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1982
hatte sich das Besetzungskarussell erneut gedreht und auf dem
Schleudersitz hinter der Schießbude hatte nun Clive Burr Platz genommen
– in einem etwas bizarren Tausch wechselte dafür Nicko MacBrain zu
dessen ehemaliger Band Iron Maiden. Mit diesem Line-up wurde das im
September 1983 erschienene, schlicht IV betitelte und in Fankreisen auch als Idéal
geläufige Album eingespielt, mit dem letztlich der Niedergang der Band
eingeläutet wurde. Eigentlich schwer nachvollziehbar, denn mit diesem –
musikalisch wie textlich – ausgereiftesten und differenziertesten Werk
der Bandgeschichte hätte TRUST eigentlich der ganz große Durchbruch
gelingen müssen. Zu einer Zeit, in der ehemalige Vorzeigebands wie
Saxon, Y&T oder Molly Hatchet am mißlungenen Spagat zwischen Härte
und Kommerzialität fast zugrunde gegangen wären, warteten TRUST mit
eingängigen Songs und gelungenen Arrangements auf und ließen es dennoch
nicht an einer äußerst gesunden Portion Heavyness mangeln.
Möglicherweise lag es aber auch an der ein Jahr später (zu spät?) unter
dem Titel Man´s Trap
veröffentlichten englischen Version, die durch ihre von Angus-Onkel
Alex Young verbrochenen, doch recht banalen Allerweltslyrics dem
Material viel von dem TRUST-typischen rebellischen Charme nahm, daß es
von nun an bergab ging?
Insider vermuten, daß es TRUST zu diesem Zeitpunkt einfach versäumten,
ihren Erfolg durch eine ausgedehnte Welttournee mit Judas Priest zu
zementieren und sich statt dessen mit IV verkünstelten: Ursprünglich hätte das Album von Todd Rundgren, der sich als Produzent von Meat Loafs Bat out of Hell
einen Namen gemacht hatte, in New York produziert werden sollen, was
sich aber relativ schnell als unpassende Konstellation erwies.
Daraufhin zauberte die Plattenfirma Andy Johns (u.a. Deep Purple, Led
Zeppelin) aus dem Hut, mit dem mehrere Studios in L.A. und Frankreich
getestet wurden. Dem Perfektionisten gelang es allerdings nicht, einen
Schlagzeugsound zu finden, der seinen Ansprüchen gerecht wurde, so dass
er sogar so weit ging, Clive Burr durch den Eddie Money-Drummer Garry
Malaber ersetzen zu wollen. Letztlich setzte sich die Band aber durch
und das Album wurde schließlich mit Burr in langwierigen Sessions in
einem umgebauten alten Kino in Paris eingespielt. Da das
Produktionsbudget bereits während der Vorproduktionsphase mehr oder
weniger komplett verbraten worden war, werkelte die Band teilweise im
Alleingang ein geschlagenes halbes Jahr an den Aufnahmen. (Quelle: Rock
Hard Nr. 428; Februar 2023).
All diesen Widrigkeiten zum Trotz war TRUST mit IV ein schlüssiges Album gelungen, mit dem Bernie Bonvoisin sein Meisterstück als Lyriker abgeliefert hatte. Besonders hervorzuheben sind Varsovie, das sich u.a. kritisch mit der Öffnung des Ostblocks auseinandersetzt und dem polnischen Gewerkschaftsführer Lech Walesa als l´homme de marbre ein Denkmal setzt, das poppig angehauchte, mit einem schönen Saxophon-Solo veredelte Idéal,
in dem es um die Problematik von Idealen und Identitätsfindung geht,
sowie das sich über die komplette zweite LP-Seite (die sog.
„Devil-Side“) erstreckende, biblisch angehauchte Konzeptstück.
Letzteres besteht aus den Songs Purgatoire, Le Pacte, La Luxure und Le Jugement dernier
und bereitet einige christlich-mystizistische Themenbereiche für die
Neuzeit auf; es geht grob gesagt um ein paar ausgewählte Todsünden,
einen metaphorischen Pakt mit dem Teufel (was einige Kritiker dazu
veranlaßte, die Band fälschlicherweise in die Black Metal-Schublade zu
packen) und das dadurch bedingte unausweichliche Verderben.
Letztendlich wird somit immerhin der Titel der englischsprachigen
Version etwas anschaulicher, wenn auch deren Texte die Tiefe des
französischen Originals bei weitem nicht erreichen (zugegebenermaßen
fügen sich die englischen Vocals allerdings etwas harmonischer in die –
geringfügig überarbeiteten - Arrangements von IV ein als dies bei den Vorgängeralben der Fall war). Lediglich ´84´
hebt sich wohltuend vom textlichen Einerlei der Young-Lyrics ab; zwar
wurde die Orwellsche Schreckensvision eines Überwachungsstaates auch
schon gehaltvoller umgesetzt, doch zumindest wurde so ein gewisser
Anspruch aufrechterhalten. Heutzutage erinnert sich vermutlich kaum
jemand mehr daran, für was für einen Wirbel das bevorstehende
Orwell-Gedächtnisjahr 1984 damals gesorgt hatte. Wen wundert´s...? Aber
zurück zu Man´s Trap:
Überflüssigerweise wurde infolge der Aufgabe des Originalkonzeptes auch
die Reihenfolge der letzten beiden Songs der B-Seite vertauscht, was
den musikalischen Fluß doch ein wenig beeinträchtigt und einen weiteren
Minuspunkt gegenüber der französischsprachigen Version darstellt.
