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"Der Herbst ist ein zweiter Frühling,
wo jedes Blatt zur Blüte wird."

(Albert Camus)

[01] PENTAGRAM - Day of Reckoning (1987)

Auf den ersten Blick hätte man seinerzeit als Neueinsteiger schon auf falsche Gedanken kommen können, als Peaceville Records in den frühen Neunzigern die ersten beiden PENTAGRAM-Alben neu auflegten und ihnen ein Artwork verpassten, das eine gewisse Verwechslungsgefahr mit der gerade durchstartenden Black-Metal-Welle zumindest optisch durchaus provozierte. Der Kenner von Welt freilich war dadurch selbstredend nicht zu täuschen: Durch Mund-zu-Mund-Propaganda anderer Doom-Bands waren PENTAGRAM trotz teils heftiger Rückschläge in ihrer Laufbahn keine Unbekannten mehr, als Peaceville den Backkatalog neu veröffentlichten und die Band darüber hinaus auch für neue Studioalben unter Vertrag nahm.

Wer den Dokumentarfilm "Last Days here" gesehen hat, der weiß, wie schwer sich Sänger Bobby Liebling sein Leben selbst gemacht hat. Phasenweise lebte er als Drogenwrack im Keller seines Elternhauses, buchstäblich im Müll, und der Zuschauer fragte sich, ob er das Ende der Dreharbeiten überhaupt erleben würde oder sein Zustand sich zumindest bessern könnte. Überraschenderweise tat er das und Liebling stand dann sogar endlich wieder als Frontmann von PENTAGRAM auf der Bühne. Ich gebe zu, dass mir das Hinschauen im ersten Teil des Films stellenweise schwer fiel, weil es einfach schmerzt, einem Menschen bei seinem Niedergang (sei er nun Folge einer Sucht oder selbstverschuldet) zuzusehen. Hier wird der oft bemühten Coolness von Rock'n'Roll-Exzessen jeder Rest von Attraktivität ausgetrieben, wenn der schwer gezeichnete Liebling von Parasiten fabuliert, die seine Haut auffressen würden (was aber nur er selbst im Drogennebel so sieht).

Zurück zu besseren Zeiten, zumindest musikalisch gesehen: "Day of Reckoning" fällt in eine Dekade, als Doom Metal noch mehr Underground als heutzutage war. Bands wie TROUBLE oder CANDLEMASS bildeten die Ausnahme, während ich bei Kollegen wie SAINT VITUS eher den Eindruck hatte, als seien diese für die großen Genremagazine so etwas wie die kauzige Verwandtschaft gewesen, die bei Familienfesten halt gnädigerweise mit aufs Foto darf, obwohl man ansonsten keinen rechten Draht zu den schrulligen Gesellen findet.

Was heute im allgegenwärtigen Retro-Rausch keine Besonderheit mehr ist, war in der Blütezeit von Grunge und Death Metal noch auffallend, so z.B. der Ausstieg von Lee Dorrian bei NAPALM DEATH, der danach in enger Anlehnung an seine musikalischen Vorbilder die Band CATHEDRAL ins Leben rief. Kurzzeitig halfen dabei mit Victor Griffin (git) und Joe Hasselvander (dr) sogar zwei PENTAGRAM-Mitglieder als Livemusiker aus, als bei CATHEDRAL kurz vor einer Tour die große Personalnot ausbrach.

Die vorliegende CD biegt mit nur knapp 35 Minuten ziemlich früh auf der Zielgeraden ein, hat aber erstklassiges Material an Bord, das stilistisch abwechslungsreich daherkommt. Nach flottem Einstieg folgt mit "Evil Seed" ein Sahnestück mit cleverer Songstruktur und Riffs wie aus dem Lehrbuch - so muss Doom klingen! Was den Sound angeht, bewegt sich das Album in der Schnittmenge zwischen den alten Siebziger-Aufnahmen der Band (sind als zweiteilige "Last Daze here"-Compilation erhältlich) und einer härter/metallischer produzierten Scheibe wie "Be forewarned" von 1994. Kompositorisch hat die Band auf "Day of Reckoning" vieles einfach richtig gemacht, wie der Neunminüter "Broken Vows" oder der letzte Song "Wartime" belegen.

