einmal ein Ohr zu leihen. Zumindest mich als ehemaligen RUSH-Die Hardler, der nach dem Chaos in deren Lager (abgesagte Europa-Tournee, Auflösungsgerüchte etc.) beinahe vom Glauben abgefallen wäre, hat dieses Buch wieder zum geläuterten und dankbaren Fan gemacht.
Bleibt nur noch zu sagen, daß es "Ghost Rider" bislang nicht in deutscher Übersetzung gibt, was es allerdings um so lesenswerter macht.

Am einfachsten sollte das Buch bei amazon zu bekommen sein.

- Klaus - 07/03