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PORCUPINE TREE

Live Review und Interview 30. März 2001

Porcupine Tree -- ein Bandname, der sich irgendwie gut anhört, in der Übersetzung aber doch Rätsel aufgibt: 'Stachelschwein-Baum'...was soll das?
Nichtsdestotrotz besitzt die Gruppe um Mastermind Steven Wilson zumindest Underground-Kultstatus, und wer Alben wie "Up The Downstair", "The Sky Moves Sideways", "Coma Divine" und "Voyage 34" gehört hat wird verstehen warum. Was hier (und höchstwahrscheinlich auch auf allen anderen, mir bisher nicht gänzlich vertrauten Werken) erschaffen wurde ist, mal wieder, eine neue Dimension von Musik: Art-Progressive-Psychedelic-Space Rock, zeitweise durchaus heavy, zeitweise relaxt und ambient, aber eigentlich immer fließend-harmonisch, melodiös, leicht zugänglich.
Überragend ist sicherlich Wilsons Gitarrenspiel, welches zusammen mit Bassläufen und Keybordteppichen einen breitflächigen Gesamtsound erzeugt und der Band den Ruf vorzüglicher Live-Performances einbrachte. Vor allem aufgrund Wilsons Art zu singen werden Porcupine Tree gerne mit Pink Floyd verglichen, sind jedoch trotz einiger düsterer Passagen nicht so schwermütig unterwegs. Ich denke mal, alle Floyd-Fans werden ihre helle Freude an Porcupine Tree haben, speziell an oben genannten Werken.
Mit den letzten beiden CDs begab man sich in eine etwas songorientiertere Richtung, d.h. straightere, kürzere Songs, prägnante Refrains. Die Schwerpunkte bei ihrem Auftritt im ziemlich vollen Karlsruher 'Substage' lagen dann auch u.a. bei den "Stupid Dream" und "Lightbulb Sun"-Tracks. Und da waren einige Wegschicker dabei, allein schon das atmosphärische "Russia On Ice" macht das letzte Album praktisch zum Pflichtkauf.
Obwohl ich viele Songs nicht kannte, dieses Konzert war musikalisch berauschend und auch soundtechnisch extraklasse. Ziemlich cool mit dunkler Sonnenbrille dastehend feuerte Wilson seine Breitleinwandriffs/solos ins Publikum und bot, so nebenbei, eine einwandfreie Gesangsleistung. Colin Edwin spielte mit einem Buddha-Schmunzeln seinen bundlosen Bass, und auch der Rest der Band sorgte dafür, daß Porcupine Tree mit diesem Gig wohl etliche Fans hinzugewonnen haben.

Zwei Tage vor dem Konzert erfuhr ich von Rock-Reunion-Ralf, daß ich neben dem Konzertbericht auch ein Interview machen sollte/könnte. Natürlich ließ sich auf die Schnelle kein Aufnahmegerät organisieren, was Mr. Wilson aber (ca. drei Stunden vor Konzertbeginn) wenig störte. Er meinte nur, ich solle ihn ruhig einbremsen, wenn ich mit dem Aufschreiben nicht nachkomme, weil er Interviewfragen normalerweise sehr ausführlich beantwortet.

First, congratulations for your complete works. They are another new dimension of music, fantastic journeys through the seemingly endless space of sound...
Habt ihr schon viele Interviews gegeben, auf dieser Tour...und überhaupt ? Interessieren sich die Magazine für die Band
?

Natürlich, wir haben schon viele Interviews gegeben. Auf dieser Tour so etwa fünf bis zehn, insgesamt sicher über fünfzig. Speziell in Deutschland gibt es ein wachsendes Interesse, auch von den Metal-Mags wie f.e. dem Rock Hard. Ich habe den Eindruck, daß die deutschen Metal-Magazine vielseitiger ('more diverse') sind als die in unserer Heimat England...ist das übrigens eine Metal-Band auf deinem T-Shirt ?

Äh, ja, Symphony X, ist so Art/Progressive/Symphonic Metal, wirklich grandios, besonders "The New Mythology Suite"... . Was ist mit einem neuen Album von Porcupine Tree, in welche Richtung wird es ungefähr gehen ?

Es ist zu früh um darüber etwas zu sagen. Wahrscheinlich wird es um einiges dunkler und heavyer werden, nicht mehr so viele Pop-Elemente enthalten. Wir schreiben noch daran, jedenfalls wird es einen weiteren Schritt in der Evolution der Band darstellen. Auch die Synth-Flächen werden noch dabei sein, kombiniert mit neuen Elementen.

Welche Musik bevorzugst du, wenn du die Augen schließen und entspannen willst? Hörst du auch spezielle Meditationsmusik?

Yes, environmental music...Musik, die den Raum ausfüllt. Einige nennen es Ambient-Musik. Von Klassik bis Elektronik mag ich eigentlich alles. Welche Bands speziell ? Gas, Thomas Körner, Klaus Schulze, early Tangerine Dream ("Phaedra"), Popol Vuh, Can, Vast, Amon Düül, Neu ...
Ja, ich mag auch Bands wie Marillion, auch mit dem 'neuen' Sänger.

Das letzte Album Marillion.'Com' fand ich echt klasse, teilweise sogar godly...

Da habe ich bei einigen Songs beim Abmischen mitgeholfen...

Was, wirklich ? Bei welchen denn ? (hätte ich eigentlich wissen müssen...)

Legacy, Go!, Enlightened, Interiour Lulu, Built-In Bastard Radar.

Gute Sache. Mir hat besonders der Part gefallen wo Steve Hogarth singt: "...if you can carry it out, you can take it away...". Was ist mit Ozric Tentacles, die müßtest du doch kennen und mögen?

Gefallen mir aber nicht so gut, da höre ich mit lieber die Originale an, wie z.B. Kraan.

Welche Interessen hast du neben der Musik ? Literatur, Filme...

Literatur, Filme, alles eigentlich. Kubrick, Orson Welles, um nur einige Filmemacher zu nennen.

Als Songwriter wirst du ja vom Leben insgesamt inspiriert, da fällt es schwer, einzelne Einflüsse hervorzuheben. O.k., von den Schriftstellern: Kafka, James Joyce, Kundara, Hermann Hesse...

Echt, du kennst Hesse? Hesse finde ich genial (ingenious), einer der Literaturgötter...und mein absoluter Lieblings-Schriftsteller (favourite writer). Welche Bücher hast du von ihm gelesen?

Das Glasperlenspiel, Steppenwolf . . .

Oh ja, der Steppenwolf ist wirklich fantastisch, das wahrscheinlich beste Buch von ihm, neben "Siddhartha"...

Das kenne ich noch nicht, obwohl mir schon einige Leute davon erzählt haben. Aber bei Hesse muß man sich eben voll konzentrieren, du kannst solche Bücher nicht nebenbei im Tourbus lesen.

(an dieser Stelle erzählt der Interviewer mehr über Hesse...was hier zuviel wäre. Wer Antworten auf dieses Leben im Daseinskreislauf sucht kauft sich "Siddhartha" und danach den "Steppenwolf", das genügt fürs erste, zumal die Werke von Hesse mehrmals gelesen werden können/müssen)

Außerdem mag ich noch sehr gerne Kinderbücher, die sind eine große Inspiration für mich, auch als Erwachsener, Harry Potter zum Beispiel.

Würde ich wohl auch lesen, wenn ich die Zeit (und das Geld) dafür hätte. Zurück zur neben der Literatur wohl wichtigsten Kunstform: kann Musik ein Schlüssel zu den spirituellen inneren Welten sein?

Absolutely. In der Musik sind Künstler und Zuhörer gleichermaßen in den Vorgang (process) der Musik miteingebunden. Nicht wie im Film, wo alles schon vorgegeben ist. Darum ist Musik ein spirituelles Erlebnis und für mich die absolute Kunst- und Ausdrucksform. Sie kann dich in eine andere Welt transportierten und trotz ihrer verschiedenen Ausrichtungen und Auswirkungen universal sein.

essen 29.03.2001 - original zu finden bei www.thetree.de

Das Intro von "Up The Downstair" und die Textfragmente von "Voyage 34 -The Complete Trip" lassen vermuten, daß du zu dieser Zeit eine psychedelische Phase durchlaufen hast. Hast du früher Erfahrungen mit bewußtseinserweiternden Substanzen gemacht?