So bleibt leider nur festzuhalten, daß dieses vorzügliche Werk
weitestgehend auf Desinteresse stieß und die Band auch finanziell
gewaltig ins Hintertreffen brachte; die ausufernden Aufnahmesessions
hatten das Budget mehr als überstrapaziert!
Statt nun allerdings das hochdotierte Angebot von Ahmed Ertegün
höchstselbst wahrzunehmen, zu dessen Label, dem Branchenriesen
Atlantic, zu wechseln, entschlossen sich TRUST dazu, ihren auslaufenden
Vertrag mit CBS zu verlängern, da es der Band so einfacher schien, ihre
Schulden abzutragen – eine Entscheidung, die sich bald rächen sollte…
Mit
dem Ende 1984 veröffentlichten, äußerst schwachen Nachfolger
Rock´n´Roll setzten sich Trust mit abermals neuem Schlagzeuger Farid
Medjane (zwischenzeitlich hatte auch ein gewisser Thierry Dutru die Kessel
gerührt) dann endgültig zwischen alle Stühle. Anders als
ein völlig planloser und übereilter, in nur sechs Wochen eingespielter,
"Wiedergutmachungsversuch" läßt sich dieses Album auch
kaum deuten. Nach dem noch recht forschen Eröffnungsriff von Chacun
sa Haine regiert eher biederes Midtempo-Mittelmaß: In der Mehrzahl
an den Vorgänger angelehnte, allerdings relativ uninspirierte und kraftlose
Arrangements treffen auf rock´n´rollige Songstrukturen, absolut deplazierte
Keyboards zirpen sich durch so manchen Refrain (gleich 3 Keyboarder geben
sich auf Rock´n´Roll die "Ehre"!), und selbst der auf IV
noch so originelle Einsatz eines Saxophons klingt auf Avenir (dt.:
Zukunft) eher blutarm.
Auch der mißglückte, schlagerhafte Versuch einer Art Mitsinghymne
in Form des B-Seiten-Openers Serre les Poings ("Ball´ die Fäuste!")
wirkt orientierungslos, wie eigentlich das gesamte Album (Surveille ton
Look ist zu weiten Teilen von KISS´ I love it loud abgekupfert!),
und lediglich I shall return/Je reviendrai und Rock´n´Roll Star
erinnern noch entfernt an ehemalige Glanztaten, wenngleich auch hier
eher lasche Arrangements den Gesamteindruck schmälern. Irgendwie hört
man dem Album einfach an, daß die Einigkeit innerhalb der Band auf
der Strecke geblieben war: Gitarrist Nono wollte fortan auf technisch anspruchsvolleren
Pfaden wandeln, während der Rest der Band wieder back to the roots
gehen wollte.
Textlich – das sei der Fairneß halber erwähnt – ist nach wie
vor kaum etwas auszusetzen; Bernie bedient sich weiter seiner Lieblingsfeindbilder
aus der ehrenwerten Gesellschaft, wettert gegen den ach so schönen
Schein und die allgegenwärtigen Holzköpfe und ruft seine Fans
zum zivilen Ungehorsam auf. Dies allerdings inzwischen in einer im Vergleich
zu den frühen Veröffentlichungen doch deutlich moderateren und
gewählteren Ausdrucksweise.
Im Wesentlichen muß ich Klaus leider zustimmen: Sowohl bei der
Titelgebung des Albums als auch beim Songwriting ließ man wenig Kreativität
walten. Zwischen den Zeilen kann man dies auch auf der offiziellen Band-Homepage
nachlesen ("Besides things are clear: the band claims its rock status,
and the album title is here to remember it. Moreover, the songs adopt a
direct and effective structure."). Nicht nur die Live-Auftritte schienen
als "Arbeit" empfunden worden zu sein (siehe unten), auch schon
zuvor beim Album lieferte man Arbeitsleistung nach Tarif-Stundenlohn ab.
Zu den Keyboards kann man stehen wie man will. Puristen lehnen sie natürlich
ab. Meiner Meinung nach sind sie auf Rock'n'Roll nicht überpräsent,
was gleichzeitig heißt: man hätte auch darauf verzichten können.
Serre les Poings gibt einen kleinen Hinweis darauf, wie man sich
in Teilen der Band wohl die musikalische Ausrichtung der Zukunft vorstellte.
Ähnliches kennt man von den rockigeren Stücken von Stephan
Eicher, vor allem von seinen französischsprachigen Songs (u. a.
singt er auch englisch, deutsch und schweizerdeutsch). Für "echte
Rock'n'Roller" ist der natürlich nix, wobei aber z. B. seine Vertonungen
von Texten von Philippe Djian zu abendlicher Stunde gut anzuhören sind.
Auf einem Trust-Album wirkt so etwas aber leicht deplaziert, und
lediglich Bernies Gesang reißt das gesamte Album aus der Mittelmäßigkeit.
Vermutlich könnte er mit diesem mit jeder Kirmes-Rockband einen Volksaufstand
provozieren.
(- Martin - )
Erstmals seit dem Debüt sollte es von Rock´n´Roll keine version
anglaise geben, und die Differenzen innerhalb der Band traten auf der
folgenden Frankreich-Tour denn vollends zutage als man in getrennten Bussen
zu den Auftrittsorten gondelte. Es kam, wie es kommen mußte: Am 31.
Juli 1985 verkündeten Trust anläßlich eines Konzerts in
Ploubalay noch auf der Bühne ihre Auflösung!
Posthum machte Bernie Bonvoisin neben den internen Querelen auch falsche
strategische Entscheidungen für den Niedergang der einstigen Vorzeige-Anarchorocker
verantwortlich, wie er in einem Interview mit dem Rock Hard 1993 einräumte:
"Dieser Streß Platte – Tour – Platte – Tour hatte die Band
mürbe gemacht. Davon abgesehen haben wir auch Fehler gemacht. Nach
der Deutschland-Tour mit Iron Maiden hatten wir Angebote, nach Amerika zu
gehen oder in ganz Europa mit Def Leppard zu spielen. Statt dessen entschieden
wir uns dafür, mit Starfighter im Vorprogramm eine weitere Frankreich-Tour
zu absolvieren, um den Erfolg voll auszukosten. Aber die Leute waren gelangweilt
und wir selbst auch. Wenn du es als 'Arbeit' empfindest, auf die Bühne
zu gehen, dann sollte man besser aufhören." (Quelle: Rock
Hard Nr. 69, Februar 1993, Seite 94).
In der Folgezeit schloß sich Gitarrist Nono dem enorm erfolgreichen französischen Schlagerrocker Johnny Halliday an, was Bernie Bonvoisin des öfteren zu zynischen Seitenhieben gegenüber seinem Ex-Kollegen ob dessen Status als Guitar Hero und Quasi-Punkrocker veranlaßte, Bernie lui-même veröffentlichte 1986 seine erste Solo-Platte Couleur Passion auf Polygram, die wie auch seine weiteren beiden Scheiben in eine Rhythm´n´Blues-lastige Richtung tendiert (auf allen dreien ist übrigens auch Yves "Vivi" Brusco an der Gitarre mit von der Partie), doch ansonsten schienen die ehemaligen Staatsfeinde mausetot zu sein. Bis schließlich Anfang 1988 Bernie und Basser Vivi die Gelegenheit ergriffen, zusammen mit Anthrax im legendären Hammersmith Odeon zu Antisocial zu jammen, was wohl die Säfte wieder zum Kochen brachte. Im April desselben Jahres, als AC/DC in Paris gastierten, ließen sich Trust zum ersten Mal seit langem wieder gemeinsam in der Öffentlichkeit blicken, und die enthusiastischen Publikumsreaktionen auf den Anblick ihrer Helden lieferten denn wohl auch die endgültige Initialzündung für die Wiedervereinigung der Band. Im Rock´n´Roll-Line-up Bonvoisin/Krief/Brusco (vom Baß an die zweite Klampfe gewechselt)/Medjane, verstärkt um einen gewissen Fred als Bassisten, spielte man zunächst ein paar Aufwärmgigs in Südfrankreich um schließlich am 24. und 25. September als Special Guest bei den Monsters of Rock in Paris abzuräumen. Einen recht guten Eindruck von der Wiederaufnahme der Band bei ihren Fans vermittelt das kurz darauf erschienene Livealbum Paris by Night, dessen Songauswahl zwar nicht gerade umwerfend ist (2 kurze Gigs mit abweichenden Setlists wurden auf Doppel-LP gepreßt), die Publikumsreaktionen dafür aber umso mehr – gerade bei der Gänsehautversion von Saumur!
Wohl um die Gunst der Stunde zu nutzen, schoben Trust noch im selben Jahr
die - zugegeben - etwas unausgegoren wirkende Mini-LP En attendant
nach, die zwar den ein oder anderen durchaus gelungenen, flotten und rockigen
Song am Start hat, der es letztendlich aber ein wenig an der persönlichen
Note sowie ein paar griffigen Stücken nach bisherigem Schnittmuster
mangelt; insgesamt gesehen kommt die Scheibe leider etwas beliebig-rock´n´rollig
daher, und dem angenehm knackigen "Proberaum-Flair" stehen zwei
relativ überflüssige Coverversionen sowie eine eher punkig-anbiedernd
anmutende Nummer namens Petit Papa Noël gegenüber, weswegen
En attendant (dt.: "Abwartend") bei den Fans als geschmähte
"Weihnachts-EP" wohl einfach durchfallen mußte: Eine gewisse
Unentschlossenheit seitens der Band schien geradezu greifbar zu sein, und
im Song Allez Monnaye Blues, welcher auch in einer version anglaise
mit auf der Platte vertreten war, ließen sich schon - wenn auch noch
äußerst verhalten - die ersten Anflüge "zeitgenössischer"
Einflüsse erkennen…
Gitarrist Nono, der bereits im Vorfeld der Veröffentlichung sein Mißfallen
zum Ausdruck gebracht hatte, verließ daraufhin konsequenterweise die
Band, um zu Johnny Halliday und dessen Pfründen zurückzukehren,
und Trust waren ein zweites Mal Geschichte.
Nutzen wir die Zeit, um hier einen link
zu einem kleinen Exkurs mit einem Überblick über Bernies Solo-Aktivitäten
zu setzen.
