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Interview von April bis Oktober 2004

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Nachdem mein erstes Interview mit Monika Edvardsen vor ca. 4 Jahren sich hauptsächlich auf das zweite Atrox-Album "Contentum" (dem ersten, auf dem der gesamte – außergewöhnliche – Gesang von ihr stammte) und einige allgemeine Fragen über sie selbst konzentriert hatte, hatte ich bereits vor ca. 2 Jahren vorgehabt, ein weiteres Interview mit ihr über das Tactile Gemma Debüt und das dritte Atrox-Album "Terrestrials" zu führen, aber aus verschiedenen Gründen klappte es einfach nicht. Da die Fragen bereits niedergeschrieben waren, als Monika vor einiger Zeit signalisierte, daß sie nach wie vor bereit sei, sie zu beantworten, habe ich einfach einige von ihnen etwas geändert und einige weitere bezüglich des vierten Atrox-Albums "Orgasm" (dem letzten, auf dem ihr Gesang zu hören ist) und bezüglich ihrer derzeitigen Projekte hinzugefügt.

Wie man beim Lesen dieses Interviews feststellen wird, wurden die Fragen nicht "in einem Rutsch" beantwortet (ich gebe zu, es war ein sehr langer Fragebogen!), aber wenngleich ein paar Antworten "veraltet" erscheinen mögen, habe ich sie dennoch beibehalten, und ich denke nicht, daß es das Lesen dieses Interviews in irgendeiner Weise weniger interessant macht. Obwohl dieses Interview viel Geduld erforderte, glaube ich, daß es dies definitiv wert war. Aber urteilt selbst!

Burkhard: Als ich vor einigen Jahren zum ersten Mal etwas über das Tactile Gemma-Projekt las, dachte ich, daß das etwas sehr Besonderes sein könnte. Ich hatte Recht! Es war genau, was ich erwartet hatte, nun, vielleicht sogar mehr. Ich meine, ich wußte nicht, wie die Songs klingen würden, aber ich erwartete ein Album, welches eines meiner Lieblingsalben aller Zeiten werden könnte. Welche Reaktionen hast du bislang erhalten?

Monika: Ich habe viele positive Rezensionen gelesen und unsere Plattenfirma sagte, es hätte 10 von 10 Punkten im deutschen Metal Hammer bekommen, aber ich bin nicht sicher, hihi... Ich habe es selbst nicht gesehen und du hast es nicht erwähnt, so daß ich meine Zweifel habe. Wie auch immer, ich erinnere mich nicht, was genau die Leute gesagt haben, außer daß sie es mochten. Aus irgendeinem blöden Grund erinnere ich mich allerdings an die negativen Dinge, die ich gehört habe…Jemand war enttäuscht, weil er das Album in der Metal-Abteilung gefunden hatte und dann war es kein Metal, buhu, hihi. Ein anderer Typ dachte, es sei "Elfenmusik" wegen des Covers und er war auch enttäuscht. Was zum Teufel ist "Elfenmusik"??? Hihihi…Das Album hat sowieso nicht viel Aufmerksamkeit bekommen, wahrscheinlich weil es durch Season of Mist vermarktet wurde, welches ein Metal-Label ist, und somit hat es nur "Metalheads" erreicht und nicht die Leute, die es wirklich mögen WÜRDEN. Als wir zuerst bei SoM unterschrieben, wurde uns gesagt, daß sie ein neues Unterlabel für Musik wie diese gründen würden und daß sie es über dieses Label veröffentlichen würden, aber das ist nicht passiert…Stattdessen verkaufen jetzt SoM das Album für 5 EUR in ihrem Shop.

Burkhard: Mein Eindruck ist, daß die Musik von Tactile Gemma leichter zugänglich ist als diejenige von Atrox. Findest du das auch?

Monika: Nun, das denke ich in der Tat...Aber es hängt wirklich davon ab, was du dir normalerweise anhörst. Ich schätze, die meisten "Metalheads" haben Probleme damit, sich Tactile Gemma anzuhören. Und es hat auch etwas mit der Erwartung zu tun. Niemand erwartet einen Gesang wie meinen in einer Metalband, so daß sie meinen Gesang bei Atrox nicht mögen, aber sie mögen ihn bei Tactile Gemma, selbst wenn ich dort überwiegend auf dieselbe Weise singe. Ich schätze, es liegt daran, weil es in einem Kontext wie Tactile Gemma eher erwartet wird als in einer Metalband. Erwartungen bezüglich dessen, was du bekommst, sind ein sehr wichtiger Faktor dafür, ob dir ein Kulturprodukt gefallen wird oder nicht.

Burkhard: Als ich den Text von "Creepy-crawlies" las, sah ich vor meinem inneren Auge einen Zeichentrickfilm im Tex Avery-Stil. Ich denke, wenn Tex Avery noch lebte, hätte er einen großartigen Videoclip aus dieser Kurzgeschichte machen können. Ich weiß, es ist nur Wunschdenken, aber wenn du das Geld hättest, was du benötigen würdest, könntest du dir vorstellen, einen Zeichentrick-Videoclip von "Creepy-crawlies" zu machen? (Ich denke, es ist definitiv ein wunderschönes Mini-Hörspiel und ergibt auch eine perfekte Gute-Nacht-Geschichte für kleine Kinder, zumindest – je nachdem wie unheimlich die Krabbeltiere sind – wenn ihr Name Franz Kafka lautet.)

Monika: Ja, absolut! Das wäre cool! Ich mag den Stil dieser sehr alten Disneyfilme in Braun und Weiß. Ich denke, es würde gut zu einem Zeichentrick-Video oder einem Animationsfilm mit Puppen passen… Manchmal frage ich mich, ob das Illustrieren der Texte gar nicht notwendig ist und ob es vielleicht die Vorstellungen, welche die Leute bereits in ihren Gedanken haben, ruinieren könnte, aber ich denke auch, daß es MEINE Vorstellungskraft erweitern könnte, so daß ich viele neue Elemente zu der Geschichte durch einen Film hinzufügen könnte. Ich mache das immer, wenn ich Cover male…Äh, ich muß an dieser Stelle hinzufügen, daß nicht ich es war, die das Tactile Gemma-Cover gemalt hat. Ich denke, es ist Scheiße, hihi…

Burkhard: Hast du jemals daran gedacht, kleine illustrierte Kinderbücher zu verfassen? (Z.B. etwas wie "Unheimliche Gute-Nacht-Geschichten für unheimliche Kinder"?)

Monika: Ja, ich habe daran gedacht...viele Male, aber am Ende bin ich immer frustriert, weil ich an all den Mist denke, den Kinder heutzutage mögen; Pokemon, Teletubbies, The Jelly Kids (???) – was auch immer du willst! – und dann sage ich mir: "Was ist der Sinn? Sie werden es noch nicht einmal mögen!" Hmmm, nun, ich könnte es zu negativ sehen, aber ich bin wirklich der Meinung, daß Kinder Schwierigkeiten haben, mit einem anderen Erzählstil zurechtzukommen, wenn sie daran gewöhnt sind, Zeichentrickfilme zu sehen, wo alles laut und schnell ist und aus einem Kampf zwischen Gut und Böse besteht…und mich extrem nervt. Vielleicht wäre es besser, Kindergeschichten für Erwachsene zu verfassen, hihi…Nun, ich glaube, ich muß versuchen, Kindersachen zu machen und die Reaktionen abwarten, bevor ich mürrisch und verbittert ende, hihi…

Burkhard: Für mich ist einer der faszinierendsten Songs "Whiz", der härteste Song auf dem Album. Die Musik hat etwas Bedrohliches und Überwältigendes (im wörtlichen Sinne). Als ich sie zum ersten Mal hörte, tauchte sofort die Vorstellung von einem Panzer oder einer Raupe auf, der bzw. die langsam und unaufhaltsam über alles rollt, was ihm/ihr im Weg steht. Der Text beschreibt ein sehr surrealistisches Szenario, aber ich kann es alles klar in meiner Vorstellung sehen: Die Kiste in deiner Hand mit dem darin gefangenen Wind, die geflügelten Kröten, die aus deinem Mund fliegen und dann auf dich niederhageln, dann bist du es plötzlich, die aus einem Mund gleitet, auf dem Geländer einer Wendeltreppe, nach oben wirbelnd mit dieser kleinen ängstlichen Kröte auf deinem Arm, und dann stellst du fest, daß du in einer Kiste gefangen bist. (Im CD-Booklet heißte es "an ox" ("ein Ochse"), aber ich schätze, es handelt sich um einen Druckfehler, oder?) – Sehr kafkaesk, würde ich sagen, vielleicht von Kafka inspiriert? (Ich meine, du hast einmal erwähnt, daß du Kafkas Kurzgeschichten magst.)

