Die Wertung gleicht der Einfachheit halber wieder einmal der bei den Movies, zur Orientierung vorangestellt abermals der dazugehörige sternige Bewertungsschlüssel...
* - miserabel
** - akzeptabel
*** - gut!
**** - sehr gut!!
***** - außerordentlich gut!!!
****** - absolut großartig, fantastisch, begeisternd!!!!!!!
Frank Ronan - "Cosmic Dancer"
Anne Rice - "Die Mumie"
Wolfgang Büscher - "Berlin
- Moskau, Eine Reise Zu Fuß"
Thomas Böhm & Jürgen
Stark - "Die Großen Stars Der Popmusik"
Charles Frazier - "Unterwegs Nach
Cold Mountain"
Frank Goosen - "Pokorny Lacht"
Nick Hornby - "31 Songs"
Joachim-Ernst Berendt - "Nada Brahma,
Die Welt Ist Klang"
" Die Fußball-Weltmeisterschaft 2002" - Wolf-Dieter Poschmann (Hrsg.)
Der kleine Coorg respektive Joseph wächst in dem gegensätzlichen
Zwiespalt zwischen freiheitsliebendem, versponnen-mystizistischem Hippietum
in der Kommune seiner Mutter und dem vermoralisierten, frömmelnden Katholizismus
seiner Großeltern - welche ihn mit 6 Jahren in Errettungsabsicht von
dort entführen - auf, und droht mit zunehmendem Alter von den an ihn
gestellten, seine Persönlichkeit grob übergehenden Forderungen in
den Wahnsinn getrieben zu werden.
Ein vergnüglicher wie gleichsam ernsthafter Blick auf das Normale im
Absurden - und das Absurde im Normalen.
Zwar versteigt sich Ronan ein ums andere Mal und mit sichtlichem Behagen in
unzweideutiger satirischer Übertreibung, gibt jedoch nie seine Figuren
der Lächerlichkeit preis. Er betrachtet das Leben und seine zuweilen
extremistischen Ausprägungen durch ein ironisierend-humoreskes Vergrößerungsglas.
Nicht nur, aber eben deshalb bereitete mir die Lektüre einigen Spaß.
Die titelgebende Parallele zu einem Song von T. Rex ist im übrigen kein
Zufall.
****(*)
Dieser Titel läßt einen zunächst einmal unwillkürlich
an die wahrscheinlich unzähligen tumben Streifen Anfang bis Mitte des
letzten Jahrhunderts denken, in denen bandagierte Schauspieler durch billige
Kulissen stapfend, als hirnlose Mumien fürchterliche Rache an den Frevlern
nahmen, die es wagten, die ewige Ruhe des Pharao zu stören. Oder aber
an die gleichnamigen, kürzlichen, aufwendig-poppigen und dennoch nicht
weniger geistlosen Popcornverfilmungen des Stoffes mit Brendan Fraser. Eingedenk
dieser Vorbelastung scheut man sich normalerweise, es auch nur leise in Erwägung
zu ziehen, sich auf das angestaubte Thema einzulassen. Nicht jedoch, wenn
der Name der Autorin Anne Rice lautet. Zwar orientiert sie sich durchaus an
den klassischen Vorlagen und spielt bewußt mit den vielfältigen
Klischeebildern, entreißt sie jedoch der Banalität, erfüllt
stereotype Handlung und Charaktere mit Intelligenz und mit wahrhaftigen Emotionen,
verleiht ihnen dadurch Tiefe wie Lebendigkeit. Ihre Beschreibungen sind von
ausuferndem Detailreichtum und auf eine angenehme Weise "gefühlig", ohne
gleich in völligem Kitsch abtauchen zu müssen, wie sie sprachlich
angemessen zu vermitteln wohl nur dem weiblichen Geschlecht vorbehalten scheint.
Rice bewegt sich bei "Die Mumie" so manchesmal und durchaus mit Absicht nahe
des Grenzbereiches zur Schwülstigkeit, ohne daß man es je als unangemessen
empfände. Sie weiß ihren Hang zur epischen, barocken, vermythologisierten
Liebesgeschichte hier voll auszukosten.
Die Phantastik stellt in ihren Romanen - so auch ihrem bekanntesten und wahrscheinlich
besten, "Interview Mit Einem Vampir" - meist nur die Kulisse. Die Autorin
interessieren inhaltlich vielmehr deutlich und grundlegend die ehernen, monumentalen
Themen des Menschseins an sich: Liebe & Leid, Tod & Unsterblichkeit.
Gerade letzteres erweist sich immer wieder als ein faszinierender Aspekt,
welcher im Rahmen der Geschichte die Erfahrungen und Erinnerungen, die Auswirkungen
auf Persönlichkeit, Denk- und Handlungweise von Personen erforscht, denen
es gegeben ist, nahezu ewig, ruhelos auf Erden zu wandeln. Die Frage, was
geschieht, wenn einer der größten Wünsche vieler Menschen,
nämlich Unsterblichkeit zu erlangen, tatsächlich Wirklichkeit wird.
Für Ramses den Großen, die Titelfigur in "Die Mumie", erweist sich
der anscheinliche Segen als ebensolcher Fluch. Dazu fällt mir spontan
eine gedankliche Parallele des Hesse'schen Märchens "Piktors Verwandlungen"
ein, in dem Piktor zunehmend alt, morsch, unglücklich und apathisch wird,
nachdem er sich auf eine einzige, ihm genehme Daseinsform festlegte, und also
nicht länger Anteil hat, am um ihn herum zauberisch stattfindenden, unaufhörlichen
Fluß der Wandlungen.
Der Buchrückentext geriert sich, wie in so manch anderem Fall, als plakatives,
simplifizierendes und dem Inhalt unrecht tuendes Geblubber. Hier findet sich
allerdings ein kleiner Absatz, der ebenso selbstparodistisch, wie auch unsere
irdene Existenz karikierend und witzig ist, daß ich einfach nicht umhin
komme, ihn zu zitieren: "Der ägyptische Pharao hat vom Wasser des
Lebens gekostet und ist seitdem dazu verdammt, auf Erden herumzuirren, gequält
von einem unstillbaren Verlangen nach Essen, Wein und Frauen."
Ha! Irgendwie fragt man sich daraufhin unwillkürlich: aber geht's
uns denn nicht allen so...?!?
****(*)
Der Titel deutet einmal mehr überdeutlich an, womit wir es hier zu tun
haben. Über drei Monate war Wolfgang Büscher alleine und zu Fuß
unterwegs, von Berlin ausgehend, durch Polen, Weißrussland, die "russischen
Weiten" bis hinein in den pulsierenden Moloch Moskau. Eine nicht eben alltägliche
Erfahrung aus der Perspektive eines heimatlosen Wanderers, eine intensive
Begegnung mit verschiedensten Landschaften, Personen und Bevölkerungsmentalitäten
- und letztendlich, unvermeidlicherweise, ebenso mit sich selbst. Wenn Büscher
auch kaum auf die persönlichen Beweggründe für seinen Marsch
2000 km gen Osten eingeht, dürfte ein Gutteil dem Drang, einen bestimmten
Ausschnitt der Welt, sowie seine eigene Persönlichkeit unter extremen
und völlig unbekannten Bedingungen kennen zu lernen. Zur Illustration
ein kurzer und prägnanter, von ihm gedanklich festgehaltener Augenblick:
"Am Abend verfluchte ich Russland, einer Grobheit wegen oder eines unfaßbaren
Stumpfsinns, und am anderen Tag beschämte mich eine unerhörte Hilfe,
eine wildfremde Gastfreundschaft, ohne die ich es niemals geschafft hätte
bis Minsk und Orscha und Vitebsk und Rudnja und Smolensk und Sofonowo und
Wjasma, bis kurz vor Moskau."
Unterwegs sein.
Unterwegs im Sein.
Auf der Suche.
Der Sehnsucht folgend.
Einem inneren Ruf antwortend.
Alles Vertraute hinter sich zurücklassend.
Ins Unbekannte.
In neue Erfahrungsräume hinein.
Ins Nirgendwo.
Jeder Tag unvorhersehbar,
voller Ahnung,
voller Versprechen,
potentieller Abenteuer.
Voller möglicher Begegnungen im Irgendwo.
Existieren.
In Freiheit,
Ungebundenheit,
offener Weite.
Wenn auch ein solcher Marsch logischerweise recht bald seine eigene Routine
mit sich bringt, der Reiz des Neuen sich an den ständigen Wiederholungen
abnutzt und stumpf wird. Die Möglichkeiten sind völlig andere und
scheinbar reichhaltiger als im Alltäglichen, man sollte dennoch vor allzu
realitätsfernen Romantisierungen versuchen Abstand zu nehmen, ganz klar.
