„Die erste Folge hab ich neunmal gesehen und immer darauf gewartet, dass Zira fragte: „Was, glauben Sie, wird er in der Verbotenen Zone finden, Dr. Zaius?“ Das infrage stehende Gebiet war eine riesige Ödnis, off limits für die intelligenten Schimpansen und kriegerischen Gorillas, die diese auf den Kopf gestellte Welt bewohnten. Als Bright Eyes, der trutzige Astronaut, der auf diesem Planeten gestrandet ist, entkommt Charlton Heston seinen Häschern und reitet in Begleitung der stummen menschlichen Titten-Ilse, die er zu seiner Gefährtin erwählt hat, in die Verbotene Zone. Ihr Pferd trabt über dürre Wüsten und Sandstrände, bis sie auf die halb-beerdigten Reste der Freiheitsstatue stoßen. Als ihm plötzlich klar wird, dass er sich während der gesamten Dauer des zweistündigen Films auf seinem Heimatplaneten befunden hat, sitzt Charlton Heston von seinem Pferd ab und kniet sich in den Sand. „Seid verdammt!“, schreit er, reckt und schüttelt die Fäuste der hitzebläschenverursachenden Sonne entgegen. „Seid alle verdammt und fahrt zur Hölle!““
Diese
Szene kommt in der Neuverfilmung des Klassikers von 1968 nicht vor. David
Sedaris hat seine Eindrücke des „Planeten der Affen“ so in seinem Buch
„Nackt“ beschrieben.
Auch für mich ist der Film Teil meiner Kindheitserinnerungen, denn Mitte
der 80er lief die „Affen“-Reihe samstagabends im ZDF. Auf „Planet der Affen“
folgten „Rückkehr zum Planet der Affen“ (’69), „Flucht vom Planet der Affen“
(71), „Eroberung vom Planet der Affen“ (’72) und „Die Schlacht um den Planet
der Affen“ (73), sowie 1974 eine 14teilige Fernsehserie.
In den Nachfolgefilmen wurde dann die Vorgeschichte erzählt, wie die Affen
die Macht über die Erde erlangten und die Menschen auf das Niveau ihrer,
zur Sprache unfähigen, Steinzeitvorfahren zurückfielen. Leider kann
ich mich nicht mehr so genau an die Inhalte erinnern, ist ja doch schon ein
paar Jährchen her, aber da war irgendwas mit einem Atomkrieg, der der zivilisierten
Menschheit den Rest gab. Die irgendwie fieberhafte, von psychedelischen, manchmal
disharmonischen, Sounds untermalte Grundstimmung des Originals blieb mir jedoch
nachdrücklich im Gedächtnis. Ganz selten werden diese Töne übrigens
auch im Remake zitiert.
Die literarische Grundlage des Films ist der gleichnamige Roman von Pierre Boulle
aus dem Jahr 1963, der aber eher als satirische Parabel verstanden werden wollte.
Schon am Original wurde damals kritisiert, daß die Action-Elemente der
Geschichte betont wurden, im Gegensatz zu Boulle, der in der grotesken Affen-Zivilisation
die menschliche Gesellschaft spiegelte. Georg Seeßlen und Bernt Kling
schreiben dazu in ihrem 1973 erschienen Band „Romantik & Gewalt“. Ein Lexikon
der Unterhaltungsindustrie“: „Die ‚Planet der Affen‘-Filme sind zwitterhafte
und oft widersprüchliche Filme, die den satirischen Ansatz immerhin nicht
vollständig vernachlässigen“.
In der 2001er-Fassung merkt man von Satire nicht mehr so viel. Gut, die Mimik
der Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans wirkt selbst unter den Latex-Masken
erstaunlich lebensecht, besser als noch vor 30 Jahren, und auch die Gestik der
Schauspieler, die sicher lange mit Zoologen zusammengearbeitet haben. Aber das
ist allenfalls komisch.
Die ursprüngliche Anspielung auf die liberalen amerikanischen Intellektuellen
zur Zeit der Rassenunruhen der 60er-Jahre, durch die Darstellung der menschenfreundlichen
Schimpansen, geht 2001 natürlich ins Leere.
Die Menschen können nun übrigens wieder sprechen.
Die männliche Hauptrolle, den gestandeten Astronauten, spielt Mark Wahlberg
(ex-New Kids On The Block, glaub‘ ich) und bleibt eher blaß. Charlton
Heston, der diesen Charakter damals spielte, taucht hier in einer kleinen Nebenrolle
des sterbenden Vaters des Oberbefehlshabers der Affen auf. Ob der fast greise
Heston als Vertreter der amerikanischen Waffenlobby (Stefan meint gar, er sei
Vorsitzender der National Rifle Association) die Ironie in der Szene entdeckt
hat, in der der sterbende Vater, wohl wissend um die vergangene Zivilisation
der Menschen, die Intelligenz, Hinterhältigkeit und Grausamkeit der menschlichen
Rasse seinem Sohn anhand einer geheim gehaltenen rostigen Pistole offenbart?
Wohl
um zu betonen, daß sein Film keine bloße Neuverfilmung ist, hat
Regisseur Tim Burton („Edward mit den Scherenhänden“, „Batman“, „Ed Wood“,
„Mars Attacks“, „Sleepy Hollow“) dem Hauptdarsteller einen neuen Namen gegeben,
nämlich Leo Davidson („Was ist dein Stamm?“ wird er kurz nach der Landung
von den mit Fellen bekleideten Menschen gefragt. Antwort im ernsten Brustton
der Überzeugung: „Mein Stamm ist die US Air Force!“. Mein Gott!), Heston
hieß George Taylor.
Nun, ein wesentlicher Unterschied in Burtons Film ist die Erklärung der
Herkunft der Affenzivilisation auf dem Planeten, der offensichtlich nicht die
Erde ist. Während nämlich Leo Davidson hilflos in seinem vom Mutterschiff
abgekoppelten Raumgleiter in die Zukunft geschleudert wird, stürzt eben
jenes auf den Planeten, auf dem er erst ein paar hundert Jahre später landen
wird. Dabei kommt die gesammte menschliche Besatzung um, und nur die trainierten
Affen, die für Testflüge eingesetzt wurden, überleben und gründen
eine neue Gesellschaft. So spielt den auch der „neue“ Film mit den in der Science
Fiction beliebten Themen „Zeitreise“ (frühes Beispiel: „Die Zeitmaschine“
von H. G. Wells von 1895, verfilmt 1960) und „Alternativwelten“ (genial hier:
„Das Orakel vom Berge“ von Philip K. Dick von 1962 - wenn Hitler den Krieg gewonnen
hätte...), was mich damals als 15-Jährigen zugleich fasziniert und
verwirrt hat.
Es gibt ein, zwei logische Fehler in dem Film, die aber durch eine Fortsetzung
aufgelöst werden könnten. Nach einer solchen schreit nämlich
das Ende von „Planet der Affen“, das für diejenigen, die Charlton Heston
am Strand entlang reiten gesehen haben, nicht ganz unerwartet ist.
Ich hoffe, ich habe die Handlung nun diffus genug beschrieben, um noch jemand
ins Kino oder in die Videothek zu locken. Wenn jemand die fünf alten
Filme bespechen will, möge er oder sie sich bei mir melden.
- Martin - 09/01