Monika: "Ox", was? Verdammt, das ist mir nie aufgefallen...Ja, es sollte "box" heißen – ich glaube nicht, daß ich mir jemals vorstellen wollen würde, in einem Ochsen gefangen zu sein, hihihi… Die Inspiration zu diesem Text kam durch einige Zeichnungen, die ich vor langer Zeit gemacht hatte. Eine mit einem Mädchen, welches die Luft bemalt, und eine mit einem häßlichen Gesicht mit einer langen spiralenförmigen Zunge, hihi…Auch durch einige kleine Textfragmente und Sätze, die ich hier und dort aufgeschrieben hatte, als ich durch wer-weiß-was inspieriert wurde. Das meiste meiner Arbeit kommt so zustande; Puzzle, die ich so zusammensetze, wie es mir richtig scheint. Ich habe viele Bücher mit Sätzen und Fragmenten, die ich niedergeschrieben habe, und ich habe viele kleine Skizzen, die ich gezeichnet habe, wann auch immer mir eine Idee kam oder ich inspiriert wurde durch Texte oder Gedichte oder Gemälde oder Comics oder was auch immer. Ich benutze diese Quellen, wann immer ich etwas Neues mache. Ich schreibe selten einen ganzen Text am Stück. "Miss Loona Speaks" und "Mare´s Nest" sind die einzigen Ausnahmen, glaube ich. Hmmm, und "Chimeras" besteht aus zwei zusammengefügten Texten, die ich ursprünglich separat voneinander verfaßt habe.

Burkhard: Ich möchte nicht bei all deinen Texten auf dem Tactile Gemma-Album ins Detail gehen (ansonsten könnte aus diesem Interview ein Buch werden), aber mein Eindruck ist, daß fast alle Texte von (verschiedenen Arten von?) Furcht handeln. Auf den ersten Blick könnte man denken, es seien einfach verrückte, surrealistische Geschichten, aber ich denke, du hast diese Texte nicht einfach nur zum Zweck, die Leute zu zerstreuen, verfaßt, oder? Eine Art Selbst-Therapie? (Oder überinterpretiere ich deine Texte?)

Monika: Ich denke, alle kreativen Dinge, die ich tue, sind eine Mischung daraus, all diese Ideen, die ich ausdrücken möchte, zu haben, und Selbst-Therapie. Oder vielleicht ist es alles Selbst-Therapie. Ich meine, ich bin immer noch wie ein Kind, das wirklich das BEDÜRFNIS hat zu spielen, wenn ich also Dinge mache, die ich für lustig halte, ist es auch Therapie. Ich besitze viel Einfühlungsvermögen bezüglich der Charaktere, über die ich schreibe; wenn ich also über jemanden schreibe, der sich fürchtet, dann empfinde auch ich diese Furcht, und es gibt mir die Gelegenheit, an dieser Furcht zu arbeiten, die offensichtlich aus mir selbst kommt. Ebenfalls möchte ich Leuten die Gelegenheit geben, Charaktere wirklich zu mögen, die anders sind und die verrückt erscheinen mögen, aber auf eine Art und Weise, daß du erkennen kannst, daß es irgendwie eine Art Logik in ihrem Verhalten und Denken gibt…Es hat viel damit zu tun, Eigenartigkeiten zu akzeptieren und Freude daran zu haben, denke ich.


Miss Loona besucht Rødingens Website

Burkhard: Ein weiterer meiner Lieblingssongs ist "Miss Loona´s Speech". Es mag lächerlich klingen, weil Miss Loona ein fiktiver Charakter ist (oder?), aber ich empfinde wirklich sehr viel Sympathie für sie. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie erinnert sie mich ein bißchen an Magrat Garlic (eine junge Hexe, die in einigen von Terry Pratchetts Scheibenweltromanen auftaucht; sie ist eine von meinen Lieblingscharakteren) und an Aerie (eine Klerikerin-Magierin und mein Lieblingscharakter aus dem Computerspiel "Baldur´s Gate II"). Ja, ich glaube, sie könnte eine Art gute Fee sein, vielleicht ein bißchen tolpatschig, genau wie Magrat Garlic, die alles in Kürbisse verwandelte in "Witches Abroad" (der Titel der deutschen Übersetzung lautete "Total verhext"). Es ist eine sehr verrückte Idee, Teekannen in einem Garten anzubauen, und eine noch verrücktere, sie mit Rucksäcken zu kreuzen, aber es ist eine liebenswürdige Art von Verrücktheit und sie ist definitiv harmlos, verglichen mit den Ergebnissen "gesunder" (???) Politik im Nahen Osten und vielen anderen Teilen dieser Welt – meinst du nicht? (Der Gesang bei "Miss Loona´s Speech" erinnert mich übrigens manchmal an Kate Bush in ihren Anfangstagen.)

Monika: Das ist ein perfektes Verständnis und ich war tatsächlich inspiriert durch das, was du bei dieser Frage gesagt hast, als ich die vorangehende beantwortete, hihi...Es ist cool zu sehen, daß ich dann, wenn ich die richtigen Fragen gestellt bekomme, mehr von meinem eigenen Denken verstehe. Cool! Wie auch immer…Miss Loona ist in meiner Vorstellung eine ältere Frau (ein bißchen inspiriert durch Peter Maxwell-Davies´ "Miss Donnithorne´s Maggot" – es ist ein Liederzyklus oder eine Eine-Frau-Oper), die ein bißchen einsam ist und eine echte Leidenschaft für ihr einfaches Leben und Teetrinken und sowas hat…Ich glaube, ihr Ehemann ist tot, so daß sie neue Freude darin findet, Teekannen anzubauen und sowas. Sie mag verrückt scheinen, aber sie ist fröhlich bei dem, was sie tut, es ist also cool. Hmmm, vielleicht wäre es für sie allerdings gut, einen Freund zu haben. Die Geschichte, die hinter dem Schreiben dieses Textes steckt, ist: Ich las einige Texte von Tori Amos und es schien mir, daß sie keine Bedeutung hatten und sie irgendwas schrieb, was ihr gerade einfiel, und das wollte ich auch versuchen. Ich schrieb also alles, was mir gerade in den Sinn kam, genau in diesem Moment, und nach einer Weile ergab der Text für mich irgendwie einen Sinn, hihihi…Der Name Miss Loona stammt von "loony" und "Luna", da sie gerne mit Sonnen und Monden jongliert. Der Gesang sollte ein bißchen nach einer älteren Frau klingen und wenn immer ich das tue, klinge ich ein bißchen wie Kate Bush, hihihihi…nichts gegen dich, Kate, ich liebe deinen Gesang!


Miss Loona ist erfreut zu sehen, daß Rødingen sich gut um die Eule kümmert, die sie ihm geschickt hat.

Burkhard: Was können wir vom nächsten Tactile Gemma-Album erwarten? Ich las, daß Rune für etwa ein Jahr nach Südamerika gegangen ist, so daß wir wohl eine Weile warten müssen, aber ich las auch, daß bereits einige Songs geschrieben wurden.

Monika: Ja, wir haben 6 Songs, die nur noch gemixt werden müssen und 3 weitere, zu denen ich noch nicht den Gesang aufgenommen habe. Ich glaube, Rune wird in nicht so ferner Zukunft von seiner Reise zurückkehren, so daß er mit dem Mix weitermachen kann und ich habe das ganze Aufnahmeequipment, das ich brauche, so daß ich in der Lage sein werde, den Gesang ebenfalls recht schnell aufzunehmen. Aber dann ist es das Label…Wir wollen nichts mehr bei Season of Mist veröffentlichen, aber es scheint, wir müssen es…Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis sie es veröffentlichen. Wahrscheinlich laaaaaaaaaaaaaange. Wir werden abwarten müssen und dann sehen.

Burkhard: Könntest du dir vorstellen, Tactile Gemma-Songs live zu spielen oder soll Tactile Gemma ein reines Studioproject bleiben?

Monika: Wir haben schon über Liveauftritte gesprochen, aber das war zu der Zeit, als wir alle in Trondheim lebten. Jetzt lebt Rune in Göteborg (Schweden) und Ann-Mari in Stockholm, während ich immer noch in Trondheim lebe, so daß ich schätze, es könnte sich als schwierig herausstellen. Aber wenn wir eines Tages ein genügend großes Publikum erreichen, könnten wir es irgendwie versuchen, aber ich erwarte nicht, daß Tactile Gemma sehr groß werden. SoM sagten, sie würden uns so stark promoten und daß sie uns "größer als Mayhem" (ihre "größte" Band) rausbringen würden, hihihi…Ohnehin glaubte niemand von uns diesen Mist, und es geschah natürlich nicht. Ich erwarte von ihnen auch nicht, daß sie viel unternehmen werden, um das nächste Album zu verkaufen, diese Veröffentlichung soll bloß die Unkosten decken, die wir ihnen verursacht haben und sie versuchen, ein bißchen mehr zu verdienen. Es scheint mir, sie kümmern sich nur darum, Dinge, die bereits groß sind, noch größer zu machen.

