"Any attempt to reproduce these musical statements in our own words is
necessarily doomed to failure."
(Aldous Huxley)
Ein wilder Ritt durch die Ewigen Jagdgründe der Pop-Musik
Teil 2
(btw: die Kategorisierung unter dem jeweiligen Bandnamen wird kurzerhand bei last.fm 'rüberkopiert - diese so genannten "Tags" sind von den Hörern generiert und meist passend, warum also nicht)
New Century Classics - Natural Process (2009)
>>> post-rock, polish, instrumental, post rock, indie <<<
Ganz lässig neben Riverside die beste Band, die je aus unserem Nachbarland
Polen an mein Gehör drang. Filigraner, feinsinniger, verspielter Post
Rock, welcher sich am melodiösen Ende des Spektrums heimisch fühlt.
Und, holy shit, was uns hier für wundervolle Melodien geboten
werden!! Meist steht die vielfältige Gitarre im Vordergrund mit ihrem
betörenden Picking, flirrenden Tremolos, packenden Riffings, immer jedoch
in traumwandlerischem Zusammenspiel mit gelegentlich hineinperlendem E-Piano
oder Glockenspiel, einem sachdienlichen Bass, einem behende tänzelnden
Schlagzeug - und, vor allem, dieser unvergleichlich anmutigen Violine. Mein
Gott, diese Violine!! Was alleine letzere an unvergänglichen ätherischen
Leads himmelwärts steigen läßt, scheint allein dazu erschaffen,
um elysäische Gefilde zu reflektieren...!
Die Spannungsaufbauten und Aufwallungen gehen niemals in den roten Bereich,
es wird niemals wirklich zügellos abgerockt - und dennoch ist nahezu
jeder einzelne der zwölf Songs mitreißend und dynamisch, viele
durchlaufen rhythmische Metamorphosen, befinden sich in einem steten Fluss
der Wandlung.
Alles, restlos alles an diesen lichtdurchdrungenen Kompositionen sagt schlicht
und ergreifend nur eines: JA.
Alles ist gut wie es ist, flüstern sie dem geneigten Hörer zu. Nicht
naiv und weltfremd, sondern abgeklärt, verständig, weise. Sie ruhen
im Einverstandensein.
Der Grundton bleibt dem entsprechend stets optimistisch und heiter, keinerlei
Schmerz, Schwermut oder Aggression sind zu vernehmen und alle Unreinheiten
ausgebrannt (Vorsicht: Anspielung). Die innewohnende Absicht der Musik ist
allein die Zelebrierung von Erlebensqualität und Daseinsfreude.
Ein zuviel an Bedeutung aufladen möchte ich nun andererseits auch wieder
nicht, aber, Mann, dies ist zweifellos eines von diesen schätzungsweise
42 mal 42 Alben für die Ewigkeit.
Beach House - Devotion (2008)
>>> dream pop, indie pop, indie, lo-fi, dreamy <<<
Das höre ich mir kein zweites Mal an.
3epkano - At Land (2007)
>>> post-rock, instrumental, experimental, contemporary classical,
irish <<<
Eingängig und experimentell zugleich.
Ungemein geschmack- und kunstvolle Melange aus klassischer Kammermusik und
zumeist sekundären (post-) rockigen Elementen, welche bei diesem von
allen Alben noch am prägnantesten zum tragen kommen.
Fragil und anrührend. Existenzüberdrüssig und doch im Kern
optimistisch.
Das Ensemble vertont übrigens live in Kinovorstellungen Klassiker aus
der Stummfilmzeit; Plattenaufnahmen sind im Rahmen ihres Wirkens scheinbar
eher ein Nebenprodukt.
Hier ein detailierter
Bericht eines Augen- und Ohrenzeugen von The Silent Ballet.
Thee Silver Mt. Zion Memorial Orchestra - Kollaps Tradixionales
(2010)
>>> post-rock, experimental, instrumental (??), ambient,
post rock <<<
Um der alten Zeiten willen wollte ich anläßlich des neuen Werkes
von Thee Silver Mt. Zion die Gelegenheit wahrnehmen, vielleicht doch noch
zu einem überzeugten Mitglied der Post-GY!BE-Gemeinde zu konvertieren.
Leider, leider, leider produziert die Band, so wie die ganzen letzten Jahre
schon, abermals bestenfalls Mittelmaß. Wie gesagt: bestenfalls. Das
liegt vor allem, aber nicht ausschließlich, an Efrims katastophalem
Gesang, der immer klingt, als ob der Gute sich zuerst mit irgendwelchen sinnevernebelnden
Substanzen zudröhnen würde, bevor er sich im Studio oder auf der
Bühne ans Mikrophon begibt. Zudem, und diese Erkenntnis kam neu hinzu,
ist er ein äußerst mäßiger Gitarrist. Dieser Umstand
fiel im großen Kontext des GY!BE-Kollektivs kaum auf, seine kantig-dissonanten
Einwürfe sorgten vielmehr für reizvolle Kontrastpunkte. Jetzt, da
die mittlerweile vereinzelte Gitarre neben der Stimme im Vordergrund steht,
potenzieren sich die tonalen Kollateralschäden ins Unübersichtliche.
Das hier ist nicht gewollt verschroben, ungelenk und grobkörnig - er
kann's halt einfach nicht besser.
Kompositorisch ist auch wenig Positives zu vermelden. There Is a Light
ist noch ein sehr ordentlicher Opener und hätte, in den richtigen Händen,
das Zeug zum ehrfurchtgebietenden Epos. I Built Myself a Metal Bird
spacerockt ganz nett vor sich hin, während das einzig wirklich Erwähnenswerte
am dreiteiligen Titelstück ist, daß für das melodische Grundthema
eigentlich Tantiemen an Simon & Garfunkel fällig wären, da man
sich hier doch recht augenfällig bei Scarborough Fair bedient.
‘Piphany Rambler schließlich steigert sich eine geschlagene Viertelstunde
in dieses band-typische, abgeschmackte, unselig-rührselige Pathos hinein,
und bleibt dabei eine einzige kompositorische Belanglosigkeit.
Was mir unverständlich erscheint, ist die nach wie vor enorme Resonanz
in den Medien für diese Band, während andere, die solche Aufmerksamkeit
- aus meiner Sicht, klar - weit eher verdient hätten wie etwa Gregor
Samsa, New Century Classics, I Hear Sirens, Sunwrae, 3epkano, Her Name is
Calla, nur, um exemplarisch einige wenige Namen zu nennen, total untergehen.
Nun. Bevor sich dieser Absatz abermals zu einer TSMZ- Schmähschrift auswächst
(zu spät, ich weiß...), will ich mit dem pointierten Zitat eines
Users aus dem Forum von After The Post Rock schließen:
"I really want to get past the vocals, but I just can't. The music in There
Is A Light is absolutely magnificent...but the second he starts singing, it's
a bit ruined. I really want to like them but I wish he'd just stfu and play."
Leech - The Stolen View (2007)
>>> post rock, psychedelic, instrumental, progressive, progressive
rock <<<
Irgendwo im stilistischen Spannungsfeld zwischen Post- und Space-Rock würde
ich dies verorten wollen. Vereinzelt haut man zudem gerne mal ein wuchtiges
Stoner-Riff aus den sechs Saiten, wie etwa mittig des finalisierenden mächtigen
Soundclusters, dem zwanzigminütigen Totem & Tabu. Einfach
nur (welt-)überragend!!
Die vorhergehenden Alben konnten mich, auch wegen der eher dürftigen
Produktion, weit weniger beeindrucken, aber was die Schweizer auf ihrer letzten
Schöpfung ablassen ist großartig, teilweise atemberaubend. Vor
allem die beiden ersten Stücke Silent State Optimizer und The
Man With The Hammer entwickeln eine irre Sogwirkung, reißen einen
immer wieder auf's neue mit sich. Da steckt vieles von dem drin, was gitarrenbasierte
Rockmusik so reizvoll macht, meisterhaft zelebriert.
Emotional, ätherisch, hypnotisch, monumental, majestätisch, schwankend
zwischen den dialektischen Polen Kontrolliertheit und Entfesselung.
U2 - No Line On The Horizon (2009)
>>> rock, classic rock, irish, pop, alternative <<<
Jep, da hat der selbsterklärte Streiter für alle Unterdrückten
dieser Welt, der unermüdliche Verfechter von Freiheit und Menschenrechten
doch mal einen rausgehauen und sich dabei ein wenig selbst in Mißkredit
gebracht. Bono betrachtet mit scheinbar wachsendem Unmut die anarchistische
Piraterie kreativen Eigentums, welche seit einem Jahrzehnt im Internet marodierend
ihr unreguliertes, verbrecherisches Unwesen treiben darf. Als mögliches
probates Lösungsmodell bezieht er sich in einem Essay auf das staatliche
Überwachungssystem in China. Jawoll, ganz genau Bono: was in der bürgerrechtlichen
Oase China möglich ist, sollte doch dem Rest des Planeten nicht dauerhaft
vorenthalten werden! Geben wir unseren eigenen Regierungen einfach noch etwas
mehr Kontrolle über unser Leben als sie sich eh schon von selbst anmaßen,
geben wir ihnen noch mehr orwellianische Bespitzelungstechniken und Sperrbefugnisse,
um das leidige Problem der Musikpiraterie in den Griff zu bekommen! Natürlich
in der beruhigenden Annahme, daß diese, einmal installiert, sicherlich
niemals mißbraucht und willkürlich verwendet werden würden.
Schon klar.
Ein hübscher Artikel
von Techdirt zum Thema.