Zwar läßt Büscher es unerwähnt, dennoch bin ich sicher,
daß ihm der dokumentarische Klassiker einer solchen auf das Notwendigste
reduzierten und auf sich selbst zurückweisenden Reise, nämlich Michael
Holzachs irgendwo im Zine ebenfalls kurz besprochenes Buch "Deutschland
Umsonst", bekannt sein dürfte. Es ergeben sich zwangsläufig einige
Parallelen - signifikanterweise üb(t)en beide als Reportagen schreibende
Journalisten den selben Beruf aus -, jedes der Werke vermittelt allerdings einen
eigenständigen Charakter. Die deutlichsten Unterschiede bedingen sich durch
die Konzeption der Mittellosigkeit, auf die Büscher im Gegensatz zu Holzach
verzichtet - selbst wenn er es gleichfalls so manches Mal in einigen Gebieten
schwer hatte, trotz ausreichender Barschaft für Nahrung und Unterkunft
zu sorgen -, die völlig verschiedenen Routenplanungen, und schließlich
die zeitlich veränderten Umstände aufgrund zweier dazwischen liegender
Jahrzehnte, in welchen weltpolitisch ja nun einige Umwälzungen vonstatten
gingen. Wolfgang Büschers eingeschlagener Weg entsprach ziemlich genau
dem, den die Heeresgruppe Mitte damals im Zweiten Weltkrieg nahm. Somit finden
manche der, ihm durch eine nach wie vor lebendige Erinnerung der dort ansässigen
Leute angetragenen Geschichten und Begebenheiten aus dieser verheerenden Zeit,
eingang in sein Buch. Dies vor allem in der ersten Hälfte, allerdings wohldosiert,
ohne aufdringlich oder gar nervig zu werden.
Solche Reiseberichte, solche grenzbereichige Welt- und Selbsterfahrungstrips
faszinierten mich schon seit jeher ungemein. Sie erfüllen eine Art von
Stellvertreterfunktion, sind spannend und anregend, animieren mich jedoch eher
weniger dazu, umgehend selbst Rucksack und Wanderstiefel schnüren zu wollen.
Vor allem, wenn man sich im vornherein bereits beim Auftauchen des ersten größeren,
ans Limit führenden Problems willenlos im Straßengraben verenden
sieht... Muß auch nicht sein. Der mentale Nachvollzug genügt mir
völlig. Zumal Wolfgang Büscher es vorzüglich versteht, seine
Wahrnehmungen realitätsnah, intim, packend und lebendig, angemessen prosaisch,
gelegentlich sogar geradezu poetisch zu schildern und vermitteln.
Mit einem Zitatenbeispiel für letzteres Attribut möchte ich denn diese
Rezension auch beschließen:
"Die Welt war wie gelöscht, nichts störte das Licht der Sterne.
Es fiel nieder wie der zarteste Regen, es lief mir über den Rücken,
über Kopf und Brust. Wäre es jetzt zu mir gekommen, das Ende der Welt,
ich hätte es umarmt wie einen Bruder, wie einen Vater, wie eine Braut."
*****(*)
Wiederum erübrigte sich eigentlich, dem Titel noch eigene Ausführungen
hinzufügen zu müssen.
Ich lasse mich trotzdem hinreißen:
Enthalten sind paar Dutzend meist zwei- bis vierseitige Biographien über
alles und jeden, der in der Popmusik bis Ende der Achtziger (vö des Buches:
1989) Rang, Namen oder tiefreichenden stilistischen Einfluß besaß.
Von Abba bis Zappa, wie man so schön, das Alphabet wie zufälligerweise
gleichsam das kompositorische Spektrum weitgehend abdeckend, zu sagen pflegt.
Nur blieben einem die Gedanken über Frank Zappa letztlich leider verwehrt,
die ich wirklich sehr gerne gelesen hätte, da der ECON Taschenbuch Verlag
respektive dessen Druckerei neun Seiten der das Buch abschließenden
Essays über Stile und Epochen (die Wurzeln des modernen Pop und Rock,
also Soul, Blues, Country, Rock'n'Roll usw. ausgrabend) doppelt abdruckte
- und somit Zappa und der größte Teil des Abschnitts über
Stevie Wonder ("Dunkelheit und Ewiges Licht" betitelt) dran glauben mußten!
Shit happens! Eine solche Schlamperei zieht natürlich den Abzug mindestens
eines halben Sternchens nach sich.
Die Form mag einen sehr ärgerlichen Mangel aufweisen, der Inhalt geht
allerdings voll in Ordnung. Die Autoren mußten sich zwar, wie es in
der Natur der Sache liegt, relativ kurz fassen und auf das Wesentliche beschränken,
die Beschreibungen sind jedoch alles andere als oberflächlich, sondern
sehr trefflich und den jeweiligen Künstlern durchaus gerecht werdend.
