Zur Rubrik "Musikmacher"
Kommentieren
Zur Hauptseite
Zur Hauptseite
Worum's geht...
Hören
Bewegte Bilder
Lesen
Anderes

[To English version!]

Es mag ein bisschen verrückt erscheinen, 7 1/2 Stunden mit dem Zug zu einem Festival zu reisen, nur um eine Band live spielen zu sehen, die noch nicht einmal ein Album veröffentlicht hat, aber in diesem Fall hat es sich als die absolut richtige Entscheidung herausgestellt.

Es war gerade mal ungefähr einen Monat vor dem Konzert gewesen, dass mir jemand die norwegische Folkrock-Band Bergtatt empfohlen hatte. Nachdem ich mir die Songs auf ihrer Myspace-Seite angehört hatte, war ich sofort auf positive Weise überrascht - etwas, das heutzutage leider nur noch selten passiert.

Die Musik erinnerte mich an zwei meiner skandinavischen Lieblingsfolkrock-Bands, nämlich die (aufgelöste) norwegische Band Gåte und die schwedische Band Garmarna, was allerdings nicht bedeutet, dass Bergtatt wie Kopisten einer der beiden klingen.

Ungefähr drei Wochen vor dem Konzert las ich auf Bergtatts Myspace-Seite, dass sie beim Nordklangfestivalen in Sveits am 7. Februar spielen würden. Da das Eintippen "Nordklangfestivalen" und "Sveits" bei Google Null Treffer ergab, versuchte ich es stattdessen mit "Nordklangfestival" und "Schweiz" und fand somit heraus, dass das Festival in St. Gallen stattfinden würde. Nachdem ich nach den Zugverbindungen und den Veranstaltungsörtlichkeiten des Festivals geschaut hatte, entschied ich mich spontan, zu diesem Festival zu fahren. Der Umstand, dass das Konzert an einem Samstag stattfinden würde, so dass ich keinen Urlaub nehmen musste, um es zu besuchen, machte meine Entscheidung einfacher, ebenso wie der Umstand, dass zwei attraktive Damen in dieser Band sind, nämlich die Sängerin Marianne Lia und die Geigerin Marie Forr Klåpbakken.

Glücklicherweise gab es an dem Tag, als ich nach St. Gallen fuhr, keine großen Verspätungen, so dass ich trotz dreimaligen Umsteigens keinen Zug verpasst habe.

Nach meiner Ankunft in St. Gallen habe ich in meinem Hotel eingecheckt und danach den Weg zu dem Auftrittsort, wo Bergtatt spielen würden, erkundet, was gerade mal einige hundert Meter vom Hotel entfernt war.

Nachdem ich etwas gegessen hatte, wollte ich zum Büro der Festivalorganisation gehen, um dort meinen Festivalpass abzuholen (bei dem es sich tatsächlich bloß um ein Armband handelte). Auf dem Weg zum Büro kam ich am Dom vorbei, wo die Abendmesse gerade begonnen hatte. Da es noch früh war - halb sechs -, entschied ich mich, die Abendmesse zu besuchen. Nachdem sie vorbei war und ich gerade den Dom verlassen hatte, um zum Büro zu gehen, sah ich fünf Leute die Straße entlang in meine Richtung kommen, drei Typen und zwei junge Frauen. Ich hatte die Gesichter schon irgendwo zuvor gesehen, und als sie an mir vorbeigingen, hörte ich, dass sie sich in Norwegisch unterhielten, woraufhin ich mich umdrehte und fragte, ob sie Bergtatt aus Norwegen seien. Natürlich waren sie es. Es war nur ein kurzes Zusammentreffen (da sie auf dem Weg zu ihrem Hotel waren, um noch etwas zu üben), aber eines, welches es einfacher machen würde, sich beim Konzert zu erkennen.

Gegen halb acht ging ich zur Grabenhalle - einer der vier Veranstaltungsorte des Festivals und derjenige, wo Bergtatt spielten.