Burkhard: Nun zu Atrox. Hast du irgendeine Ahnung bezüglich der Verkaufszahlen von "Contentum" und "Terrestrials" (in Norwegen und/oder anderen Ländern) oder sind die ein Geheimnis, welches der Boss von Season of Mist mit niemandem teilen wird (insbesondere nicht mit euch, nachdem ihr zu einem anderen Plattenlabel gegangen seid)? (Ich frage mich, warum die zwei größten deutschen Heavy Metal-Mail Order-Firmen – EMP und Nuclear Blast – die Atrox-Alben bislang nicht anbieten. Vielleicht sind sie zu originell und einzigartig?)

Monika: Wir haben in paar Informationen von SoM bezüglich der Verkaufszahlen vor langer Zeit erhalten, aber wir stehen nicht mehr in Kontakt mit ihnen, ich weiß es also nicht. Falls sie zuletzt mehr verkauft haben, schätze ich, dass es daran liegt, daß SoM sie jetzt spottbillig verkaufen, hihihi… Nun, es ist schwer, irgendwas zu wissen, denn am Anfang sagte der Boss von SoM, von "Contentum" wären 3000 verkauft worden und er erwarte bald 4000, aber später erzählte er uns, es wären 1800 verkauft worden und das war nur die Zahl der Alben, die tatsächlich an die Großhändler geschickt wurde. Die Zahlen für "Terrestrials" waren niedriger, aber ich erinnere mich nicht mehr, wieviele es waren. Was die Mail Order-Firmen angeht: SoM sagten uns vor einigen Jahren, daß viele Großhändler Atrox nicht wollten, weil es zu sonderbar wäre und daß es sich nicht verkaufen würde.

Burkhard: Haben Atrox irgenwelche Konzerte gegeben nach dem Interview, welches ich mit dir im September 2000 geführt habe? Falls ja, weißt du, wieviele Leute zu diesen Konzerten gekommen sind? Und wie sind die Reaktionen des Publikums ausgefallen?

Monika: Hmmm, laß mal sehen. Wir spielten 2003 einen Auftritt und das ist alles. Viele Dinge passierten mir während und nach der Aufnahme von "Terrestrials" und ich entwickelte dieses heftige Lampenfieber, so daß ich jedes Mal nein sagte, wenn jemand von Auftritten sprach, aber 2003 sagte einer der "Bosse von Atrox" (hihi), ich müßte live spielen oder die Band verlassen, also überwandt ich meine Angst und wir zogen das Ding durch. Es war cool, aber wir spielten nur Material, welches zu diesem Zeitpunkt unveröffentlicht war, so daß zumindest ein Typ enttäuscht war, hihihi. Nun, es waren vielleicht 60-70 Leute beim Auftritt und einige wenige von ihnen liebten es wirklich...Nicht viel Headbanging, aber es war auch nicht gerade Musik zum Headbangen, hihihi...


Zwei Mitglieder aus Miss Loonas Band versuchen, Petes Posen zu imitieren.

Burkhard: Hast du irgendwelche bemerkenswerten/besonderen Reaktion im Hinblick auf "Contentum", "Terrestrials", "Orgasm" und/oder das Tactile Gemma-Debüt erhalten, die du für erwähnenswert hältst? (Z.B. Briefe von exotischen Orten oder besonderen Leuten/anderen Musikern/Künstlern?)

Monika: Nun, deine Liebe für Miss Loona ist erwähnenswert, hihihi... Und es scheint, als ob die wenigen Leute, die diese beiden Bands mögen, dazu neigen, sie SEHR zu mögen und oft insbesondere wegen des Gesangs, so daß ich einige Mails von Leuten erhalten habe, die sehr nette Dinge über meinen Gesang sagen. Was exotische Orte betrifft…jemand aus China, Malaysia und irgendeinem anderen asiatischen Land schrieb uns oder trug sich im Atrox-Gästebuch ein…

Burkhard: Im ersten Interview, das ich mit dir führte, sagtest du, ihr wäret vier Kinder in eurer Familie und daß ihr alle großes Interesse an Musik hättet. Nun weiß ich das von dir und Ann-Mari, aber was ist mit den beiden anderen? Singen sie auch und/oder spielen sie ein Instrument in einer Band? (Sind sie älter oder jünger als du?)

Monika: Meine älteste Schwester ist zwei Jahre älter als ich und sie singt viel zu Hause und in einem Chor. Sie hat auch eine Orgel, aber ich weiß nicht, ob sie übt, hihi. Mein Bruder ist vier Jahre jünger als ich und er hat mal im Alter von 13 bis 16 Jahren Gitarre gespielt und in einer Band gesungen. Dann hat er gewechselt und hat für einige Jahre in einer anderen Band namens Poetry of Dreams Synthesizer gespielt und gesungen. Sie haben ein Demo aufgenommen, ziemlich im Stil von Dream Theater und ähnlichem Zeug, aber sie haben sich dann aufgelöst und mein Bruder hat danach für sich allein etwas mit Musik gemacht, hat aber nie ernsthaft etwas aufgenommen.

Burkhard: Du erwähntest auch, daß dein Vater die "Soft Metal"-Alben, die du gekauft und heimlich gehört hattest, verbrannt hat, als er sie fand. Wie alt warst du da? Ich meine, es muß eine traumatisierende Erfahrung für dich und wahrscheinlich auch deine Geschwister gewesen sein. (Hatten deine Geschwister auch Alben, die daheim "verboten" waren oder warst du die einzige "musikalische Ketzerin"?) Wenn mein Vater meine Lieblingsplatten verbrannt hätte, weiß ich nicht, was ich getan hätte, aber ich denke, ich hätte ihn gehasst. Konntest du – damals – irgendwelchen (seelischen) Beistand von deinen Geschwistern und/oder Freunden bekommen oder warst du auf dich alleine gestellt?

Monika: Es war tatsächlich meine älteste Schwester, welche die meisten Platten hatte und am meisten von den "Razzien" und Plattenverbrennungen meines Vaters betroffen war. Wir hielten deswegen stärker zusammen und fanden bessere Verstecke – es dauerte zumindest eine lange Zeit, so daß wir die Zeit hatten, viel Musik zusammenzutragen, bevor unser Vater sie wieder verbrannte, eh heh heh… Nun, dies waren wirklich schlimme Zeiten für uns und wir zogen von unseren Eltern fort, sobald wir konnten. Hmmm, nun, zumindest bedauert mein Vater jetzt vieles davon.

Burkhard: Nun einige Fragen zu "Terrestrials". Auf der Rückseite des CD-Booklets heißt es, das Album wurde aufgenommen und gemixt im Januar 2001 und Gesang, Synthesizer und einige Gitarren wurden im Februar 2001 aufgenommen. Warum hat es dann immer noch mehr als ein Jahr bis zur Veröffentlichung des Albums gedauert? Und was ist dazwischen passiert?

Monika: SoM dachten aus irgendeinem mysteriösen Grund, daß Albenveröffentlichungen immer um ein Jahr verzögert werden sollten. Ich habe keine Ahnung, warum. Das einzige, was ich weiß, ist, daß die meisten Plattenfirmen während der Sommermonate keine Alben veröffentlichen.

Burkhard: Könnte es sein, daß jemand versucht hat, eure Arbeit auf "Terrestrials" zu versauen? Es kommt mir merkwürdig vor, daß die Pausen zwischen den Songs manchmal extrem lang sind. Zwischen den Songs "Mental Nomads" und "Changeling" gibt es zwei Pieptöne, welche, glaube ich, dort nicht vorgesehen waren. Und dann – ich weiß nicht, ob dies ein Pressungs- oder Aufnahmefehler ist – gibt es ein knackendes Geräusch (wie dasjenige bei einem Vinylalbum mit Kratzern) am Ende von "Translunaria" (ca. siebenmal) und während des letzten Songs "Look Further" (etwa 30-40mal!!!), insbesondere am Ende. Ich denke, jemand verdient hierfür einen ordentlichen Tritt in den Hintern! Mir ist auch aufgefallen, daß der Albumtitel entlang der linken und rechten Seite der CD-Box falsch geschrieben wurde: es heißt dort "Trrestrials". Und schließlich frage ich mich, wer Drums auf "Terrestrials" gespielt hat? Ein Geist ohne Namen? Die Drums klingen nicht wie ein Drum-Computer, aber auf der Rückseite des CD-Booklets erscheinen nur die Namen von Eivind, Rune, dir und zwei zusätzlichen Bassisten. Was ist mit Tor-Arne passiert? Ein weiterer Produktionsfehler bei SoM, seinen Namen wegzulassen?

Monika: Daß Tor-Arnes Name fehlte, muß tatsächlich auf einen technischen Fehler von meiner Seite zurückzuführen gewesen sein. Ich habe das CD-Info geschrieben und ich erinnere mich sehr gut, daß ich "Tor Arne – Drums und Eierschneider" geschrieben habe, aber aus irgendeinem sonderbaren Grund wurde es nicht auf der Diskette abgespeichert, so daß die Datei, die ich an SoM sandte, so war, ohne seinen Namen – ich habe die Diskette später kontrolliert, weißt du… Was die fehlerhafte Schreibweise angeht: Ich fürchtete, SoM würden Atrox falsch schreiben oder wieder das falsche Logo verwenden (sie taten es auf "Contentum"), und aus diesem Grund malte ich das Logo und den Albumtitel direkt auf das Frontcover, aber sie haben es trotzdem hinbekommen, es zu versauen. Es ist unglaublich… Das Layout ist auch schrecklich und auf dem Frontcover ist ein dunkler Schatten-/Licht-Fehler, der direkt über dem Gesicht in der rechten oberen Ecke verläuft. Das lag daran, daß das Cover angeblich auf dem Weg nach Frankreich beschädigt worden war und das es "unmöglich" war, es zu fotografieren, ohne diese Macke zu bekommen. Nun, ich habe das Gemälde am nächsten Tag fotografiert, ohne diesen häßlichen Streifen zu bekommen, und ich bin ein totaler Amateur…
Die langen Pausen, Geräusche und Pieptöne auf dem Album sind da, weil der Tontechniker in dem Studio, welches wir benutzten, eine CD mit Digitalgeräusch an SoM sandte und weil SoM sich weigerten, es mastern zu lassen (zu teuer für so ein schreckliches Album), und daher fiel es nicht auf, bevor wir die CD erhielten. Natürlich sagten SoM, daß es UNSER Fehler war, obwohl wir diese CD noch nicht einmal zu irgendeinem Zeitpunkt berührt hatten. Bah!

Burkhard: Nach der Veröffentlichung von "Terrestrials" habt ihr Season of Mist verlassen und "Orgasm" wurde bei der italienischen Plattenfirma code666 veröffentlicht. Könnte es sein, daß SoM sich nicht viel um die Produktion von "Terrestrials" gekümmert haben, weil sie bereits wußten, daß ihr gehen würdet? Oder war es umgekehrt, nämlich daß ihr SoM verlassen habt, weil sie die Produktion von "Terrestrials" versaut haben? Seid ihr mit der neuen Plattenfirma zufrieden?

Monika: Ja, code666 ist ein großartiges Label. Der Chef liebt Atrox wirklich, so daß alles cool gewesen ist. Wo SoM meinen Gesang haßten, fürchtete code666 eher, daß er nicht "verrückt" genug wäre, hihihi. Zusammenzuarbeiten mit dem Typen, der das "Orgasm"-Cover zusammenstellte (Mauro von Eibon Records), war, als ob man im Himmel wäre, verglichen mit dem, was ich zuvor erlebt hatte, da dieser Typ mir tatsächlich zuhörte und es so zusammenstellte, wie ich es wollte, ohne irgendwelche Probleme deswegen zu machen. SoM wollten in der Tat "Terrestrials" loswerden und an ein anderes Plattenlabel verkaufen, code666 wollten es, aber sie hatten nicht genug Geld. Für mich ist "Terrestrials" eine Art ruiniertes Album. Ich liebe die Songs, aber ich hasse den Sound, die Geräusche/langen Pausen irritieren mich und die Macken beim Cover irritieren mich auch. Ich will stattdessen einfach nach vorne schauen.

Burkhard: Der Titel "Terrestrials" ("Irdische/Erdlinge") klingt etwas ungewöhnlich, wohingegen sein Gegenstück "extraterrestrials" ("Außerirdische") vertrauter erscheint. Gibt es einen bestimmten Grund, warum du diesen Titel gewählt hast? Ich meine, in dem Song "Changeling" gibt es diese Zeile "I can´t come to terms with the terrestrials". Man würde vielleicht von einem Alien/Außerirdischen erwarten, daß er das Wort "Terrestrials" verwendet, wenn er über Menschen spricht. Fühlst du dich manchmal wie ein Alien unter Menschen, oder vielleicht muß ich anders herum formulieren: Hast du manchmal das Gefühl, daß Menschen sich wie Aliens verhalten? Vielleicht überinterpretiere ich Dinge und du hast den Titel nur gewählt, weil er ungewöhnlich klingt. Wie dem auch sei, ich habe oft den Eindruck, daß es eine ganze Menge Menschen gibt, die sich überhaupt nicht sehr menschen-ähnlich verhalten.

Monika: Keineswegs überinterpretiert. Ich fühle mich oft, als ob ich nicht zu den Menschen dazugehöre, und normalerweise denke ich, daß da etwas mit mir nicht stimmt. Ich möchte immer noch dazugehören, aber ich weiß nicht, ob ich mich so sehr verändern möchte, daß ich dazugehören würde. Ein anderer Grund für den Titel "Terrestrials" ist, daß hiermit irgendwie ausgedrückt werden soll, daß wir tatsächlich alle Erdlinge sind, sogar die Freaks in meinen Texten und Gemälden. Und selbst, wenn du ein Freak bist, der auf eine Art und Weise singt, wie man es nicht von ihm erwartet, hihihi.

Burkhard: Gibt es einen bestimmten Grund, warum du den Titel "Orgasm" für euer aktuelles Album gewählt hast, oder war es so, daß der Titel plötzlich auftauchte und alle Bandmitglieder übereinstimmten: "Das wird der Titel unseres neuen Albums sein."? Ich meine, Leute, die Atrox nicht kennen und das Album nicht gehört haben, könnten erwarten, daß die Texte alle von Sex handeln, was sie definitiv nicht tun (abgesehen von ein paar Zeilen im Song "Flesh City"). Hm, im Text von "Heartquake" – könnte man es als Liebeslied bezeichnen, zumindest in einem weiteren Sinne? – erwähnst du "untimely little deaths" ("ungelegene kleine Tode"), und im Deutschen wird manchmal der Ausdruck "kleiner Tod" als Synonym für "Orgasmus" verwendet, aber ich weiß nicht, ob es dasselbe im Englischen ist.

Monika: Ich schätze, es ist dasselbe im Englischen, zumindest ist es das im Norwegischen, und das ist es, was ich ausdrücken wollte. Ja, "Heartquake" ist in der Tat eine Art Liebeslied. Oder es handelt zumindest von Liebe. Der Titel "Orgasm" …Ich schlug ihn zunächst aus Spaß vor, aber als ich anfing, darüber nachzudenken, dachte ich, es wäre ein cooler Titel und daß er paßte. Er bedeutet einfach, daß das Aufnehmen dieses Albums so befriedigend war, wie einen Orgasmus zu haben.

Burkhard: Mein Eindruck ist, daß die Songs auf "Terrestrials" – alles in allem – härter sind als diejenigen auf "Contentum" (und diejenigen auf "Orgasm" klingen wiederum härter als die auf "Terrestrials"). Ich meine, es gibt in der Tat viele "sanfte"/entspannte Passagen, aber die harten Passagen auf "Terrestrials" sind definitiv härter als diejenigen auf "Contentum" und könnten auch von einem Thrash, Death oder vielleicht sogar Black Metal-Album stammen. Die oft sehr abrupten Wechsel zwischen "sanft" und "hart" (ich mag sie!) sind extremer als auf "Contentum". War das etwas, was ihr zuvor geplant hattet? Es mag überraschend klingen, aber obwohl die Tempo- und Rhythmuswechsel und die Wechsel zwischen "sanft" und "hart" drastischer als auf "Contentum" sind, denke ich, daß die Songs auf "Terrestrials" leichter zugänglich sind. (Wohingegen ich denke, daß es nicht überraschend ist zu sagen, daß die Songs auf "Orgasm" leichter zugänglich sind als diejenigen auf "Terrestrials".)

Monika: Es war nie geplant in der Weise, daß wir gesagt hätten "Dieses Album wird härter werden als die vorherigen Alben" – die Veränderungen kamen von selbst. Alle Songs auf "Contentum" außer "Lizard Dance" entstanden unter dem alten Atrox-Line-Up, daß heißt, demselben Line-Up wie auf "Mesmerized", außer dem Growl-Gesang-Typen, und wir haben die Songs ziemlich genau so belassen, wie sie waren, als wir sie schrieben, mit der Ausnahme, daß wir drei Gitarristen hatten, als wir die Songs schrieben, und daß der Typ, der gegangen ist, im Hintergrund zu spielen pflegte, aber nicht sehr rhythmisch. Es war so, daß wir, als er ging und wir einen neuen Schlagzeuger bekamen (aber keinen neuen Bassisten, hihi), anfingen, mehr an den Rhythmen zu arbeiten und plötzlich beide Gitarristen einfach nur die ganze Zeit Rhythmen spielen wollten, so daß sich alles änderte.

Burkhard: Besitzen Rune und/oder Eivind irgendwelche Alben von Sieges Even oder Mekong Delta? Der Grund, weshalb ich frage, ist, daß mich insbesondere der Klang der nicht verzerrten Gitarren und die Weise, wie sie gespielt werden, mehr als einmal an Sieges Evens "A Sense Of Change" und "Sophisticated" erinnerten, und bei "Changeling" gibt es eine merkwürdige Passage, die auch vom zweiten oder dritten Mekong Delta-Album stammen könnte. Wo wir von Ähnlichkeiten sprechen, der Klang und das Riffing der harten Gitarren bei "Look Further" erinnern mich sehr an Voivods Album "Negatron" im allgemeinen und den Song "Meteor" im besonderen. Und auf "Orgasm" gibt es mindestens zwei oder drei Passagen, die sehr nach Voivod klingen. I mag die Weise, wie Atrox verschiedene Einflüsse miteinander kombinieren wirklich sehr, aber ist dies reiner Zufall?

Monika: Ich glaube nicht, daß Rune oder Eivind von Sieges Even und Mekong Delta gehört haben, hihihi…Ich habe das meiste bei "Changeling" gemacht, außer dem Mittelteil (die Passage mit "I can´t come to terms with the terrestrials…" usw.), der ebenso von Rune stammt wie die Rhythmusgitarren beim ersten Riff. Ich habe zwei Mekong Delta-Alben, aber ich muß gestehen, ich habe sie fast noch nie gehört, ich habe normalerweise nur ihr "Psycho"-Thema und diese klassischen Songs, die sie gecovert haben, angehört. Die Rhythmus-Muster bei "Look Further" waren ziemlich stark von Voivods "Phobos" inspiriert. Ich glaube, niemand von uns hatte seinerzeit "Negatron" gehört…Ich denke, es gibt viele Zufälle, wenn Musik ähnlich klingt, es läßt sich nicht vermeiden. Es gibt nur 12 Noten in unserem System und Menschen neigen dazu, ähnlich zu denken. Natürlich wird auch viel geklaut, keine Frage, aber man weiß es nie genau…

Burkhard: Meiner Meinung nach hat sich auf "Terrestrials" nicht nur die Musik, sondern auch dein Gesang verändert und ist extremer geworden und deckt ein breiteres Spektrum als auf "Contentum" ab. Wenn du z.B. die Zeile "the beldam of the bedlam" (nettes Wortspiel übrigens!) singst, klingst du wie einer dieser bösen Black Metal-Gnome (glücklicherweise nur für sehr kurze Zeit, denn ich mag diese Art von Gekreische nicht besonders), und es gibt einige Passagen – z.B. "the witch inside" im Song "Ruin" -, die du in einem dunklen, flüsternden Ton singst, der mich ein bißchen an Sabina Classen (Holy Moses) erinnert, wenn sie sich nicht die Seele aus dem Leib schreit. Ich denke, deine gesangliche Leistung auf "Terrestrials" ist wahrscheinlich die abwechslungsreichste, die ich bislang gehört habe, und ich schätze, jede andere Band bräuchte mindestens 4-5 verschiedene Sängerinnen, um dasselbe Stimmenspektrum abzudecken. Es scheint mir auch, daß viele deiner Gesangslinien (zumindest die "sanfteren") auf "Terrestrials" einen etwas entspannten und jazz-artigen Touch haben (z.B. wenn du singst "The bathtub tiptoed on lionpaws to the landing, tipped over and flung him down the stairs on a rusty-bloody-red runner."), während der "orientalische" Einfluß drastisch reduziert worden zu sein scheint (verglichen mit "Contentum"). Auf "Orgasm" ist dein Gesang scheinbar "normaler" geworden. Ich meine, es gibt immer noch Passagen, die offensichtlich zu verrückt für bestimmte Leute sind (ich rede von all diesen Ignoranten, die behaupten, du könnest nicht singen – was für ein Haufen Deppen!), aber alles in allem klingt der Gesang viel moderater als auf "Contentum" und "Terrestrials". Was meinst Du?

Monika: Ich dachte, mein Gesang wäre "normaler" auf "Terrestrials" und noch mehr auf "Orgasm" als auf "Contentum", und es überrascht mich immer noch, daß einige Leute es für so dermaßen schwierig halten, sich mit meinem Gesang anzufreunden oder auch sich daran zu gewöhnen, ihn zu hören. Ich schätze, viele Leute denken einfach: "Gesang wie diesen soll es im Metal nicht geben", und dann können sie ihn nicht akzeptieren.
Eine Sache bei "Terrestrials" war, daß ich, als wir die Songs schrieben, Synthesizer spielte und gleichzeitig sang, und da die Synthesizerpassagen etwas schwieriger als zuvor ware, mußte ich die Gesangslinien ein bißchen vereinfachen. Auch die Musik insgesamt wurde komplizierter, so daß der Gesang etwas abgemildert werden mußte, um keinen Overkill zu verursachen. Gleichwohl meinten einige Leute, daß der Gesang sogar noch unzugänglicher als zuvor sei. Insbesondere die Leute bei Seasons of Mist. Die Dinge, die ich von denen gehört habe, haben für mich vieles ruiniert…Ich hörte auf zu singen für eine lange Zeit und ich hatte ein schlechtes Gefühl dabei, in der Art zu singen, wie ich es zuvor immer getan hatte. Das ist der Grund, warum "Orgasm" klingt, wie es klingt.


Miss Loona und einige ihrer Freunde bewundern eines von Monikas Gemälden.

Burkhard: Betrachtet man deine Texte, deine Gemälde, die Musik und deinen Gesang, scheinen sie oft eine Mischung zu sein aus Melancholie (z.B. der rastlose Mondling in "Translunaria"), einem tiefen unerfüllten Verlangen (Dinge zu verstehen, die man nicht verstehen kann? – "I can´t come to terms with the terrestrials. I can´t come to terms with me."), Traurigkeit ("A lifetime´s worth of tears gathered up in me. I´ve been on the verge of tears all my life."), Angst/Ängsten ("Lay") und...hm, ich weiß nicht, wie ich es richtig ausdrücken soll. Es geht um sehr starke Gefühle, manchmal widersprüchlich (?) und irgendwo sehr tief drinnen verwurzelt. Eine Art Spiegel von dir selbst? Oder zumindest Teilen von dir?

Monika: Ja, das stimmt. When ich etwas Kreatives tue, bekomme ich Ideen und Fragmente von Ideen, und ich verwende die Gefühle, die ich bekomme, wie alles miteinander zu verbinden ist, und manchmal verstehe ich zunächst nicht wirklich, worum es geht, aber dann stelle ich fest, daß diese Dinge mich betreffen, selbst wenn ich über jemand anderen schreiben wollte. Ich schätze, meine Arbeit wird immer so persönlich sein, denn wenn ich etwas geschrieben habe, zu dem ich tatsächlich keine persönliche Beziehung hatte (ich hatte einige Texte über das Betrogenwerden von einem Liebhaber), hatte ich nicht das Gefühl, daß ich es singen könnte, und ich habe diesen Text dann gegen einen anderen, für den ich mich richtig begeistert habe, ausgetauscht. Vielleicht ist es sehr egoistisch, aber zumindest wird es aufrichtig und am Ende wird es sich wahrscheinlich für jeden besser anfühlen. Eh heheh oder nicht…aber zumindest für mich, hihihi…

Burkhard: Ich habe nur zwei Bücher von Franz Kafka gelesen – "Das Schloß" und "Der Prozeß" -, und das war vor ca. 20 Jahren, aber ausgehend von dem, woran ich mich noch erinnere, würde ich sagen, daß einige deiner Texte eine Art kafkaesker Stimmung vermitteln, d.h. das Gefühl von etwas unbestimmt Bedrohendem, welches man weder bennen kann, noch welchem man entkommen kann. Vielleicht ist Kafkas Seele/Geist gegenwärtig, wenn du einige Texte niederschreibst? Und vielleicht kommt Hieronymus Bosch manchmal vorbei, um dir mit einem Lächeln auf den Lippen über die Schulter zu schauen, während du ein weiteres Bild malst?

Monika: Ich habe keinen von Kafkas Romanen gelesen, aber ich habe den Film "Der Prozeß" gesehen und ich habe einige seiner Kurzgeschichten gelesen sowie eine Art psychologischer Biografie über ihn, und ich habe tatsächlich viel von mir selbst wiedererkannt, als ich seine Kurzgeschichten sowie das Buch über ihn las. Ausgehend von dem, was ich über ihn gelesen habe, waren seine Kindheitstraumata den meinen etwas ähnlich, und zum Beispiel darüber zu schreiben oder unheimliche Dinge zu zeichnen, kann ein Weg sein, um diese Dinge ein bißchen weniger unheimlich erscheinen zu lassen. Ich schätze, es hat auch ein bißchen auf diese Weise bei Kafka funktioniert. Die Figuren, die ich male (ja, Bosch hat mich inspiriert, hihi…und James Ensor), mögen bedrohlich aussehen, aber wenn ich sie betrachte, denke ich, daß sie nicht so schlimm sind, wie sie erscheinen.

Burkhard: Ich mag das Backcover von "Terrestrials" sehr, welches diese Eidechse zeigt, die dabei ist, ein Art Atrox-Poster zu "verschönern". Und das Backcover von "Orgasm", welches einige Poster zeigt, die einige Variationen des Bandnamens (Afrox, Hatrox usw.) illustrieren, ist ebenfalls sehr lustig. Ich denke, das beweist, daß du einen guten Sinn für Humor hast und daß trotz all der unheimlichen Kreaturen, die deine Bilder bevölkern, immer noch Raum für etwas Spaß und Selbstironie ist. Ich glaube, es ist schwer vorstellbar, daß eine Band wie Manowar oder irgendeine Black oder Death Metal-Band etwas wie dieses auf ihren Alben abbilden würde, denn es würde ihr Image, daß sie harte und/oder böse Typen sind, zerstören, oder?

Monika: Hihihi...ich schätze, das würde es...Ich verstehe nicht, weshalb es wichtig ist, böse zu erscheinen, wenn du es tatsächlich nicht bist...Nun, natürlich mag es dabei helfen, viele Alben an dumme Kids zu verkaufen, aber trotzdem...All diese "grimmigen" Blicke, die du in den Gesichtern der Black Metal-Kerle sehen kannst: Michael Jackson hat das schon vorher gemacht – sie dir sein "Bad"-Video an und du findest dort alles, hihihi…Es ist immer Platz für lustige Dinge bei all den kreativen Dingen, die ich mache. Ich male keine Cover, die Leute erschrecken sollen, ich lache über all die "bösen" Kreaturen, die ich male; ich denke, sie sind lustig und ein bißchen niedlich, wenn sie versuchen, furchteinflößend dreinzublicken. Ich schreibe Texte und mache Musik normalerweise mit einem Lächeln im Gesicht. Selbst wenn ich völlig down bin und alles hoffnungslos aussieht, ist immer Platz für ein bißchen schwarzen Humor oder Selbstironie, und es ist ein natürlicher Teil kreativer Arbeit. All diese "bösen" Typen sind normale Biertrinker, die schlechte Witze machen und diesen ganzen normalen Kram, es ist nur so, daß sie es nicht so sehr in ihre Arbeit einfließen lassen, vermute ich.

Burkhard: Verglichen mit dem Cover von "Contentum" scheinen die Cover von "Terrestrials" und "Orgasm" von monsterähnlichen Kreaturen nur so zu wimmeln und vermitteln so eine dunklere Stimmung (ebenso wie die Musik und die Texte), obwohl deine Monster nicht einfach abstoßend und "böse" aussehen wie diejenigen auf all diesen klischeehaften Death und Black Metal-Covern. Einige deiner Monster scheinen sogar ängstlich zu sein, und es gibt auch einige eher "gewöhnlich" aussehende Kreaturen in deinen Gemälden, z.B. (auf dem Cover von "Terrestrials") eine narrenartige Figur, die auf deinem Kopf tanzt, drei Frauen und oben in der Mitte einen dreibeinigen und vierarmigen Typen mit zwei Körpern, aber nur einem Kopf, der unbeeinflußt von der Szenerie um ihn herum zu sein scheint (genau wie die Figur in der Mitte des "Contentum"-Covers), oder (auf dem Cover von "Orgasm") das Schaukel-Einhorn und die Balletttänzerin. Gibt es irgendwelche Verbindungen zwischen dem Albumcover und deinen Texten? Oder stellen die Cover von "Terrestrials" und "Orgasm" mehr eine Art allgemeinen Einblick in deinen Geisteszustand zu dem Zeitpunkt, da du diese Bilder gemalt hast, dar? Auf "Terrestrials" und "Orgasm" sind zu allen deinen Texten Gemälde abgebildet. Was kam zuerst: Die Gemälde oder die Texte? Und inwiefern beziehen sie sich aufeinander? Ist es bis zu einem bestimmten Grad vergleichbar mit Edvard Munch, der erst Gedichte (in Prosa) schrieb und dann Bilder basierend auf diesen Gedichten malte?

Monika: Hmmm, ich weiß es wirklich nicht...Ich weiß wirklich nichts über seine Absichten, Gedichte zu schreiben und dann zu malen. Ich mag es allgemein nicht, mich mit irgendwelchen Künstlern zu vergleichen, da "Kunst" ein sehr problematischer Begriff für micht ist. Ich möchte nicht behaupten, so gut zu sein wie die großen Künstler, und ich möchte mich selbst nicht als ein Teil derjenigen Verlierer sehen, die behaupten, daß, was immer für eine Scheiße sie auch gemacht haben, diese Kunst ist. Trotzdem…da sowohl meine Texte als auch Gemälde auf Ideen beruhen, die ich über oftmals sehr lange Zeit gesammelt habe, kamen sie beide in gewisser Weise "zuerst", aber für diese Alben habe ich alles lange Zeit, nachdem ich die Texte geschrieben hatte, gemalt. Wenn ich Bilder zu jedem Text male, möchte ich, daß die Bilder den Inhalt der Texte illustrieren und einige weitere Perspektiven und Ideen hinzufügen. Zum Beispiel "This Vigil" von "Orgasm" – "vigil" ist eine Metapher dafür, aufmerksam und empfänglich dafür zu sein, was wirklich in deinem Geist vor sich geht, selbst wenn du tatsächlich schlafen gehen willst – was in diesem Text bedeutet, es nicht zu wagen, dir selbst entgegenzutreten. Es geht darum, verwirrt und etwas verzweifelt zu sein und zu sehen, daß jemand anders dasselbe durchmacht, und es dann miteinander zu teilen, um zu helfen und Hilfe zu bekommen. Es geht auch darum, wie schwierig es sein kann, es tatsächlich zu wagen, jemand anderem zu helfen. Dieser Aspekt kommt allerdings nicht im Gemälde zum Ausdruck, da ich nicht alles illustrieren will. Die Texte sollten ebenfalls einen zusätzlichen Inhalt im Vergleich zu den Gemälden haben. Daher zeigt das Gemälde eine Augenoperation – es bedeutet, die Weise, wie du die Welt siehst, zu ändern - und ein etwas verdrehtes Paar, welches aneinander gefesselt ist. Sie sehen sich recht ähnlich – was bedeutet, daß sie etwas gemeinsam haben – und sie sind zusammengebunden, so daß sie sich aufeinander beziehen müssen. Dann ist da ein Typ, der versucht zu schlafen, aber ein kleiner Typ, der aus seinem Kopf kommt, hält ihm die Augen offen – es bedeutet, daß sein Geist wirklich etwas Aufmerksamkeit braucht, so daß er ihn wach hält. Und dann ist da eine Frau, die offensichtlich blind ist, aber vorgibt, ein Buch zu lesen, welches sie verkehrt herum hält – sie versucht, vor der Welt zu verbergen, daß sie ein Problem hat. Vielleicht versucht sie, den Eindruck zu erwecken, daß sie mehr Einsicht hat, als dies tatsächlich der Fall ist. Nachdem ich die ursprüngliche Skizze von dieser Frau gemacht hatte, sah ich dieses Foto von George W. Bush, der vorzugeben schien, sehr interessiert an einem Buch sein, aber es verkehrt herum hielt. "Bush Buch" war der Titel der Fotodatei, daher schrieb ich dies ebenfalls auf das Buch in meinem Gemälde, um eine Verbindung zu diesem Foto herzustellen. Du kannst dir wahrscheinlich denken, was ich von Bush halte, hihihi…


Miss Loona besucht die Website von Freak Clothing.

Burkhard: Vor etwa einem Jahr hast du deine eigene Website geschaffen. Meine Lieblingsabteilungen sind "Freaks" und "Freak clothing" und ich mag "Rødingens hjemmeside", die Homepage, die du für deinen Freak Rødingen, seine Familie und Freunde geschaffen hast, wirklich sehr. Wann/wie bist du auf die Idee gekommen, einige deiner Freaks zum Leben zu erwecken?

Monika: In meinen Gemälden habe ich viele Charaktere geschaffen, die Hüte und Kapuzen mit sonderbaren Formen tragen (da diese Charaktere sonderbare Kopfformen haben), und ich wollte einen Freak malen mit einer gestrickten Kapuze. Da ich nicht wirklich das Gefühl hatte, ihn aus dem Kopf zeichnen und malen zu können, dachte ich mir, ich bräuchte ein Modell, welches ich mir anschauen könnte. Daher habe ich zuerst Dzib als Modell für den Freak selbst geschaffen, und dann machte ich Uxmal als das echte Modell. Es wurde so lustig, lebendige Freaks zu haben, daß ich einfach weitermachen mußte – es ist sehr schwer aufzuhören, denn ich bekomme Ideen für neue Freaks, bevor ich einen fertig habe, und nun, da ich dies Homepages habe, möchte ich wirklich die ganze Zeit neue Fotos veröffentlichen, so daß ich denke, ich werde für immer weitermachen, hihi…Im Moment habe ich selbst 40 Freaks und ich habe noch 11 weitere gemacht, glaube ich.