Biographische Fakten dominieren zwar, ohne jedoch lyrischen und musikalischen
Aspekten allzu sehr den Raum zu nehmen. Als besonders gelungen bzw. interessant
empfand ich beispielsweise die Kapitel über Jimi Hendrix, Bob Dylan,
Bob Marley oder die Doors. Aber auch die sechs Seiten über Elvis, wobei
in diesem speziellen Fall der Blickwinkel des Autors weniger die stilistische
und kulturelle Wirkung des ersten Superstars der Popmusik beleuchtet (die
ohnehin als hinlänglich bekannt vorausgesetzt werden dürfte), als
vielmehr die im Hintergrund abgelaufene menschliche Tragödie. Während
der King of Rock'n'Roll bei erscheinen des Buches schon zwölf
Jahre zuvor das irdische Jammertal hinter sich gelassen hatte, war Ende der
Achtziger für den ebenfalls relativ realitätsabgewandten Star, dem
man den Beinamen King of Pop verlieh, Michael Jackson, die eigene Welt
noch (mehr oder weniger) in Ordnung. Damals konnte noch niemand den folgenden
kommerziellen Niedergang und die Anklagen wegen angeblicher Pädophilie
vorausahnen. Welche inspirative Bedeutung eine Band namens The Who sowohl
musikalisch, aber auch inhaltlich hatte, zeigt ein kurzer Blick in deren Kapitel.
Noch Jahrzehnte später ließen sich z. B. die Punkrocker The Offspring
dazu hinreißen, mit "The Kids Aren't Allright" eine Einschätzung
mit umgekehrten Vorzeichen der Jugend in den Neunzigern auf den Who-Song "The
Kids Are Allright", der die Sechziger meinte, zu beziehen. Während New
Model Army offensichtlich eine der Aussagen aus dem Stück "My Generation",
nämlich "...things they look awful and cold, hope I die before get old..."
zu ihrem persönlichen Gegenentwurf in "Before I Get Old" bewogen haben
dürfte. Jemand wie Justin Sullivan konnte solch eine, gerade unter Künstlern
jedweder Generation zweifellos ihre Sympathisanten findende Einstellung, wohl
nicht unkommentiert stehen lassen. Diese beiden, durch jenen kurzen Abschnitt
spontan entdeckten Reverenzen, dürften wohl nur zwei kleine Beispiele
unter unzähligen weiteren sein.
Wirklich gutes Buch insgesamt, das zwar mit den letztlich doch aufregenderen,
den im musikalischen Kosmos bereits weitreichend Bewanderten wesentlich mehr
interessierenden subkulturellen Entwicklungen kaum was verbindet - und das
trotz eben dieses Umstands, nämlich ausschließlich die hinlänglichst
bekannten Namen zu featuren, viele schätzenswerte Informationen und anregende
Perspektiven zu bieten versteht. Daß man dabei nicht mit jeder gemachten
Einschätzung einverstanden sein kann, besonders wenn die Subjektivität
mal mehr, mal weniger deutlich durchdringt, versteht sich natürlich auch
von selbst.
****
Der verwundete junge Südstaaten-Soldat Inman hat den Wahnsinn des amerikanischen
Bürgerkrieges nach vier langen Jahren endgültig satt und macht sich
aus dem Lazarett desertierend zu Fuß auf den weiten, beschwerlichen
und wie zu erwarten gefahrvollen Weg seiner Heimat, dem hügeligen Land
unterhalb des titelgebenden Cold Mountain entgegen. Äußerlich wie
innerlich verletzt und vom Krieg gezeichnet, treibt ihn die Sehnsucht nach
Frieden, Geborgenheit, Heilung und der Nähe seiner Geliebten voran.
Währenddessen sieht sich seine Verlobte Ada, die bislang ein priviligiertes,
weitgehend sorgenfreies, städtisches Dasein verbrachte, vor ganz eigene
Herausforderungen gestellt. Nach dem Tod ihres Vaters und Verlust ihres Vermögens,
beginnt sie, notgedrungen und unter Anleitung einer heimatlosen jungen Frau
namens Ruby, die ihr wohlmeinende Nachbarn schicken, ihre verwahrloste Farm
an eben jenem Cold Mountain durch harte aber befriedigende Arbeit wieder herzustellen.
Sie lernt in schrittweiser Anpassung, sowie dem Verstehen der Abläufe
in ihrer unmittelbaren Umgebung, die Natur und das Leben aus einer völlig
neuen Perspektive kennen und schätzen.
"In Adas und Inmans Bewegung aufeinander zu, in der Geschichte ihrer Liebe,
wird der spärlich besiedelte Cold Mountain zu einem mythischen Ort des
Versprechens, zu einem Inbegriff von Heimat, der über alle Zeit hinweg
zu uns spricht."
..meint weiterhin der Klappentext. Viel mehr gibt es nicht zu sagen. Charles
Frazier erschuf mit seinem Debuterzählung ein breit angelegtes Historien-Epos,
fast schon sowas wie eine moderne Version der "Odyssee", in welcher die handelnden
Personen eine innere Wandlung durchmachen, auf ihrer entbehrungsreichen Reise
einander, sich selbst und ihrer Bestimmung entgegen. Und all das ohne je der
Versuchung zu dem Sujet unangemessenen Überhöhungen oder Verklärungen
in den sehr detailreichen äußerlichen und innerlichen Beschreibungen
zu erliegen. Ohne jegliche Stereotypen in Handlung oder Charakteren zu bedienen.
In seiner Realitätsnähe, kraftvollen Bildsprache und Entwicklung
der Figuren könnte man es durchaus mit Kevin Costners "Der Mit Dem Wolf
Tanzt" vergleichen. Obwohl Indianer, gemäß der amerikanischen Historie,
in "Cold Mountain" keinerlei Rolle mehr spielen; zu diesem Zeitpunkt, ca.
1864, dürften Vertreibung und Völkermord an ihnen bereits weitgehend
abgeschlossen gewesen sein. Der Roman läßt in langen rhythmischen
Bögen des Erzählens vor dem inneren Auge des Lesers das Panorama
einer vergangenen Epoche entstehen, sowie die Darstellung zutiefst menschlicher
Begebenheiten und Belange.
Angetan hat es mir besonders die grundlegende Wandlung einer der Nebenfiguren,
nämlich Rubys Vater Stobrod, welche so etwa auf den Seiten 335 bis 344
unvergleichlich beschrieben wird. Dessen bisherige Laufbahn als egomanischer,
trunksüchtiger Taugenichts wird durch eine schicksalhafte Begegnung abgelöst
von der bedingungslosen Hingabe an die Musik und die erfüllende Sinnhaftigkeit,
die er darin findet.
Später steht Stobrod nochmals im Mittelpunkt einer wichtigen, vor allem
in ihrer beiläufigen Selbstvertändlichkeit bedrückenden Szene,
in welcher scheinbar die widerliche, tumbe Barbarei und bedenkenlos angewandte
Gewalt gegenüber Geist und Humanität den Triumpf davonträgt.
Man erfährt durch die Lektüre von "Cold Mountain" außerdem
vollkommen unaufdringlich sehr viel über die damaligen Umstände,
die politischen, wirtschaftlichen, aber mehr noch gesellschaftlichen Ansichten
und Verhältnisse.
Die Erzählung basiert auf den überlieferten Geschichten aus Fraziers
Familie, vor allem jenen seines Ururgroßvaters W. P. Inman, weshalb
gemutmaßt werden darf, daß damit sein Mitteilungsdrang sich bereits
erschöpft haben könnte. Aber man ließe sich natürlich
gerne noch von einem weiteren Buch überraschen. Wer allerdings auch nur
einmal im Leben so etwas wie "Cold Mountain" zustande bringt, kann
selbiges ohne jedes weitere Zutun schonmal als erfolgreich und gelungen betrachten.
Charles Frazier wohnt mit seiner Familie standesgemäß auf einer
Farm in North Carolina und betreibt Pferdezucht. Auf dem Umschlagfoto entspricht
er, man mag mir diese banale Feststellung erlauben, tatsächlich genau
den gehegten klischeehaften Vorstellungen des ursprünglichen, erdverbundenen,
wie auch gedankenvollen und sympathischen Burschen, gerade so als hätte
man ihn in einer Model-Agentur genau dafür gecastet...
Auf die oscarträchtige, mit Nicole Kidman, Jude Law und Reneé
Zellweger hochkarätig besetzte Verfilmung bin ich desweiteren bereits
heute ungemein gespannt.
Ein ganz großes und bewegendes Stück Literatur.
Lesen.
******
Der deutsche Nick Hornby.
Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, diese Rezi lapidar bei
diesem einen Satz zu belassen.
Tu' ich natürlich nicht. Das wäre denn doch zu einfach und kurz
gegriffen.
Der Ausgangspunkt der Story läßt sich leicht in zwei, drei einfachen
Sätzen zusammenfassen: Friedrich Pokorny, ein Kabarettist mittleren Alters
kommt leicht abgespannt nach einer dreiwöchigen Tournee nach Hause und
findet unter der aufgehäuften Post eine Botschaft aus seiner Vergangenheit.
Eine Einladung seines Jugendfreundes Zacher, welchem er den Unfalltod der
Frau vorwirft, in die sie beide in einer fragilen Dreiecksbeziehung verliebt
waren. An diesen Epilog anschließend macht die Handlung einen Sprung
zum Anfang der zerbrochenen Freundschaft und vollzieht deren Entwicklung und
die der Protagonisten nach, bis sie schießlich, wieder beim Ausgangspunkt
angelangt, fortfährt, und sich zum Finale all die zwanzig Jahre lang
unterdrückten, weggeschlossenen Emotionen bahnbrechend entladen...
Das hört sich jetzt wirklich krasser an, als es tatsächlich 'rüberkommt.
Es handelt sich hier weder um einen Thriller, noch ein schwerverdauliches
Drama. Eher um ein sowohl humorvolles, wie ernsthaftes Charakter- und Gesellschaftsportrait.
Goosen versteht es brillant, seinen Figuren seiltänzerhaft gleichsam
mit ironischer Distanz als auch einfühlsamer Nähe zu begegnen. Ebenso
wie sein englisches Pendant Hornby schürft er realitätsnah und meisterlich
die Tiefgründigkeit aus dem Alltäglichen, aus Jugend und Erwachsenwerden,
aus Freundschaft, Beziehung, Familienleben, Beruf. Er stellt den modernen,
zivilisierten Menschen dar, mit all seinen Macken, Widersprüchlichkeiten,
Leidenschaften, Subtilitäten und Grobheiten, Verständigkeiten und
Irrationalitäten, Freuden und Leiden, Zu- und Abneigungen - in all seiner
wunderbar verwirrenden Einfachheit und Komplexität.
Man erkennt sich da durchaus in mancher Situation, in manchem Gedanken wieder,
denkt: ja, kommt mir irgendwie bekannt vor, kommt mir vertraut vor, diese
Ansicht, dieses Gefühl... Mal hätte man in bestimmten Szenen vielleicht
anders reagiert, mal fühlt man sich sogar ein bißchen ertappt,
beziehungsweise an Begebenheiten der eigenen Vergangenheit erinnert. Gerade
weil der Rahmen, die Umgebung und die Personen darin so unspektakulär
realistisch sind, fällt die Identifikation derart leicht, weitreichend
und selbstverständlich aus. Die innere Berührung liegt in der Erforschung
des scheinbar Bekannten.
Das Cover ziert - um dieses kleine Detail zum Abschluß noch herauszugreifen
- das Foto eines Pink Caddillac, welcher in einer vergitterten Garage auf
dem Schrottplatz von Pokornys Vater mehrmals in der Handlung vorkommt und
der, wie man erst in der Schlußsequenz erkennt, als beiläufiger
allegorischer Kommentar zu Friedrich Pokornys mentaler Verfassung interpretiert
werden darf.
"Pokorny Lacht" ist ein wirklich toller Roman, gesegnet mit einem eloquentem
Charme, gelassener Leichtigkeit, feinsinniger Ironie und hintergründigem
Witz.
******
P.S.: Der erste (?) Roman "Liegen Lernen" von Frank Goosen wurde vor ein, zwei Jahren verfilmt und von der Kritik sehr wohlwollend aufgenommen. Er ist, davon gehe ich einfach mal aus, sicherlich ebenso lohnenswert.
Okay, der Name wurde mal wieder genannt. Ich unterlasse nun wohl besser die
Frage ins Ungewisse, wie viele von euch Lesern da draußen meinem ultimativen
Kaufbefehl von vor sechs Monaten nachkamen. Wahrscheinlich kein einziger...
Na schön. Wenn ihr schon mir nicht glaubt, dann vielleicht dem Feuilleton-Typen
der FAZ, der in seiner Rezension - welche ich mit einem freundschaftlich-ironischen
Augenzwinkern in Richtung Regensburg (dort ist der wohl hartnäckigste
"Der Fänger Im Roggen"-Befürworter südlich des Mains wohnhaft)
auswählte - u.a. folgendes meinte:
"Brillante Pop-Essays ... Nick Hornby ist der Holden Caulfield der Popkritik.
Er schreibt mit Mut, Eigensinn und einer gesunden Ignoranz."
Jeder, der Musik mag, wird auch dieses kleine Büchlein mögen.
Versprochen.
Nach wie vor: ******
Ab und an muß man mal wieder auf diesen Klassiker hinweisen.
Wer einmal eine völlig neue Art der Weltwahrnehmung kennenlernen und
der Frage nachspüren möchte, warum wir die in unserer menschlichen
Musik waltenden Harmonien als etwas Spirituelles und Universelles empfinden,
dürfte hier fündig werden.