1988 erschien noch eine offizielle Best of-LP von Trust, 1990 Bernies
zweiter Solostreich En avoir ou pas, im selben Jahr wurde auch En
attendant außerhalb Frankreichs veröffentlicht, doch auf eine
erneute Reunion der Band hätte wohl kaum ein halbwegs realistisch tickender
Metaller einen Pfifferling gesetzt. Es sollte jedoch anders kommen! Bei einem
Treffen mit Laurence Le Ny, einer Mitarbeiterin von Epic France, brachte Bernie
Bonvoisin das Gespräch auf die anläßlich der 1980er Répression
dans l´Hexagone-Frankreich-Tour mitgeschnittenen Aufnahmen. Laurence Le
Ny nahm daraufhin die Sache in die Hand und präsentierte die Uralt-Tapes
im Rahmen einer Firmensitzung einer glücklicherweise wohlwollenden Führungsriege,
und 1992 kam völlig unverhofft Trust Live auf den Markt. Schnell
brachte es die Scheibe zu Goldehren, wohl auch nicht zuletzt deswegen, weil
inzwischen das CD-Zeitalter angebrochen war und diese einmalige Gelegenheit,
Trust pur und in Bestform für die Ewigkeit konserviert zu haben, einen
zusätzlichen Kaufanreiz darstellte. Meiner Meinung nach ist Trust
Live aber auch eine der unverfälschtesten, repräsentativsten
Liveplatten der Rockgeschichte, und aus meiner rein persönlichen Sicht
eine der Top Five im Hard´n´Heavy-Sektor! Geboten wird ein Querschnitt durch
die ersten beiden Alben (lediglich das Fehlen von Saumur irritiert
ein wenig... Zensur?) sowie zwei AC/DC-Coverversionen am Stück (Problem
Child und Live Wire), die den Originalen der If you want Blood.../Let
there be Rock (Bonfire)-Aufnahmen in nichts nachstehen, plus ein bis dato
noch unveröffentlichtes Les Brutes. All dies ohne Overdubs, präsentiert
in einer selten gehörten Intensität und mit den entsprechenden Publikumsreaktionen
versehen, die von Zeremonienmeister Bonvoisin immer wieder mit markigen "Dynamite!"-Rufen
angestachelt werden. All dies wird abgerundet durch ein eigens von Bernie
verfaßtes 36 Seiten starkes Booklet mit ausführlichen Liner Notes...
grandios!
"Ich war selbst überrascht, wie gut die Stücke grooven",
erklärte Monsieur Bonvoisin denn auch in einem Interview mit dem Metal
Hammer. "Außerdem kommt unglaublich viel Power und Energie rüber.
Es ist ehrlich... natürlich nicht perfekt, aber ich glaube, daß
die Band zum Zeitpunkt dieser Aufnahmen ganz besonders gut aufeinander eingespielt
war. (...) Von diesem Line-Up ging ein ganz besonderer Zauber aus." (Quelle:
Metal Hammer Nr. 12/92, Dezember 1992, Seite 125)
Zwar war das Interesse der Fans nun erneut geweckt, doch bis das Thema Wiedervereinigung
für Trust ein weiteres Mal konkrete Formen annehmen sollte, floß
noch ziemlich viel Wasser die Seine hinunter. Zunächst widmete sich Bernie
Bonvoisin weiterhin seiner Schauspielkarriere, veröffentlichte 1993 darüber
hinaus mit Etreinte dangéreuse sein drittes Soloalbum, und erst
nachdem über obskure Kanäle die CD Prends pas ton Flingue
das Licht der Welt erblickt hatte, die die ersten beiden Trust-Songs überhaupt
(Glamour and the Rubbish Bin und Prends pas ton Flingue von
1977), ergänzt um das altbekannte Paris by Night und dessen Vorlage
Love at first Feel, präsentiert, schien die Zeit reif für
"offizielle" Schritte. The Backsides, 1993 auf Epic erschienen,
bot neben bislang auf CD unveröffentlichten Single-B-Seiten wie Show
Business, Limousine und dem bereits als Konzertopener bekannten Darquier
noch einen Remix von Préfabriqués sowie die bereits erwähnten
Clive Burr-Songs aus IV-Demozeiten. Im Prinzip nichts weltbewegendes
– sowohl vom Songmaterial selbst her als auch im Vergleich mit der Urgewalt
der Trust Live-CD – aber allem Anschein nach wohl ein vorsichtiges
Herantasten an die Akzeptanz der Fans im Hinblick auf eine angedachte Reunion...
Im Oktober 1996 sollte es dann endlich soweit sein: Wie aus heiterem Himmel
erschien mit Europe et Haines (dt.: Europa und Haß) das sechste
reguläre Studioalbum von Trust. Bereits das Cover – es zeigt das weltberühmte
Foto eines kleinen Jungen bei der Räumung des Warschauer Ghettos durch
die Nazis, eingerahmt von den europäischen Sternen – ließ erahnen,
daß es auch hier textlich alles andere als bequem zugehen sollte! Musikalisch
kommt Europe et Haines eher etwas unspektakulär daher; geboten
wird teils richtig heftiger bluesinfizierter Rock mit toller Gitarrenarbeit
(eine ausführlichere Kritik, die hier im ZWNN erschienen ist, öffnet
sich hier in einem kleinen Fenster), eingespielt
in der Besetzung Bonvoisin/Krief mit David Jacob am Baß und Nirox John
am Schlagzeug.
