Nun werde ich etwas tun, das eigentlich verpönt sein sollte. Dessen ungeachtet
werde ich es trotzdem tun. Ein Mann muß tun, was ein Mann tun muß.
Und zwar. . . . . .den Buchrückentext zitieren! Ein schier unglaublicher
Vorgang, vor welchem man im Grunde die Augen verschließen müßte.
Dies alles allerdings aus gutem Grund, beschreibt dieser doch, präziser
und anschaulicher als ich es könnte, genau worum es in diesem Buch geht...
"Ohne Geld wanderte Michael Holzach durch ein Land, in dem sich alles um
Mark und Pfennig dreht. Angewiesen auf seine Füße, einen guten
Riecher und die mitleiderregenden Augen seines Hundes Feldmann, schlug
er sich durch die Welt der Seßhaften und erlebte die Bundesrepublik
Deutschland aus einer ungewöhnlichen Perspektive: sechs Monate Landstraße,
nicht alltägliche Begegnung mit deutschem Alltag und mit sich selbst,
Abenteuer und Entbehrungen - all das fügt sich im Spannungsfeld von bürgerlicher
Welt, Randgruppen und verlorenen Existenzen zu einem einzigartigen und
spannenden Reisebericht, der sich inzwischen einen festen Platz als Kultbuch
erobert hat."
Dem ist eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen.
Mittlerweile habe ich es zum zweiten Mal gelesen und bin nach wie vor von diesem
hautnah beschriebenen dokumentarischen Reisebericht fasziniert. Eine Frage,
die sich beim Lesen einer solchen Unternehmung unweigerlich aufdrängt,
ist, warum man sich auf so etwas überhaupt freiwillig einläßt,
welcher innere Drang einen Menschen dies auf sich nehmen läßt - all
die Entbehrungen, Mühsal, Erniedrigungen, das den Unbilden der Witterung
ausgesetzt sein... Ich hatte den Eindruck, daß Holzach sich seiner Motivation
anfangs selbst ebenfalls alles andere als völlig klar war. Er war zwar
zuvor jahrelang beruflich mit Randgruppen, zu denen auch die Landstreicher gehörten,
beschäftigt, über die er als Journalist für Zeitungen Sozial-Reportagen
verfasste, doch den radikalen Wechsel der Perspektive, welchen er hiermit für
ein dreiviertel Jahr vollzog, dürften fast ausschließlich persönliche
Gründe notwendig gemacht haben. Gründe, die ich absolut nachvollziehen,
wenn mir auch nicht voll bewußt machen kann. Der Wunsch vielleicht, das
Leben einmal in seiner pursten, ungeschminktesten, unmittelbarsten Form zu erfahren,
oder vielleicht einfach aus bestehenden, einengenden Verhältnissen auszubrechen,
unterwegs zu sein, nicht zu wissen, was der nächste Tag, der nächste
Horizont, die nächste Biegung wohl bringen, für Überraschungen
bereit halten mag - Freiheit und Ungebundenheit also. Vielleicht der Drang,
den Gegensätzlichkeiten der Welt, Freud und Leid, Kontakt und Ablehnung,
Entbehrung und Abenteuer, in größtmöglichster Ausformung und
Lebendigkeit zu begegnen. Ganz so, wie es einmal mehr auch Hermann Hesse in
seiner Erzählung "Narziß und Goldmund" grandios schilderte.
Heimatlos, das sind wir doch alle.
Letztendlich befinden wir alle uns ja gemeinsam auf einer großen, von
vielen Unwägbarkeiten bedrohten Lebensreise, sind die grundsätzlich
ins Wagnis Gesandten, müssen unseren Weg durch viele Entbehrungen und Wirrnisse
hindurch finden, immer auf der Suche nach etwas Glück, Schönheit,
Wahrhaftigkeit, Beständigkeit, Heimat.
Jede unserer Reiseunternehmungen, und sei es nur zum winterlichen Sonnetanken
nach Mallorca, ist ein mikrokosmischer Nachvollzug dieser unserer eigentlichen
Odyssee.
Diese Welt, diese Erde, kann uns letzten Endes kein Zuhause sein, und doch sind
wir hier, durchwandern die Unbeständigkeit, das Veränderliche, um
somit das ungeschriebene Buch der Unveränderlichkeit auszuleben und
zu erfüllen, zu erweitern und bereichern.
Wie erwähnt, ich kann Holzachs Intensionen vollständig nachfühlen,
selbst eine solche Konsequenz für einen Trip wie diesen brächte ich
jedoch nicht auf, das wäre mir persönlich dann doch zu heftig. Gut
also, daß Holzach für alle ähnlich Fühlenden, die auf ein
Mindestmaß an zivilisatorischem Luxus jedoch nicht allzu lange zu Verzichten
in der Lage sind, sich stellvertretend auf den Weg machte und mit uns anschließend
seine Erfahrungen teilte.
Na ja, immerhin bin ich schon mal mit dem Fahrrad gen Karlsruhe geradelt und
nächtigte dabei bei der Hin- und Rückfahrt unter freiem Himmel (die
erste Nacht überraschte mich ein Wolkenbruch, als ich friedlich am Neckar
schlummerte und anschließend kaum noch ein Stück trockenen Stoffes
an mir hatte, die zweite fror ich mir im dünnen Schlafsack den Arsch ab,
so viel also zur Berber-Romantik...!) - immerhin...
Auf Michael Holzachs Buch wurde ich übrigens durch eine vierteilige TV-Serie namens "Zu Fuß und ohne Geld" mit Robert Atzorn in der Hauptrolle aufmerksam, die wirklich ansprechend den Stoff aufbereitete, wenn auch ab und an vom Buch abweichend und dort in diesen Szenen, wie im Medium Fernsehen oftmals anscheinend unumgänglich, leicht plakative oder reißerische Tendenzen offenbarend.
Damit ist die Geschichte aber leider noch nicht zu Ende, denn sie hielt anschließend
einen etwas tragischen wie kuriosen, vom Schicksal selbst inszenierten Epilog
bereit. Denn als bei einem Spaziergang Feldmann, der Hund, der ihn auf seiner
Wanderschaft begleitete, nur etwa ein Jahr später (Mitte der Achtziger),
in einem See oder Fluß zu ertrinken drohte, sprang ihm Michael Holzach
in Rettungsabsicht hinterher - und ertrank dabei selbst...
So jedenfalls habe ich's mal gehört.
Zu Traurigkeit ob dieses Umstandes besteht jedoch kaum Anlaß, denn ich
bin davon überzeugt, er und sein vierbeiniger Freund durchstreiften mittlerweile
wieder so manch elysäische Felder....
- Heiko - 04/01
"Deutschland
umsonst" bei Wikipedia