Berendt integriert und versöhnt, in seinem philosophischen Exkurs durch
alle denkbaren geistigen Disziplinen, Wissenschaft, Religion und Kunst.
******
Schon wieder was über dieses doofe Spiel? Ja, irgendwie schon. Ich verspreche,
dieses eine Mal laß' ich's nochmal so richtig laufen - und verliere
anschließend kein Wort mehr darüber, okay?
Wie fast schon zu erwarten, wird dieser Rückblick auf eine wahrlich erinnerungswürdige
Weltmeisterschaft vor allem von vielfältigem Bildmaterial in allen erdenklichen
Formaten (nicht selten über ein, zwei Seiten gehend) geprägt. Etwas
zu sehr möglicherweise, jedenfalls für meinen Geschmack, da die
eigentlichen Spielberichte zwar durchaus kompetent verfaßt wurden, aber
letztendlich ein bisserl' zu kurz und oberflächlich gerieten. Das Fabulieren
über einzelne Spielsituationen hätte gegenüber den mannigfaltigen,
natürlich grundsätzlich ebenfalls willkommenen Schnappschüssen
ruhig großzügigeren Raum einnehmen dürfen. Auch ein nahestehender
Freund (Soulmate) von mir, der über eine Woche in meinem irdischen Domizil
zu Besuch weilte - und in diesem Moment zufälligerweise selbst ein höchst
detailiertes Memorandum, bereichert durch einige philosophische Exkursionen,
der WM 2002 fertigstellen konnte -, zeigte sich ein wenig enttäuscht
von den dürftigen Zusammenfassungen, in welchen beispielsweise äußerst
selten mal die Entstehung eines Tores beschrieben wird. Sowas gehört,
unserer bescheidenen Meinung nach, einfach unabdinglich dazu.
Gut hingegen fand ich die Seiten mit den Mannschaftsvorstellungen, mit erinnerungsbegünstigenden
Namen und Portraitfotos eines jeden Spielers. Gleich daneben befindet sich
ein einseitiges Essay eines Botschafters des jeweiligen Teilnehmerlandes,
welcher dessen Charakter kurz vorstellt. Sicher interessant und aufschlußreich,
einen tiefer gehenden Eindruck der Einstellung zum Spiel, sowie der allgemeinen
Mentalität des jeweiligen Volkes vermittelnd - ich hab's mir jedoch bräsiger-
und ignoranterweise geschenkt. Da war ich denn doch zu faul, um mich mit diesen
32 Beiträgen zu beschäftigen. Irgendwann vielleicht mal... Genauso
verhielt es sich mit dem abschließenden "Tagebuch der deutschen Mannschaft",
das auf mich keinen wirklich zwanghaften Drang zum Nachvollzug auszuüben
vermochte.
Dennoch für jene Leute, welche - wie wir... - längst und unrettbar
der Fußballsucht erlegen sein sollten, und die letzte WM in Japan &
Süd-Korea vor fast zweieinhalb Jahren in all ihren Facetten miterleben
und genießen konnten, selbstverständlich keine Zeitverschwendung
in dieser Rückschau mal ein wenig zu blättern, zu schauen, zu schmöckern,
sich zurückzubesinnen...
***(*)
Mit absoluter Sicherheit kann ich's nicht sagen, doch ich glaube, es war der
legendäre Sepp Herberger, welcher auf die Frage eines Journalisten, was
denn nun eigentlich die Faszination des Fußballs ausmache, und weshalb
soviele Leute allwöchentlich immer wieder auf's neue ins Stadion pilgern,
lapidar und mit sicherem Gespür für's Wesentliche antwortete: "Weil
niemand im voraus weiß, wie es ausgeht...!". Und, möchte man hinzufügen:
Weil niemand im voraus weiß, was denn so alles währenddessen passieren
wird. Denn auch der Weg ist das Ziel. Das Ergebnis mag
entscheidend sein, doch der, ebenso wie dessen Ausgang, unvorhersehbare Verlauf
eines Spieles, die möglichen Überraschungen und Wendungen, die es
bereit halten mag, sind von vergleichbarer Wichtigkeit.
Spektakuläre Tacklings, ansehnliche Kombinationen, spannende Standards,
tolle Paraden, beiläufig eingestreute technische Finessen, strittige Situationen,
aufregende Duelle, hinreißende Dribblings, schließlich die unterschiedlichsten
Spieler- und auch Trainercharaktere usw. usw. usw. - das Spiel hat so viel mehr
zu bieten als "nur" seine Tore beziehungsweise das nackte Endergebnis. Man kann
sich, von den unvermeidlichen Längen einmal abgesehen, sowie natürlich
an den Aufsehen erregenden Szenen, oftmals auch an den unzähligen Kleinigkeiten
und scheinbar nebensächlichen Details erfreuen.