Textlich
dagegen hatte sich die lange Auszeit mehr als nur positiv bemerkbar gemacht:
Endlich einmal war es Bernie Bonvoisin gelungen, all seine Anliegen zu bündeln
und ein unerwartet dichtes und geradezu lyrisches Konzept mit philosophischem
Tiefgang zu erschaffen, das sich vom ersten bis zum letzten Song in Form
einer Klimax steigert und neben einigen entspannenden hörspielartigen
Einsprengseln auch das ein oder andere Zwischenresümee beinhaltet.
In J´ai vu Dieu beispielsweise macht sich Bernie als Ich-Erzähler
Gedanken darüber, was Gott von seiner mißratenen Schöpfung
hält, nachdem in den vorangegangenen Songs allgemeine menschliche Charakterzüge
wie Gier, Haß oder Furcht in allen erdenklichen Erscheinungsformen
angeprangert wurden. Im folgenden werden diese "Untugenden" konkretisiert
und in Zusammenhänge wie unreflektierte Traditions- oder Autoritätenhörigkeit,
menschlichen Verdrängungswettbewerb und den Drang zur Unterwerfung
und Ausbeutung integriert, was schließlich in der Feststellung "Personne
ici ne l´a voulu. Mais dis moi: Tout cela était-il prévu?"
gipfelt ("Niemand hier hat das gewollt. Aber sage mir: War all
dies nicht vorhersehbar?"). Im Finale Europe et Haine kommt
es schließlich zur exemplarischen Abrechnung mit der Ignoranz der
Europäer im allgemeinen und der der Mächtigen im besonderen in
Bezug auf den Bürgerkrieg in Jugoslawien, und Bonvoisin wirft nicht
nur indirekt die Frage auf, ob eine Einigung Europas angesichts all dieser
ideologischen Grabenkämpfe überhaupt möglich ist.
In einem Interview mit dem Rock Hard faßte er darüber hinaus einige
weitere zentrale Aussagen des Albums zusammen: "Die prinzipielle Grundidee
hinter 'Europe et Haines' ist mein Zorn darüber, daß ältere
Leute die Gesellschaft lenken und den jüngeren diktieren wollen, wie
sie zu leben haben. (...) Es hat sich in all den Jahren nichts geändert.
Es sind nur andere Uniformen, andere Flaggen, aber es werden die gleichen
Grausamkeiten verübt. (...) Es geht auf das Ende eines Jahrhunderts zu,
und wenn man die Geschichte beobachtet, wird man feststellen, daß es
dann immer Schwierigkeiten gab. Es ist ein altbekanntes Phänomen, daß
in Krisenzeiten der rechte Flügel mehr Zulauf erhält. (...) Die
Leute müssen endlich reagieren! Man kann nicht nur rumsitzen, auf den
neuen Messias warten und dabei wertvolle Zeit verstreichen lassen. Man muß
selbst aktiv werden und darf nicht auf Politiker oder Wissenschaftler hoffen!"
(Quelle: Rock Hard Nr. 10/97, Oktober 1997)
Interessant auch Bonvoisins Integration der Person bzw. des Mythos Che Guevara
in sein Konzept: Im Song Guerre civile (dt.: Bürgerkrieg)
fällt dessen Name im Zusammenhang mit der Verballhornung und Pervertierung
von Idealen.
Kurzum: Ein äußerst bemerkenswertes Album, dessen geplante Übertragung
ins Englische leider bis zum heutigen Tag keine Umsetzung erfuhr, was wohl
letztlich kaum dazu beitragen wird, Trust noch einmal wie in ihren Glanzzeiten
auch über die französischen Landesgrenzen hinaus einem breiteren
Publikum zugänglich zu machen...
Die Livepräsentation von Europe et Haines erfolgte kurz darauf
beim Bol d´Or, einem berühmten Motorradrennen, vor 40000 Zuschauern,
und nachdem mit Hervé Koster abermals ein neuer Schlagzeuger angeheuert
worden war, begab sich die Band im Januar 1997 auf eine frenetisch umjubelte
Frankreich-Tour, die ihren Höhepunkt in zwei ausverkauften Konzerten
im Pariser Zenith hatte und in deren Verlauf Europe et Haines vergoldet
wurde. Obligatorischerweise wurden bei dieser Insurrection dans l`Hexagone-Tour
einige Gigs mitgeschnitten und noch im selben Jahr neben einer weiteren Best
of-CD unter dem Titel A-Live als CD und Video veröffentlicht.
Im Vergleich mit den bisher erschienenen Liveplatten der Band nimmt A-Live
eine Art "Mittelstellung" ein: Neben einer gelungenen Mischung aus brandneuen
Songs und Alltime-Classics (Live-CD-Premiere von Le Mitard!) fallen
zwei Rock´n´Roll-Klassiker (Roll over Beethoven und That´s all right
Mama) eher störend auf; hier statt dessen zwei, drei Bandhymnen mehr
und das Album wäre top! Zum Glück wurde diese Scheibe aber speziell
für den deutschen Markt um sechs Songs erweitert und anno 2000 unter
dem Titel Still A-Live via XIII Bis Records als Doppel-CD wiederveröffentlicht.
Für Fans, die das Fehlen von Songs der Marche ou crève-, IV-
und Rock´n´Roll-Ära verschmerzen können, ein echter Pflichtkauf!