Die erste Band, die um acht Uhr begann, waren Montys Loco aus Schweden. Während mir das Livekonzert schon irgendwie gefiel, war die Musik doch nichts, was ich mir auch zu Hause anhören würde.

Schließlich, etwa gegen viertel vor zehn, kamen Bergtatt auf die Bühne und begannen nach einem Orgelintro mit ihrem Song "Ægir", den ich bereits von ihrer Myspace-Seite her kannte. Während der ersten Hälfte des Konzertes konnte ich mich nicht so auf die Musik konzentrieren, wie ich es gerne getan hätte, weil ich Fotos gemacht habe. Gleichwohl hat mir das, was ich hörte, wirklich gefallen, einige mir unbekannte Songs bzw. Teile davon sogar mehr als das, was ich bereits auf der Myspace-Seite gehört hatte. Bei ein oder zwei Songs - ich erinnere mich nicht an die Titel, da ich die Songs zuvor noch nicht gehört hatte - erinnerte mich der Orgelsound an Prog Rock aus den Siebzigern. Ich hätte nichts dagegen, mehr davon auf künftigen Alben zu hören, da mir dieser Sound wirklich gefällt (obwohl ich nie ein großer Prog-Rock-Fan gewesen bin). Auch sehr gefallen haben mir die Gitarrensoli bei einigen Songs. Ich hoffe, es wird mehr davon auf künftigen Alben geben. Die Sängerin Marianne hat eine gute und kräftige Stimme und sie ist - genau wie die Geigerin - eine Augenweide.

Im Verlauf des Konzertes spielte Marie auch zwei Instrumentalstücke auf ihrer Geige, was beim Publikum sehr gut anzukommen schien - wie der gesamte Auftritt überhaupt. Ich würde sagen, dass schätzungsweise 200 bis 300 Leute Bergtatts Auftritt verfolgt haben. Während einiger der härteren, in Richtung Metal gehenden Songs schienen zwei Metalfans in der ersten Reihe richtig auszurasten und schrien sowas wie "Norwegian death and black metal", begannen mit Headbanging und sogar etwas Luftgitarrenspiel.

Während die letzten Songs gespielt wurden, tanzten auch einige Leute vor der Bühne. Die Menge hatte offensichtlich viel Spaß, ebenso wie die Band selbst. Nachdem sie etwa eine Stunde gespielt hatten, waren Bergtatt die Songs ausgegangen, weshalb sie bei der Rückkehr auf die Bühne für eine Zugabe nochmals den Song spielten, mit dem sie ihr Konzert begonnen hatten, nämlich "Ægir". Unglücklicherweise aus der Sicht der Band fand das Konzert ungefähr zwei Wochen vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin ihres Debütalbums in Norwegen statt. Es gab daher weder CDs noch irgendeine Art von Merchandise. Aber ich glaube, dass diejenigen, denen das Konzert wirklich gefallen hat - und davon gab es offensichtlich eine ganze Reihe -, Wege finden werden, an ein Exemplar des Debütalbums zu kommen, sobald es veröffentlicht ist.

Nach dem Konzert hatte ich die Gelegenheit, mich mit dem Gitarristen John Stenersen mindestens eine halbe Stunde (oder war es länger?) zu unterhalten. Es war eine interessante Unterhaltung über Musik, und sich mit jemandem zu unterhalten, der zumindest einige deiner musikalischen Interessen teilt, macht immer Spaß. Es stellte sich heraus, dass John ein großer Fan von Mari Boine ist, so dass das spezielle Geschenk, welches ich mitgebracht hatte, einfach perfekt zu sein schien.