Es kommt schon mal vor, daß eine Partie sich wirklich geduldstrapazierend
träge dahinschleppt, wenn beide Mannschaften sich neutralisieren und es
nicht wagen, aus dem engen, zwar Sicherheit und Stabilität, in negativer
Hinsicht jedoch Langeweile und drohenden Stillstand verleihenden Korsett der
vorgegebenen abwartenden und -sichernden Taktik auszubrechen. Selbst wenn etwa
in den ersten 45 Minuten nicht viel Aufregendes geschieht, die Zeit einfach
nur ereignisarm und ergebnislos verstreicht, die Teams kaum mehr als ödes
Mittelfeld-Geplänkel bieten, kann ein laues Match in der zweiten Halbzeit
durch eine plötzliche, vielleicht gar schöne Kombination oder Einzelaktion
und einen daraus resultierenden Treffer kippen, kann an Dramatik, Tempo, Spielwitz
gewinnen, völlig aus sich herausgehen und in ein kaum mehr erwartetes,
funkensprühendes Ereignis verwandelt werden. Da faßt sich möglicherweise
einer mal ein Herz und riskiert etwas oder hat einen spontanen Geistesblitz,
und schon ist die vorhergehende Lethargie wie weggeblasen. Die sträflich
vernachlässigte Kreativität bricht durch. Genau dasselbe ließe
sich über das Dasein des Menschen sagen - auch insofern bietet Fußball
eine durchaus brauchbare Metapher für das Leben an sich. Dieses mag weitstreckig
mal wenig Auf- oder Anregendes zu bieten haben, und doch bleibt man am Ball,
und doch überwindet man, wieder und wieder, die lähmenden Umstände
und folgt geduldig, beharrlich seiner vorgezeichneten karmischen Linie. Denn
man fragt sich natürlich unablässig, wohin einen die eigene persönliche
Entwicklung wohl noch führen wird, und was denn die nächste Wegbiegung,
der nächste Horizont, die nächste Situation für einen bereit
hält. Man ist halt immer neugierig, man will immer wissen, was der nächste
Tag, was die nächste Begegnung, was das nächste Spiel wohl so mit
sich bringen mag... Und man möchte keinesfalls versäumen, daran teilzuhaben.
Fußball symbolisiert also nicht allein den miniaturisiert dargestellten
Kampf ums Dasein, Sieg und Niederlage, die Gegensätzlichkeit zwischen Jubel
auf der einen und Niedergeschlagenheit auf der anderen Seite, die eigene Einstellung
zu Wagnis und Risikobereitschaft oder aber Verhaltenheit und Zurückgezogenheit,
sondern ebenso all die differenzierten Variationsmöglichkeiten, all die
verschlungenen wie unvorhersehbaren Wendungen und potentiellen, ausgestreuten
Gelegenheiten des Schicksals, die unseren Weg durch Zeit und Raum letztendlich
so spannend machen. Außerdem kann einem der Sport im allgemeinen (als
emsiger TV-Athlet gibt man sich dann und wann auch mal ein Tennis- oder Basketball-Match)
in jeglicher seiner zwar kämpferischen, rivalisierenden, grundsätzlich
aber zivilisierten Formen zu immensen Gefühlsausbrüchen, zu einer
in höchstem Maße gesteigerten Lebendigkeit verhelfen, die im Alltäglichen
nur selten oder niemals zu erreichen sind. Egal ob im Stadion oder Zuhause,
ob selbst spielend oder zuschauend, kann der sportliche Wettbewerb gelegentlich
einen, respektive viele Menschen gemeinsam, in blitzhafte, regelrecht orgasmische
Momente hinein führen, und den Einzelnen in zeitenthobene Zustände,
wie er sie vielleicht allenfalls als Kind schonmal erlebt haben dürfte.
Zustände des vollkommen fokussierten Hier und Jetzt, ganz so, als befände
man sich
-
in diesem und nur in d i e s e m Augenblick! -
nirgendwo sonst, als im Innersten, im Zentrum des Universums.
Abschließend kommt mir noch ein in seiner Schlichtheit genialer Spruch aus einem wirklich tollen Film (in dem der Golfsport eine wichtige Rolle einnimmt) ins Gedächtnis, welcher zur Abrundung zitiert sei:
"Es heißt,
am glücklichsten
sei der Liebe Gott,
wenn seine Kinder
spielen."