Danach wurde es wieder ziemlich still um die Band. Trust hatten sich zwar
nicht offiziell aufgelöst, jedoch kümmerten sich die einzelnen Bandmitglieder
nahezu ausschließlich um ihre jeweiligen Soloprojekte. Bernie Bonvoisin,
der schon mit seinem ersten Film Les Démons de Jesus als Regisseur
Anfang 1997 für Furore unter den französischen Cineasten hatte sorgen
können, widmete sich einer weiteren Regiearbeit (Les Grandes Bouches),
die übrigen Bandmitglieder gastierten auf Alben anderer Musiker; Gitarrist
Nono und Neu-Bassist David Jacob beschäftigten sich darüber hinaus
mit Filmsoundtracks, bevor sie Anfang 1999 begannen, an neuem Material für
Trust zu arbeiten...
Zu allem Überfluß mußte die Band aufgrund einer Armverletzung
von Nono im Juni 1999 einen Headlinergig bei einem größeren französischen
Festival absagen, woraufhin Bernie begann, sich mit Abwanderungsgedanken zu
tragen, und dies zu einem Zeitpunkt, als die Stücke für den Europe
et Haines-Nachfolger bereits so gut wie fertig waren! Anscheinend ließ
sich Bernie noch dazu breitschlagen, Ni Dieu, ni Maître einzusingen,
doch nach dessen mehrfach verschobener Veröffentlichung im April des
Jahres 2000 war wieder einmal Schicht bei Trust.
Ni Dieu, ni Maître (dt.: Weder Gott noch Herr) dürfte
das mit Abstand experimentellste Trust-Album überhaupt sein; einige schlüssige
Rocksongs, ein paar ruhigere Ausflüge, ein paar zähere Ergüsse,
teilweise hart an der Grenze zur Katzenmusik... musikalisch nicht unbedingt
schlecht, aber Songs vom Schlage eines Antisocial, Les Brutes oder
meinetwegen auch Par Compromission waren nun wohl endgültig Geschichte.
Textlich zeigt sich die Band von einer zwar nach wie vor anklagenden Seite,
allerdings weit weniger aggressiv denn nachdenklich. Besonders auffallend
ist, daß Bernie mehr denn je mit religiösen Motiven spielt, um
auf Absurditäten hinzuweisen – bisweilen vielleicht etwas spitzfindig
wie in Dieu est conservateur...; seine favorisierten Themen sind diesmal
oberflächliche und wider besseres Wissen angepaßte Menschen, Opportunisten
und Karrieristen, mit denen er mitunter recht hart ins Gericht geht, und neben
ein paar persönlicheren Animositäten bekommen auch die US of A in
Question d´Ethique ihr Fett ab. Ausführlichere Kritik aus dem
ZWNN wieder hier im Fenster.
Wie gesagt: Nach Ni Dieu, ni Maître schien diesmal endgültig
Schluß bei Trust zu sein, und selbst als es Didier Guenroc, dem Organisator
des alljährlich stattfindenden Terre-Neuvas Festivals in Bobital, gelang,
Bernie und Nono zu einem einmaligen Reunionsgig am 8. Juli 2006 zu überreden,
waren die Reaktionen eher zwiespältig: Die Die hard-Fans feierten
ihre Helden ab, der Großteil der 120000 Zuschauer, die wohl eher wegen
Bands wie den Dandy Warhols, The Rasmus oder anderen Newcomern, vorwiegend
französischer Provenienz, gekommen waren, reagierte eher neutral, und
die Presse sparte nicht mit Sarkasmus der Sorte "ihre Zeit ist vorbei". Also
nicht gerade eine Massenhysterie angesichts dieser "Sensation"...
Nichtsdestotrotz zeigte sich gerade Bernie auf der Bühne von seiner allerbesten
Seite und untermauerte den politischen Anspruch von Trust vehement, indem
er ein ums andere Mal an das Bewußtseins des Publikums anläßlich
der nächsten Wahlen 2007 appellierte; Dynamite wie anno 1980?
Trust
wollten es also in der Bobital-Besetzung Bernie/Nono/Vivi plus Iso an der
zweiten Gitarre und Farid an den Drums wohl doch noch einmal wissen, und
mit entsprechend viel Tamtam wurde für das anläßlich des
Auftritts mitgeschnittene Livealbum Soulagez-vous dans les Urnes (dt.:
Entspannt euch in den Urnen) die Werbetrommel gerührt, welches
ab dem 20. November 2006 als CD und DVD in den Läden stand. Ausführlichere
Besprechung hier. Neben den beim Auftritt
präsentierten Klassikern enthält es 3 neue Songs (Sarkoland,
Chaude est la Foulle, La Mort rode). Um das Album zu promoten
fanden Anfang Dezember vier Konzerte in Frankreich statt.
Im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen 2007 meldeten
sich Trust kräftig zu Wort. Der Song Sarkoland bezieht klar
Stellung gegen den konservativen Innenminister und Präsidentschaftskandidaten
Nicolas Sarkozy, dem in Bezug auf die Herbstunruhen im Jahr 2005 in der
Pariser Vorstadt La Courneuve unter anderem das Zitat zugeschrieben wird,
daß "man diese Städte mit dem Kärcher ausmisten sollte"
(und der sich ja unlängst mit seinem Gebalze und der anschließenden
Blitzhochzeit mit Beauty und Ex-Model Carla Bruni als Staatsmann auf internationalem
Parkett komplett lächerlich gemacht gemacht hat). Bernie trat auch
aktiv als Unterstützer eines Präsidentschaftskandidaten auf, nicht
jedoch für die Sozialisten, wie man vermuten könnte, sondern für
Francois Bayrou von der bürgerlich-liberalen UDF, dessen weitgehend
idealistische Gesinnung - wen wundert´s? - sich doch ziemlich mit der des
Trust-Sängers deckt.