Nach der letzten Band Vincent Van Go Go aus Dänmark, deren Mix aus Reggae- und elektronischer Musik nicht wirklich mein Fall war, wurde ich Backstage eingeladen und erhielt auch die Gelegenheit, mich mit den anderen Mitgliedern von Bergtatt zu unterhalten, wobei ich herausfand, dass jeder von ihnen zumindest eine meiner Lieblingsbands/-sängerinnen mag. Zum Beispiel mag Orgelspieler Lars Henrik Johansen, der übrigens auch recht gut Deutsch versteht und spricht, Kari Bremnes, Schlagzeuger Vegar Carlsen scheint der "Old School" (Thrash) Metal Fan in der Band zu sein - Alben und Bands wie Holy Moses' "Finished With The Dogs", Forbidden, Testament, Death Angel, Mekong Delta und Anacrusis' Debüt (er hatte noch keines ihrer anderen Alben gehört - das muss ich ändern) kamen während unserer Unterhaltung zur Sprache. Bassist Jens-Erik Aasbø, der auch Bass singt (allerdinges - noch - nicht in der Band), gab sich als großer Fan von Emma Härdelin (Garmarna, Triakel) und The Third And The Mortals "Sorrow" und "Tears Laid In Earth" zu erkennen und Gitarrist Rolf-Erik Solstad Karlsen stimmte mit mir darin überein, dass Metallicas "Ride The Lightning" immer noch ein exzellentes Album ist. Was Marianne und Marie betrifft, werde ich hoffentlich noch eine weitere Gelegenheit bekommen herauszufinden, ob wir auch einige Lieblingsbands/-sängerinnen gemeinsam haben.

Etwa gegen viertel vor zwei beschloss die Band zur "Artists' Lounge" aufzubrechen und ihr Schlagzeuger lud mich ein mitzukommen, damit wir unsere - zumindest aus meiner Sicht - interessante Unterhaltung über unsere Lieblingsmusik fortsetzen konnten.

Vielleicht auch infolge der Tatsache, dass sie schon etwas Bier, Wein und andere alkoholische Getränke genossen hatten, wurde ich Zeuge einer improvisierten Tisch-Trommel-Session, bekam einen Kanon des mir bislang unbekannten deutschen Liedes "Mein Hahn ist tot" zu hören ebenso wie die norwegische Version von "Alle Vögel sind schon da" und eine Acapellaversion von "Lay All Your Love On Me" (nur der Refrain), dargeboten von Marianne und Marie.

Gegen vier Uhr morgens, als die "Artists' Lounge" schließen musste und die Bandmitglieder beschlossen, einen anderen Ort aufzusuchen, an dem noch Bier zu bekommen war, entschied ich mich, zurück zu meinem Hotel zu gehen, da mein Zug nach Hause in ungefähr sechs Stunden abfahren würde. Mein letzter Kontakt zu einem der Bandmitglieder war eine Umarmung von Marie - kann man sich mehr wünschen?

Leider ist es mir nicht gelungen, noch richtigen Schlaf zu finden, sondern ich habe nur ca. 3 1/2 Stunden gedöst, teils aufgrund meiner Sorge, zu spät aufzuwachen und dann meinen Zug zu verpassen und teils aufgrund all der Dinge, die mir noch durch den Kopf gingen wegen der Eindrücke des Konzertes und wahrscheinlich noch mehr wegen der interessanten Unterhaltungen, die ich in den vier Stunden zuvor gehabt hatte.

Obwohl ich auf dem Rückweg nur einmal umsteigen musste, hat meine Rückfahrt dank eines Betriebsschadens der Lok neun statt acht Stunden gedauert. Trotz der Tatsache, dass ich nun, da ich dies schreibe, sehr müde bin, muss ich sagen, dass diese Erfahrung - nicht nur das Konzert, sondern vielleicht sogar noch mehr die intensiven Unterhaltungen über Musik mit gleichgesinnten Leuten - definitiv die insgesamt 16 1/2 Stunden Reisezeit innerhalb von zwei Tagen und den kaum gefundenen Schlaf wert waren.

Um es auf Norwegisch zusammenzufassen: Det var en grisefantastiske opplevelse som jeg aldri skal glemme! (Ich hoffe, ich habe diesen Satz richtig hinbekommen.)

- Burkhard - 08. Februar 2009

Und hier noch eine kleine Bildergalerie vom Konzert: