Ja, was ist dran am Mythos Trust? Und warum machen gut ein Vierteljahrhundert
nach der Hoch-Zeit von Trust zwei Gestalten, deren musikalische Schnittmenge
nicht übermäßig groß ist (ich sag‘ nur: Led Zep...)
daran, einen längeren Text über eben jene Band zu verfassen, die
auch beim Rest der "Redaktion" des Fanzines, das von einer kleinen
Gruppe von Menschen, die sich im Internet verirrt hat, gelesen wird, entweder
Schulterzucken oder Unverständnis hervorruft? Kürzlich habe ich
das 1992 erschienene 80er-Live-Album einem Arbeitskollegen ausgeliehen,
der als feierabendlicher DJ einen relativ breiten Musikgeschmack hat. Nach
zwei Tagen bekam ich es mit den Worten "Na ja, AC/DC sind besser..."
wieder über den Tisch geschoben. Trust waren große AC/DC-Fans,
und eine gewisse musikalische Ähnlichkeit ist natürlich vorhanden,
lag’s also vielleicht an den nicht verstandenen französischen Texten?
Ich verstehe bis heute praktisch kein Französisch, außer vielleicht
wenn ich's lese. Trotzdem habe ich so Anfang 1993 mein erstes Trust-Album
gekauft, gut 10 Jahre, nachdem Klaus mit französischem Hard-Rock in
Frankreich unangenehm auffiel. Das Rock Hard bildete damals ziemlich gut
meinen Musikgeschmack ab, und die Plattenkritiken waren auch noch zuverlässige
Ratgeber, um das Schüler-BAFöG bzw. den Zivildienstsold zu verprassen.
Im Januar ’93 war Live unter den 10 besten Alben des Monats (neben
White Trash, Two Heebs And A Bean von NOFX, das ich mir dann übrigens
auch gekauft habe, weil vom Bad Religion-Label Epitaph). Trust kannte ich
bis dahin von Cover-Versionen von Anthrax, der Band, die wohl wie keine
andere
dafür sorgte, daß Trust außerhalb Frankreichs nicht vergessen
oder überhaupt erst bekannt wurde, vor allem durch Antisocial
auf dem 88er-Album State Of Euphoria, auf dessen Inner-Sleeve Drummer
Charlie Benante auch mit Trust-T-Shirt zu sehen ist. Auf der Penikufesin-EP
wurde mit Sects ein weiterer Song des Répression-Albums
gecovert – beide Songs natürlich in der version anglaise. 1991
veröffentlichten Anthrax mit Attack Of The Killer B’s ein eher
überflüssiges Album, aber dafür war Sects nochmal
drauf (da Penikufesin nur in Europa und Japan rauskam) und in den
liner notes wurden die amerikanischen Fans erneut auf die komische Band
aus Frankreich hingewiesen: "Trust wrote some great songs. Antisocial
is one of the all time anthems ever. It’s a shame that this band didn’t
get the exposure in the U. S. that other bands got in the early 80‘s. They
were real life. No Dungeons and Dragons Fantasy lyrics from this band. The
wrote from the heart. Hardcore. Check out ‚Repression‘". Das dürfte
Klaus aus der Seele gesprochen sein, auch wenn ich wette, daß er Anthrax
haßt [Würde ich nicht unbedingt sagen; ich kann zwar mit der
stilistischen Ausrichtung der Band bzw. deren Art von Songwriting nicht
allzuviel anfangen – auch wenn ich zugeben muß, daß Madhouse
wirklich was hat -, aber das ist lediglich Geschmackssache und somit kein
Grund sie zu hassen – Klaus]... Für die, dies (nicht
mehr...) wissen: Anthrax gehörten mit ihren ersten drei, vier Alben
neben Metallica, Slayer und Megadeth zu den Thrash-Metal-Größen
in den 80ern, wobei die Band immer ihre Bindung an die NY-Hardcore-Szene
hervor hob (wurde von den HC-Leuten oft anders gesehen).
Wohl nur deshalb habe ich die Trust-Besprechung im RH nicht gleich gedanklich
in der Schublade "Metal/Hard-Rock aus Frankreich, das wird schon sowas
sein..." abgelegt.
In der Februar-Ausgabe war dann ein Interview mit Bernie Bonvoisin
zu lesen, das diesen als eine äußerst sympathischen und auch
heute noch glaubwürdigen Zeitgenossen qualifizierte. Die Aktualität
des 1980 entstanden Songs Fatalité, die Bernie im Interview
anspracht, bestätigte sich Ende 2005 erneut, als in Pariser Vorstädten
Autos brannten und bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten.
Die beschriebene Mischung aus Rock’n’Roll, Metal, Punk und linker Politik
führte dann zum Kauf des erwähnten Live-Albums.
Von reinem Hard- oder Blues-Rock hatte ich noch nie viel gehalten, war mir
entweder zu macho-mäßig oder zu wenig katharsisfördernd
(ich vereinfache das jetzt natürlich, sicher gibt es Ausnahmen, aber
mir fehlt die Motivation, mich damit näher auseinander zu setzen).
Trust ergänzten den Blues-Rock von AC/DC mit intelligenten Texten (die
sich mir hauptsächlich aus den englischen Fassungen erschlossen) und
einer Aggression im Gesang, die durch die französische Sprache perfekt
ergänzt wird. Vielleicht schlägt da auch die Freude unserer westlichen
Nachbarn am oft opernhaften Inszenieren von Demonstrationen, Streiks oder,
wenn in letzter Zeit auch nicht mehr so häufig, Revolutionen durch,
etwas, was ja nicht so der Deutschen Ding ist, Mauerfall hin oder her.
In der Folgezeit konnte ich mir einige der Alben von Trust relativ günstig
besorgen, denn Anfang der 90er waren sie regulär im Plattenladen zu
finden, einschließlich der englischen Fassungen, heute tauchen sie
hin und wieder bei ebay oder bei amazon auf.
Losgelassen haben mich Trust seitdem nicht mehr. Erstes geschriebenes Zeugnis
war ein längerer Artikel
im Nonkonform #3 Ende 1995, bald darauf beschlossen Trust nach einer
längeren Pause, die man als Auflösung interpretieren konnte, es
noch einmal zu versuchen – ich maße mir nicht an, darin einen ursächlichen
Zusammenhang zu sehen.
Es gibt nur wenige Bands, deren Musik mich über so einen langen Zeitraum
begleitet hat, spontan fallen mir noch Joy Division oder New Model Army
ein. Anfang 2005 erwachte, durch eine e-mail von Klaus, glaube ich, erneut
des Interesse an der Band, und ich brachte meine Trust-Sammlung mit Hilfe
unseres Lesers Hansjörg aus Reutlingen und von Klaus auf einen aktuelleren
Stand. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, daß die
Band noch so frisch wie früher klingen würde, aber das 2000er
Live-Album Still A-Live verursachte immer noch Gänsehäute.
Es war dann jedoch das letzte Werk von Trust. Endgültig, heißt
es. [Ende 2006 mußte diese Aussage revidiert werden].
Es gibt nicht viel zu Trust im Internet zu lesen, zumindest nicht auf Deutsch.
Und so beschlossen Klaus und ich, der Band unser ganz persönliches
Denkmal zu setzen. Es war ein langer Weg. Aber wenn diese Zeilen im Netz
zu lesen sind, wurde er zu Ende gegangen.
- Martin -
Bildnachweis: (1) Charlie Benante auf dem "State Of
Euphoria"-Innersleeve (1988), (2) Anthrax auf dem "Paris By Night"-Live-Album
(1988) von Trust