Burkhard: Welche Reaktionen hast du bislang von Erwachsenen und Kindern erhalten?

Monika: Die meisten Leute, die die Freaks treffen, mögen sie sehr. Die meisten Leute sind allerdings etwas schüchtern, mit ihnen zu sprechen, zumindest die Erwachsenen, hihihi…Ich selbst habe nicht viele Reaktionen von Kindern gesehen, aber ich habe von anderen Leuten, die Freaks haben oder Bilder von Freaks Kindern gezeigt haben, gehört, daß diese sie lieben. Aber einige Christen sind der Meinung, daß Rødingen wie ein Dämon mit Hörnern aussieht, hihihi…Als ich meine erste Zeichnung von Rødingen machte, dachte ich an ihn als jemanden, der versucht, ein bißchen unheimlich auszusehen, aber der sowieso lustig aussieht, weil er so süß ist. Ich schätze, du hast ihn im Booklet von "Orgasm" gesehen auf dem Gemälde zu "Secondhand Traumas". Er geht mit seinen Händen nach vorne zeigend, das ist die typische Weise, einen Geist zu zeichnen, denke ich – er kommt, um dich zu holen! Hihihi…Da er neben dem Text abgebildet ist, kannst du dir vorstellen, daß er gerade traumatisiert ist und daß unheimlich zu schauen ein Weg für ihn ist, um sich zu schützen. Ich habe das Bild gemalt, bevor Rødingen zum Leben erweckt wurde, und mit all der Liebe und Fürsorge, die ich ihm gebe, hat er keine Traumata mehr! Hurra!

Burkhard: Wieviel Zeit hast du gebraucht, um Rødingen und die anderen Freaks zu erschaffen? Und wie lange hat es gedauert, die Kleidung für deine Freaks zu stricken?

Monika: Es dauert 8-9 Stunden, einen Freak zu machen, außer Dixie, der riesengroße, der drei- bis viermal solange gedauert hat. Ich habe sie bislang nur per Hand gemacht, aber jetzt habe ich eine Nähmaschine, so daß ich versuchen werde, damit zu nähen. Ich weiß allerdings nicht, wie gut es funktionieren wird, Finger und Zehen zu machen…Ich weiß wirklich nicht, wie lange es gedauert hat, die Kleidung zu stricken, aber ich habe es immer getan, während ich in einem Auto saß oder während ich mit Freunden etwas getrunken habe, so daß ich nicht daß Gefühl hatte, daß es soviel Arbeit gewesen ist. Nach zu vielen Drinks habe ich ein paar wirklich sonderbare Strickereien gemacht, hihihi…

Burkhard: Hast du bereits irgendwelche Angebote von Leuten erhalten, die Rødingen und die anderen Freaks gerne für Spielzeuggeschäfte in Norwegen oder anderen Teilen der Welt herstellen würden? Ich könnte mir vorstellen, daß insbesondere Rødingen und Grønningen ein großer kommerzieller Erfolg werden könnten.

Monika: Nein, habe ich nicht. Ich habe sie ohnehin nicht Leuten gezeigt, die mit solchen Dingen zu tun haben. Oft sagen Leute, ich sollte sie für kommerzielle Märkte herstellen, aber es wäre zuviel Arbeit, wenn ich soviele herstellen sollte…

Burkhard: Falls du nicht bereits solche Angebote erhalten hast, wie würdest du darauf reagieren? Könntest du dir vorstellen, die Copyrights an andere Leute zu verkaufen und dann keine Kontrolle mehr darüber zu haben, was sie mit deinen eigenen "Kindern" tun werden?

Monika: Das würde ich nie tun. Wenn ich Freaks für andere Leute gemacht habe, habe ich immer versucht sicherzustellen, daß sie in Häuser kommen, wo sie geliebt werden und wo man sich um sie kümmert und so. Es tut ein bißchen weh, einen Freak gehen zu lassen und ich möchte sie alle behalten, so daß ich mir nur vorstellen kann, wie schlimm es sich anfühlen würde, wenn sie in Massen und wahrscheinlich nicht so cool produziert würden, wie es der Fall sein sollte. Ich schätze, jemand anders hätte Plastikaugen verwendet, um sie sicherer für Kinder zu machen und so…Die Freaks, die ich mache, sind nicht wirklich so sehr für Kinder geeignet; die Augen können rausfallen, wenn sie roh behandelt werden, und da sie handgenäht sind, können sie nicht wirklich von Kindern benutzt werden, die sie ziehen und strecken und überall hinwerfen…
Ich habe allerdings daran gedacht, Bücher, Kalender, Musikvideos und kleine Filme mit den Freaks zu machen. Es wird allerdings noch eine Weile dauern, bevor ich damit anfangen kann. Ich brauche mehr Fachkenntnisse in Foto- und Videotechnik und ich habe keine Videokamera, aber mit der Zeit wird es kommen, und zwar alles.


Miss Loona stellt vor: Rødingen - Freak, Sänger, Harfenist.

Burkhard: Auf einer anderen Website, die du für deinen Freund Pete machst, der eine ähnliche Art von Humor wie du zu haben scheint, verwendest du das Pseudonym Claydermädchen. Wie bist du auf diesen sehr deutsch klingenden Namen gekommen? Ich erinnere mich an einen Klavierspieler namens Richard Claydermann (oder war es Clayderman?), so daß du gedacht haben könntest, wenn es einen Claydermann gibt, warum nicht ein Claydermädchen (vielleicht könnte sie seine Tochter sein), aber hast du jemals von diesem Typen gehört?

Monika: Natürlich! Richard Clayderman spielte dieses Stück "Ballade pour Adeline", von dem wir unsere eigene Version gemacht und die wir "Feelings" genannt haben. Da ich bei diesem Stück Klavier spielte, war es selbstverständlich, daß ich mich selbst Claydermädchen nannte, insbesondere, da ich eine genauso gute Klavierspielerin bin wie er, hihihihi!

Burkhard: Ich muß gestehen, daß ich zunächst schockiert war, als du mir sagtest, du hättest Atrox verlassen, denn es war sehr unerwartet und kaum irgendein anderes Metalalbum (außer Fear Of Gods "Within The Veil") hat mich dermaßen beeindruckt wie "Terrestrials" (ich habe es innerhalb von weniger als 2 Jahren mehr als 350mal gehört). Bedeutet die Tatsache, daß du schließlich Atrox verlassen hast – etwas, das Season of Mist gerne gesehen hätten, als Atrox noch bei ihnen unter Vertrag waren -, daß die Kombination aus Metal und einer außergewöhnlichen Stimme wie deiner nicht funktioniert? Was genau waren die Gründe für dich, Atrox zu verlassen? Ich meine, verglichen mit "Contentum" und "Terrestrials" ist der Gesang auf "Orgasm" moderat. Haben dich die anderen Bandmitglieder in diese Richtung gedrängt und fühltest du dich bereits unwohl mit dieser Entwicklung? Oder war es eher so, daß Metal im allgemeinen für dich langweilig wurde? Könntest du dir immer noch vorstellen, ein anderes Metalalbum mit anderen (Studio-?) Musikern aufzunehmen oder ist dieses Kapitel für dich ein für allemal abgeschlossen?

Monika: Ich denke, die Kombination aus Metal und außergewöhnlichem Gesang funktioniert sehr gut, aber ich denke, die Instrumentierung in diesem Rahmen sollte auch recht außergewöhnlich sein. Ich mochte die Richtung, die wir auf "Terrestrials" eingeschlagen hatten, wirklich sehr, und wenn wir uns in diese Richtung weiterentwickelt hätten, wäre ich in der Band geblieben. Ich dachte tatsächlich, daß wir ein bißchen zuviel Meshuggah-artige Riffs auf diesem Album hatten, und als der Rest der Band diesen Teil unserer Entwicklung "in die Arme schloß", anstatt sich mehr auf Harmonien/Disharmonien und Melodien zu konzentrieren, verlor ich das Interesse an der Band. Wir waren immer unterschiedlicher Auffassung darüber, wie die Songs arrangiert werden sollten, und ich stellte fest, daß es nicht mehr klappt, wenn 4 Typen eine Sache wollen und nur einer (ich) das Gegenteil will. Ich könnte mir vorstellen, wieder in einer Metalband zu sein, aber es müßte etwas ganz Besonderes sein – ich habe all diese Klischees so satt und ich mag auch kaum noch irgendwelche Metalbands. Ich schätze, ich werde einfach damit fortfahren, Musik auf die Weise, wie ich es will, zu machen, und wenn etwas irgendwie heavy wird, wird das für mich das Äußerste sein, was dem nochmaligen Singen in einer Metalband nahekommen wird. Eine Metalband bat mich vor einem Jahr oder so, bei ihnen einzusteigen, aber ich sagte nein – sie hatten auch eine Art Death Metal-Sänger, und ich werde nie wieder ein Teil dieses stumpfsinnigen "Beauty & Beast"-Dings sein.
Oh, meine Schwester Ann-Mari fragte mich vor nicht allzu langer Zeit, ob ich an einem Album teilnehmen wollte, wo wir beide unsere guten alten Metal-Lieblingssongs singen und Musiker mieten würden, und das könnte in der Tat lustig werden! Ich würde "What Love Can Be" von Kingdom Come singen wollen, falls dies je geschehen sollte, hihihi…

Burkhard: Dein Freund Pete, der Bass und Moog auf "Orgasm" spielte und auch für den männlichen Gesang verantwortlich war, hatte Atrox bereits kurz nach der Veröffentlichung von "Orgasm" (oder war es sogar davor?) verlassen. Hat dies deinen Entschluß, Atrox zu verlassen, in irgendeiner Weise beeinflußt? Oder andersherum gefragt: Wärest Du immer noch bei Atrox, wenn Pete nicht gegangen wäre?

Monika: Petes Gründe, die Band zu verlassen, waren meinen sehr ähnlich. Wenn wir also beide geblieben wären, wären wir zwei Leute gegen drei, so daß es immer noch unfair wäre, wenn wir beide über die musikalische Richtung der Band entschieden hätten, weshalb ich nicht glaube, daß es funktioniert hätte, wenn er auch geblieben wäre. Wir haben diese Dinge in der Band diskutiert einige Zeit, bevor er ging, und die anderen sagten, sie wollten, daß wir beide bleiben sollten und daß sie dabei kooperieren würden, die Songs so zu arrangieren, wie wir es wollten, aber in der Realität funktionierte es einfach nicht. Es endete immer damit, daß ich versuchte, die Songs zu ändern, und die anderen mit ihnen, so wie sie waren, glücklich waren, so daß es das Beste für uns alle war, daß es auf diese Weise endete. Atrox haben jetzt einen neuen Sänger und er ist recht gut und es scheint, als ob seine Stimme mehr "Metalheads" mögen als meine. Ich glaube nicht, daß Metal-Leute das richtige Publikum für meine Art Gesang sind, so einfach ist das.

Burkhard: Aus den Interviews mit Dir und anderen Mitgliedern von Atrox, die ich in der Vergangenheit gelesen habe, hatte ich den Eindruck gewonnen, daß die anderen immer unterstützten, was du gemacht hast, insbesondere, als eure frühere Plattenfirma Season of Mist dir vorwarf, die Musik mit deinem Gesangsstil zu ruinieren. War dieser Eindruck falsch? Oder haben die anderen Mitglieder von Atrox schließlich ihre Meinung geändert?

Monika: Nein, sie haben mich immer unterstützt. Aber sie dachten normalerweise, daß alles, was ich machte, cool wäre, so daß sie auch mit meinem Gesang in einer "normaleren" Form glücklich waren, und ich denke, sie hätten es lieber gesehen, wenn ich weiterhin so gesungen hätte, wie ich es auf "Orgasm" getan habe. Ich glaube außerdem, daß sie glücklich sind mit ihrem neuen Sänger, der einen "normaleren" Gesangsstil hat.

Burkhard: Jetzt, da du nicht mehr bei Atrox bist, was können wir von dir erwarten? Irgendwo erwähntest du, du hättest bereits Songs geschrieben, die einfach weder zu Atrox noch Tactile Gemma passen würden, wirst du also eine Solokarriere anfangen? Falls ja, kannst du bereits etwas darüber sagen, wie die Musik klingen wird? Eine Art Mischung aus all den verschiedenen Musikstilen, die du selbst gerne hörst? Gibt es irgendwas, das du uns bereits über das neue Projekt namens Swamling sagen kannst, welches auch auf deiner Website erwähnt wird?

Monika: Ich habe jetzt Tactile Gemma ebenfalls verlassen. Wie sich die Leser wahrscheinlich vorstellen können, wurden die Interviewfragen zu verschiedenen Zeitpunkten beantwortet. Ich habe Tactile Gemma verlassen, da es schwierig war, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der so weit weg lebt und den ich kaum jemals treffe oder mit dem ich kaum jemals spreche. Ich war auch der Meinung, daß die Musik insgesamt zu ähnlich wurde und daß sie zu sehr auf Samples und Programmierung beruhte. Ich ziehe es vor, in einer Band zu arbeiten, wo ich selbst auch Musik mache und wo wir mit den Arrangements zusammenarbeiten und so, weshalb jetzt meine einzige Band Swarmling ist (das sind Pete, Rødingen und ich), und ich habe ein bißchen Musik aufgenommen und geschrieben, die nicht wirklich zu Swarmling passen wird, so daß ich auch ein bißchen als Solokünstlerin arbeite. Das Zeug, was ich bislang alleine aufgenommen habe, und das mit Swarmling ist von unterschiedlicher Soundqualität, da wir inzwischen neues Equipment gekauft haben, so daß wir eventuell neu aufnehmen müssen, aber bislang ist die Musik ein bißchen Folk-artig (inspiriert von englischem Folk Rock) und einiges ist so ziemlich in dem Stil des Synthesizer-Zeugs, was ich bei Atrox gespielt habe, Rødingen singt ein bißchen und spielt etwas Harfe und ich habe ein paar Arrangements für vier Stimmen gemacht. Ich schätze, wir werden viel mit Gesangsharmonien und mehreren Stimmen übereinander arbeiten. Bislang haben wir kein Schlagzeug verwendet, nur Congas bei einem Song, aber Pete plant, auch mit dem Schlagzeug anzufangen. Wir haben bislang auch keine E-Gitarren verwendet, vielleicht werden wir es auch künfitg nicht. Ich schätze, mein extremster Gesang wird für mein Solowerk reserviert werden, welches bislang hauptsächlich auf Gesang und etwas Instrumentierung basiert.

Burkhard: Könntest du dir vorstellen, live mit einem deiner zukünftigen Projekte oder als Solokünstlerin aufzutreten (alleine oder zusammen mit einigen anderen Musikern?

Monika: Hmmm, vielleicht…Aber ich fürchte mich auch etwas vor der Bühne, so daß ich es nicht genau weiß. Ich weiß auch nicht, ob ich es wagen würde, einfach einen Haufen Musiker zu mieten, um live aufzutreten. Mit Swarmling sind wir nicht genug Leute, um alle Instrumente gleichzeitig zu bedienen, und ich weiß nicht, ob wir es wollten, daß irgendjemand anders unsere Songs spielt, also…vielleicht nicht.

Burkhard: Hast du in letzter Zeit irgendwelche neuen Künstler/Bands entdeckt, die du gerne empfehlen würdest?

Monika: Gestern hörte ich eine Band, die cool zu sein schien, Animal Alpha – die Sängerin erinnerte mich recht stark an Nina Hagen. Dann ist da Paatos – eine Art Prog-Musik mit weiblichem Gesang, Anti-Depressive Delivery natürlich, White Willow scheinen ganz nett zu sein, habe allerdings noch nicht viel davon gehört – es ist Prog mit weiblichem Gesang, Daisy Chainsaw ist die frühere Band der zwei Leute von Queen Adreena und die sind ziemlich cool. Porcupine Tree ist auch großartig, ebenso Nektar und Kaleidoscope, alte Bands natürlich, aber für mich sind sie neu, hihihi. Ich möchte auch Tim Buckley (Jeff Buckleys Vater) empfehlen, Shelley Hirsch, Honey Is Cool und The Knife. Ich versuche auch, etwas von Tagaq zu finden, dem Obertonsänger, der auf Björks aktuellem Album singt.


Genau wie Rødingen und seine Geschwister musiziert Miss Loona gerne.


Burkhard: Irgendwelche letzten Worte an die Leser dieses Interviews?

Monika: Existiert ihr? Hihihi…war nur Spaß. Besucht http://swarmling.net (Anmerkung: Seite existiert nicht mehr. - Burkhard) und habt Spaß. Behandelt die Erde gut und seid offen für alle Arten cooler Musik. Aber nicht, daß ich entscheiden würde, was ihr tun solltet…

Burkhard: Nun, das war es dann. Ich danke dir sehr dafür, daß du dir die Zeit genommen hast und so geduldig warst, meine Fragen zu beantworten und ich wünsche dir alles Gute für deine Zukunft!

- Burkhard - 11/04