- Klaus -
30 Jahre nachdem die Band zum ersten Mal in dieser Konzerthalle aufgetreten
war, fand am 4. Dezember 2007 ein Konzert im Pariser "Olympia"
statt, welches nach Augenzeugenberichten - zwei
Leser
dieses Artikels waren dort - grandios war.
Eben
jenes Konzert wurde 2009 als fettes Paket "A L'Olympia" veröffentlicht,
bestehend aus einer DVD, den Songs auf 2 CDs und einer besonderen Rarität,
die von Fans lange sehnsüchtig erwartet worden war, einer DVD mit dem
"Rockpalast"-Auftritt vom Juni 1982, als Trust in Köln auftraten.
Die Bildqualität des Konzerts von 1982 ist freilich eher old-school,
doch hatten damit noch verrauschtere VHS-Aufnahmen auf youtube ausgedient.
Der Unterhaltungswert beider Konzerte ist enorm; 2007 war man spieltechnisch
zwar etwas besser aufgestellt, dafür aber körperlich ein klein
wenig stämmiger, und die rotzige Einstellung der anarchischen Endzwanziger,
die noch vom ausgehenden Punk beeinflusst waren, war teilweise gesetzten,
schwarzen Sakkos gewichen. Hier erlebt man eine Band, die immer noch Spaß
hat, ihre alten Songs zu spielen und die mühelos einen ganzen Saal
in der Hand hat. Sehr schön die Kamerafahrten ins Publikum, welches
offensichtlich aus vielen Leuten besteht, die mit ihren Helden alt geworden
sind. Schaut euch das mal im Vergleich der beiden Versionen von "Antisocial"
auf youtube an.
Die Songauswahl bedient sich zu einem Großteil aus den Werken bis
zur Mitte der 80er Jahre, was einem Jubiläumskonzert auch angemessen
scheint. Diese Box kann man sich gleich neben "Live" mit den Aufnahmen
von 1980 ins Regal stellen und sich beide getrost und ohne Enttäuschung
nacheinander anhören!
Das Gescratche eines DJs, der bei den Konzerten zum Einsatz kam, rief bei
manchen Fans Stirnrunzeln hervor, was der Band aber herzlich egal war -
der Herr durfte auch bei den Aufnahmen zum 2008 erschienenen Album "13
à Table" mit dabei sein. Eine differenzierte Betrachtung dieses
Werks findet ihr hier.
Wie Nono in einem Interview mit dem Rock Hard anno 2010 "zugab",
ging dieser neue stilistische Einfluß ausschließlich auf Monsieur
Bonvoisins Konto, und er gelobte Besserung: Das "Experiment",
wie er es bezeichnete, sei inzwischen ad acta gelegt und eine neue Scheibe
in Planung, welche wieder etwas rootsorientierter ausfallen sollte.
2010 spielten Trust noch auf zwei Festivals in Frankreich, danach widmeten
sich Bernie und Nono wieder ihren Solo-Aktivitäten. Noch im Oktober
2012 hielt sich Bernie über die Zukunft von Trust bedeckt, er hätte
viel zu tun, möchte aber nie "Nie!" sagen... Allerdings war
die offizielle Website von Trust seit Anfang 2012 nicht mehr erreichbar,
was in Fankreisen für eine gewisse Verwirrung sorgte.
Und dann dachte man sich schon, irgendwie vielleicht auch gut, daß sich die alten Säcke jetzt zur Ruhe setzen, bevor es gar noch peinlich werden könnte...
Dann
geht aber Ende 2013 eine Band mit dem Namen "Kollektif AK-47 Bernie
Bonvoisin" und einem Bandlogo, das mit dem Emblem der RAF nicht nur
entfernt Ähnlichkeit hat, auf Frankreichtour. Dem Eindruck nach tritt
das "Kalaschnikov-Kollektiv" vornehmlich in kleineren Hallen oder
Clubs auf…
Und: Wir haben es hier tatsächlich mit Trust tun! Der "Übergangsname"
(so zumindest Bernie in einem Interview mit einem französischen Webzine)
war notwendig geworden, da Nono Krief - für immer? - die Band verlassen
hatte, um sich auf seine Solo-Karriere zu konzentrieren (zum wievielten
Male, fragt man sich, wiederholt sich das nun bei Trust…) und da die
Namensrechte nun mal leider bei ihm und Bernie gemeinsam liegen.
Das, was man da bei youtube zum "Kollektif" bestaunen
kann, treibt einem als altem Fan jedoch schier die Freudentränen in
die Augen. Yves "Vivi" Brusco hat Nono an der Lead-Gitarre abgelöst
(schon auf "A L'Olympia" war er vom Bass zur zweiten Gitarre gewechselt),
und legt sich bei Klassikern wie "Préfabriqués"
ins Zeug, als wäre er dreißig Jahre jünger und würde
den Song nicht schon hunderte Male gespielt haben. Der zweite Gitarrist
ist interessanterweise Iso Diop, der etwa seit 2006 bei Trust den Bass zupfte,
Typ schwarzer High-School-Rektor mit Brille! Ein herrlich knackig polterndes
Schlagzeug bearbeitet der ebenfalls geläufige Farid Medjane, etwas
im Hintergrund versteckt brummt Neuzugang Patrick Loiseau am Bass…
Der Instrumententausch scheint der Band zu neuer Energie verholfen zu haben,
die in den kleinen Clubs auf sie zurückgeworfen und exponentiell verstärkt
wurde.
Bernie ist zum angry old man gereift, tapert entspannt zwischen den
beiden Gitarristen hin und her und lässt dabei seiner der Wut auf die
politischen Verhältnisse in Frankreich und der Front National freien
Lauf, die er auch in neue Songs wie "Dieu dans vos Bouches" gepackt
hat. Die Kopfbedeckung, die er dabei souverän trägt, könnte
man als "Anglerhut" bezeichnen, eine nette Geste ist das Anthrax-Achselshirt,
welche live auch mal gern im Trust-Shirt erscheinen.
Ganz klar, Trust sind bei diesen Auftritten von 2013 noch cooler als 1982,
weil sie einen Status besitzen, wo es schlichtweg scheißegal ist,
ob man nun in Freizeitklamotten, im Lederoutfit oder gar im Anzug die Bühne
betritt.
Wie
sagte ich Ende 2017 eher beiläufig zu meiner Freundin als in den
Nachrichten die Meldung von Johnny Hallydays Tod kam? "Das riecht ja
schwer nach einer TRUST-Wiedervereinigung!" Und es kam, wie es kommen
mußte: Entgegen der vier Jahre vorher von Bernie getätigten Aussage "… et il ne reviendra pas!"
kehrte Monsieur Krief aufgrund der geänderten Verhältnisse sehr wohl
wieder zu seiner Stammband zurück und das Kollektif AK 47 war schnell
wieder Geschichte, bevor es so recht in die Gänge gekommen war. Vivi
raus, Nono rein – ein etwas fader Beigeschmack bleibt da schon
angesichts der tighten Performances des Kollektivs! Zumal Iso Diop den
Part an der zweiten Gitarre beibehielt… Iron Maiden hatten ähnliches
vor rund 20 Jahren etwas eleganter gelöst und sind seither mit drei
Klampfern am Start!
Wie dem auch sei: Ignorant wie man es als Met´ller nun mal so zu sein
hat, war mir nie so recht klar, welchen Status Johnny Hallyday in
Frankreich innehatte. Er galt als DER Sänger der Franzosen, war
mehrfacher Verdienstkreuzträger und wurde schließlich in einem
Staatsakt zu Grabe getragen. Es dürfte für Nono also durchaus eine Ehre
gewesen sein, zu Hallydays Entourage zu zählen – was das ein oder
andere im nachhinein wohl auch etwas nachvollziehbarer macht. Schon
geraume Zeit vor seinem Tod war es mit Monsieur Hallyday gesundheitlich
bergab gegangen, und spätestens ab dem Frühjahr 2017 hatte sich
abgezeichnet, daß er aufgrund seiner Krebserkrankung nie mehr würde
auftreten können.
Daher verwundert es auch nicht, daß sich TRUST um Bernie & Nono
bereits im Sommer 2017 – also lange bevor der Autor dieser Zeilen sein
vermeintliches Aha-Erlebnis zu haben glaubte – auf dem Billing des
französischen Hellfest Open Airs
präsentierten. Weit entfernt von so etwas wie einer Headliner-Position
oder einer ausgefeilten Songliste zwar, aber die knackige Perfomance
mit einer durchaus gelungenen, wenn auch knappen Songauswahl, verewigt
auf dem mitgeschnittenen Livealbum (geiles Cover mit
Underdog-Credibility: Schnappschuß in schwarz/weiß vom Schlagzeug in
Richtung Publikum!), zeigte, daß die Band durchaus wieder hungrig war!
Und selbst das zu eigentlich jeder Zeit etwas unpassend anmutende
"Surveille ton Look" schien nun endlich sein definitives Arrangement
gefunden zu haben – rockiger, grooviger, aber immer noch dezent
experimentell.
Ich weiß ja nicht, ob soviel ungewohnte Versöhnlichkeit im Hause TRUST
nicht etwa auch den langjährigen und kritischen Anhänger etwas
versöhnlicher stimmt. Oder ob man nicht einfach mit der Band mitaltert,
dementsprechend mitleidet und auf dem Wege der Altersmilde zur
Versöhnung findet. Fakt ist aber, daß TRUST seither mit einer
Produktivität und Kreativität unterwegs sind wie seit 40 Jahren nicht
mehr und mit den Alben Dans le même Sang (2018) und Fils de Lutte (2019) sowie dem RE CI DIV-Boxset (2020) qualitativ deutlich aufsteigende Tendenz an den Tag legen!
Ainsi - ich nehme letzteren Titel einfach einmal wörtlich und behaupte:
Zieht euch warm an; das überwunden geglaubte Krebsgeschwür wütet
weiter! Beziehungsweise:
- Martin und Klaus-
Bildnachweis: (1) Graphik vom"IV"-Album
(1983), (2) Schriftzug der Gewerkschaft "Solidarnosc", (3) Konzertplakat
zur 97er-Tour, www.trust.tm.fr, (4) Konzertplakat 2006, www.trust.tm.fr,
(5) https://fr-fr.facebook.com/KollektifAK47, (6) https://www.facebook.com/trustofficiel
Text: Klaus und Martin - 12/06 - (mit Updates bis zum Stand 06/23)
Übersetzungen aus dem Französischen: Klaus
Graphikbearbeitung: Stefan und Martin