China wurde kürzlich erstaunlicherweise von den verschiedensten Seiten
als wünschenswertes Vorbild proklamiert. Vor allem wahrnehmbar im propagandistischen
Windschatten der Klimakatastrophen-Hysterie. Da hieß es, frei übersetzt
jedoch ohne Interpretationsspielraum, mit einer zentralistisichen Planwirtschaft
und ohne die dumme Bevölkerung in einem demokratischen Prozess miteinbeziehen
zu müssen, ohne sich mit einer lästigen Opposition in argumentaiven
Debatten auseinandersetzen zu müssen, könne man zeitnah alle zur
dringlichen Rettung unseres Planeten notwendigen Maßnahmen umsetzen.
Wäre das im Angesicht des Armageddon denn nicht gerechtfertigt? Warum
nicht zumindest nachdenken über ein "kleines bißchen Diktatur"
zur Rettung der Menschheit?
Dann könnte man Dinge wie Umweltvorgaben und -steuern, und gleich auch
noch andere nützliche Regularien wie Netzsperren & Unterdrückung
der Meinungsfreiheit, umfängliche Datenerfassung aller Bürger, und
eine allgemeine drakonische Gesetzgebung losgelöst von geltenden Grundrechten
ungehindert einführen, wie auch die produktive Tätigkeit oder die
Fortpflanzung der Menschen zentralistisch steuern.
Das machen die.
Wenn man sie läßt.
Da kommt mir ein Zitat des honorigen und allseits beliebten George W. Bush
in Erinnerung, der sinngemäß sagte eine Diktatur würde alle
Entscheidungsprozesse vereinfachen und beschleunigen, wäre eine um so
vieles effizientere Regierungsform als eine Demokratie und somit vielleicht
sogar tendenziell erstrebenswert, "of course as long as I am the dictator!"
Versteht sich doch von selbst, George.
Und tatsächlich hat der ganze Klima-Betrug nur das in letzter Konsequenz
zum Ziel: eine einheitlich gesteuerte, kommunismusverwandte Zentralwirtschaft
auch bei uns einzuführen; die Kontrolle aller unternehmerischen und privaten
Lebensprozesse durch Kontrolle des angeblichen Treibhausgases CO2; belebiger
und zwangsweise vorschreibbarer Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft.
Den obszönen Profit derjenigen kleinen Kaste die den ganzen Schwindel
aufgezogen hat, mittels CO2-Emissionszertifikatehandel erzielt auf Kosten
der besteuerten Allgemeinheit, wollen wir dabei natürlich nicht völlig
unerwähnt lassen.
Hm ... bin wohl etwas abgeschwiffen. =)
Zurück zum Thema.
Kann man mir als informationstechnisch Unbedarften eigentlich mal erklären,
wie das mit diesen illegalen Musik-Downloads so abläuft und funktioniert?
Hört sich doch irgendwie verlockend an, haha.
Aber Bono, keine Sorge Mann, zumindest ich hab' euer letztes Album nicht "gestohlen".
Ehrlich nicht.
Sondern komplett und restlos legal einmal bei last.fm durchgehört als
es erschien.
Also, nur mal so unter uns beiden Bono, völlig im ernst und ungeschminkt
Alter, diese bekackte Belanglosigkeit namens No Line On The Horizon,
die nähme ich doch noch nicht einmal geschenkt!!
Zum Runterkommen und Versöhnen wird Heikos "Unvollständige
U2-Retrospektive" empfohlen ;-).
Ist schon merkwürdig, daß sich gerade Millionäre, wie U2 oder
Metallica (die durch "illegales" Weiterkopieren ihrer Demos Anfang
der 80er überhaupt in Europa bekannt wurden, das mal nur so nebenbei
bemerkt), für den Kampf gegen Musikpiraterie stark machen. Ganz klar
wird hier noch das Konzept des "Rock-Stars" vertreten, der aufgrund
dieses Status ein "Anrecht" auf ein luxuriöses Leben hat, das
ihn aus der Masse seiner Fans heraushebt.
Es gibt da auch andere Ansätze, wie den der von mir sehr geschätzten
Amanda Palmer von
den Dresden Dolls,
den sie hier
erklärt.
Oder den von Kristin
Hersh von den Throwing Muses, die mit Cashmusic
ein Projekt ins Leben gerufen hat, das es Musikern ermöglichen soll,
ohne die Musikindustrie ihre Kunst zu verbreiten und trotzdem Geld zu verdienen.
Zu Bonos Auftreten bezüglich Menschenrechten, Walfang, Irakkrieg,
Vegetarismus, Mülltrennung etc. mag man stehen, wie man will - zumindest
sorgt er dafür, daß die Themen in die Medien kommen. Und dann kann
man ja immer noch entscheiden, ob man Amnesty
auch ohne Soundtrack
von U2 unterstützen will.
- Martin -
P.S.: Nun wurden in diesem zweiten Teil alle instrumentalen Werke gefeiert
und jene mit Gesang verbal abgebürstet.
Interessant.
Aber, um mal mit einem popkulturellen Zitat abzuschließen:
Genau genommen markiert ein einzelnes Ereignis noch keinen Trend.