“Als ich die Ramones zum ersten Mal sah, dachte ich: Wow, das hier ist
die pure Essenz. Die Ramones haben Schluß gemacht mit dem ganzen Stadionrock-Pomp
und Gitarrengewichse.“
Jim Jarmusch (Filmregisseur)
Ein
Sänger mit einem Schild, auf dem in großen Buchstaben “Gabba Gabba
Hey“ geschrieben steht, ein Schlagzeuger, der mit maximal zwei Taktwechseln
pro Konzert auskommt, dazu ein Bassist und ein Gitarrist, die unermüdlich
zweiminütige Drei-Akkorde-Salven mit einer ekstatischen Energie ins Publikum
ballern, als hätte man sie direkt an ein Kernkraftwerk angeschlossen. Ansagen
gibt´s so gut wie keine, außer „This one is called...“, das klassische
„One-two-three-four“ und am Ende des Gigs ein knappes „Good night!“. Dazwischen
liegen 28 Songs, für die die Band nicht mal eine Stunde benötigt.
1974 gegründet erspielten sich die Ramones die Aura einer lebenden Legende,
sie waren eine jener Bands, von denen man sich irgendwie nie so richtig vorstellen
konnte, daß es sie eines Tages mal nicht mehr geben würde. Auch nach
ihrem Abschied von der Bühne im Jahr 1996 nach insgesamt über 2000
(!) Konzerten bestand immer noch Hoffnung, die Ramones eines Tages mal wieder
live zu sehen.
Nach dem tragischen Krebstod von Sänger Joey Ramone alias Jeffrey Hyman
im April 2001 (nachdem man zwischenzeitlich Meldungen lesen konnte, es ginge
ihm wieder besser) sind alle Hoffnungen jäh verpufft, daß sich das
Punk-Urgestein noch einmal zusammenraufen könnte, um eine, dann wirklich
allerletzte Abschiedstour zu spielen. Was bleibt, ist ein tolles Live-Album,
das so ziemlich alle damaligen Ramones-Hits vereint, die von der Band in erstklassigem
Sound gnadenlos heruntergebolzt werden und die Anfang der 90er erschienene „Loco
Live“-Scheibe recht alt aussehen lassen. Musikalische Schöngeister waren
die Ramones nie, dafür ein Symbol für energiegeladene, knallharte
Rockmusik, die auf Anhieb gute Laune verbreitet und sofort ins Ohr geht. Das
Klischee von den drei Akkorden stimmt schon irgendwie, aber wie viele Bands
haben es schon geschafft, damit zu unsterblich zu werden und auch in späteren
Jahren nicht zu peinlichen Altmännercombos zu mutieren?
Es dürften unzählige Musiker sein, die von den Ramones dazu inspiriert
wurden, eine Band zu gründen, in verdreckten Proberäumen auf Instrumente
einzuprügeln und das Motto „Kunst kommt von Können“ beharrlich zu
ignorieren. Etliche Bands haben Ramones-Songs gecovert oder ihnen gehuldigt
wie die Ärzte („Die Wikingjugend
hat mein Mädchen entführt“ aka „The KKK took my baby away“) oder die
unvergessene japanische Lärmkapelle S.O.B. (RIP, Tottsuan!) mit ihrer enthusiastischen
Version von „Blitzkrieg Bop“, nachzuhören auf der „Osaka mon amour“-EP.
Wer das Original in Hochform erleben will, sollte nach einem alten Beatclub-Mitschnitt
aus dem Jahr 1978 Ausschau halten, der hin und wieder in den dritten Programmen
(N3 etc.) ausgestrahlt wird. Das Programm ist ähnlich wie auf der CD, also
die großen Hits in Überschallgeschwindigkeit auf knapp 45 Minuten
komprimiert. Man muß sicher nicht alle Ramones-Alben sein eigen nennen,
aber dieses hier ist Pflicht! Es mag Leute geben, die zu Recht dem Begriff Kult
sehr kritisch gegenüberstehen, aber wenn Klassiker wie „Pinhead“ oder „Sheena
is a punk rocker“ in angemessener Lautstärke (=maximal) durch die Boxen
donnern, dann ist eines völlig klar: die Ramones waren Kult, sind Kult
und werden immer Kult sein. Adieu Joey!
- Stefan - 09/01
Nachtrag: Am 5. Juni 2002 wurde Douglas Glenn Colvin, besser bekannt unter
dem Namen Dee Dee Ramone, Gitarrist und Bassist bei den Ramones, von seiner
Frau in der gemeinsamen Wohnung in Hollywood leblos auf dem Sofa gefunden,
neben sich ein Spritzbesteck, Inhalt noch unbekannt. Dee Dee Ramone wurde
49 Jahre alt.
Am 15. September 2004 folgte im Gitarrist Johnny Ramone (John Cummings) nach.
Krebs.