No. I am interested in drugs, but not in taking drugs. Ich interessiere mich zwar für Drogen, bin aber nicht interessiert daran, welche zu konsumieren. Selbst in meiner Jugendzeit habe ich nichts außer Tabak geraucht. Alkohol ? Äh, ja, das schon (lacht). Natürlich hatte ich auch Erlebnisse, die man vielleicht mit psychedelischen Erfahrungen vergleichen kann, aber eben 'nur' in meinen Träumen, ohne Zuhilfenahme von solchen Mitteln.

Bist du der Meinung, daß vergleichsweise leichte Rauschmittel wie der Hanf weltweit freigegeben werden sollten (...that soft drugs like hemp should be legalized worldwide)?

Ja klar, das wäre in Ordnung, auch wenn es mich selbst ja nicht betrifft. Aber es ist eine persönliche, freie Entscheidung. Ich trinke eben ab und zu Alkohol.

Bier? Whiskey? Wodka?

No, ich trinke lieber Wein.

Glaubst du an eine Art Soundspace-Nirvana jenseits des Todes, (oder unverfänglicher ausgedrückt) hast du dich mit den spirituellen Weisheiten des Buddhismus oder Hinduismus auseinandergesetzt?

Das Problem mit den traditionellen, organisierten Religionen ist, daß es dort zu viel Dogma gibt, zu viele Gebote und Vorgaben. Es gibt sicherlich auch viele positive und sinnvolle Dinge, wenn es darum geht, wie man miteinander leben und umgehen sollte ("Design for living"). Alle Glaubensrichtungen haben sicher ihren Sinn, von jeder kann man etwas lernen. Wenn mich jemand frägt:'Glaubst du an Gott?' , dann antworte ich: Ja, und er ist hier (deutet auf sein Herz), in uns, in jedem. Gott ist das Gute in uns, der Teufel ist das Schlechte in uns! Ich glaube, wir müssen eine Art Equilibrium in uns selbst finden.

Ist das vielleicht mit "Coma Divine" gemeint?

So weit hatte ich bei dem Titel gar nicht gedacht. Ähnlich wie William Burroughs benutze ich manchmal die methodische Art ("methodical way"), Worte zusammenzufügen und dann zu sehen, was für einen Sinn es ergibt - oder auch nicht. So bleibt die Interpretation für jeden offen.

Könnt ihr von den CD-Verkäufen von Porcupine Tree leben ? Wollt ihr mit eurer Musik noch mehr Leute erreichen, oder seid ihr mit eurem Underground-Kultstatus zufrieden?

Wir sind zwar professionelle Musiker, aber noch können wir von den CD-Verkäufen nicht leben. Wir geben Musikunterricht, produzieren andere Bands und halten uns so über Wasser. Zur anderen Frage: No, we want to reach as many people as we can! Wir wollen so viele Leute wie möglich erreichen. Es ist nicht nur wegen des Geldes, es ist einfach natürlich, etwas, wovon man überzeugt ist, mit möglichst vielen Menschen teilen zu wollen. Ich denke, wir können viele Menschen erreichen. Darum arbeiten und touren wir weiter.

Any last words for the soundspace-travellers out there?

Keep an open mind !

". . .and buy the records of Porcupine Tree " füge ich noch hinzu. Wenn die Scheiben in den Mainstream-Läden nicht erhältlich sind, der Bestellungsaufwand lohnt sich. Und wenn die Band bei euch in der Gegend einen Live-Auftritt hat: hingehen, anschauen, anhören. Dort gibt es auch sicher die CDs zu kaufen. Eine ausführliche Porcupine Tree-History findet ihr im 'Eclipsed'-Magazin # 33, 1/2001.

Interview: Eddi
Layout: Martin