Für das Versinken im totalen Slow-Motion-Doom ist die Scheibe insgesamt zu beschwingt, trotzdem aber an keiner Stelle in Gefahr, dass ein Stück daraus einmal zum Sommerhit des Jahres avancieren könnte. Mit der gesamten PENTAGRAM-Diskographie bin ich bis dato noch nicht in Berührung gekommen, aber zumindest nach dem aktuellen Wissensstand ist "Day of Reckoning" für mich die Hochwassermarke. Die Erhältlichkeit auf CD und Vinyl stellt kein Problem dar, überzogene Sammlerpreise sind auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Wer das Cover der Frühneunziger-Auflage als zu "diabolisch" empfindet, der greift zu einer späteren Version mit dem ursprünglichen Motiv der alten US-Scheibe aus den Achtzigern. Eine sinnvolle Investition ist es in jedem Fall, schließlich war der Doom Metal jener Tage selten besser zu hören als auf diesem Album.

- Stefan - 10/2014

[02.1] POPOL VUH - Brüder des Schattens - Söhne des Lichts (1978)
[02.2] POPOL VUH - Aguirre (1975)

Wer mit den Filmen von Werner Herzog aus den Siebzigern vertraut ist, dem muss man die Verbindung zwischen ihnen und POPOL VUH sicher nicht eingehender erläutern. Für unsere zweite Herbstrunde in diesem Jahr sollen zwei Soundtracks im Mittelpunkt stehen, die als bedeutender Beitrag sowohl Herzogs NOSFERATU-Adaption (einer Neuverfilmung des Murnau-Klassikers) wie auch AGUIRRE, DER ZORN GOTTES eine besondere Aura verliehen, die ohne diese Musik nur sehr eingeschränkt vorstellbar wäre.

Im AGUIRRE-Booklet erläutert der mittlerweile verstorbene Florian Fricke die Arbeitsweise, durch die seine Musiken für Werner Herzog zustande kamen. Im Fall von NOSFERATU - PHANTOM DER NACHT mit Bruno Ganz und Klaus Kinski war es Herzogs Suche nach "Angstmusik". Fricke forschte in seinem reichhaltigen Fundus nach und so ergaben sich gleich zwei Alben mit einigen Titelüberschneidungen: In Frankreich kam ein eigenes "Nosferatu"-Album auf den Markt, im gleichen Jahr begleitet von "Brüder des Schattens - Söhne des Lichts". Eine 65 Minuten lange CD mit Tracks beider Veröffentlichungen verbirgt sich hinter dem "Nosferatu"-Digipack von 2004, drei Jahre nach dem Tod von Florian Fricke erschienen.

"Brüder des Schattens - Söhne des Lichts" beginnt mit einem knapp 19 Minuten langen Track, der sofort die Bilder aus NOSFERATU vor dem geistigen Auge auftauchen lässt: Die einleitende Sequenz mit den Mumien von Guanajuato etwa oder die Ankunft des Geisterschiffs in Wismar, das mit seinen Ratten und der toten Besatzung auch der Pest und dem Grafen Dracula Einlass in die Stadt verschafft. Doch die Stimmung wechselt nach einigen Minuten, das Düstere weicht sanften Melodien, zusätzliche Instrumente (Sitar, Perkussion) bringen sich mit ein. Ganz reduziert wiederum und sehr atmosphärisch ist das danach folgende "Höre, der du wagst", dominiert von einer Klaviermelodie und einer zurückhaltend eingesetzten Bass-Begleitung. Mehr Raum für Trommelinstrumente gibt es in "Die Umkehr", das musikalisch betrachtet wie der abschließende CD-Bonustrack auch auf dem zwei Jahre zuvor veröffentlichten Album "Letzte Tage - Letzte Nächte" hätte stehen können.

Der stets auch sehr spirituelle Gehalt von POPOL VUH findet sich ebenfalls auf dem "Aguirre"-Album wieder, das mit seinen ausladenden, auf manche zunächst vielleicht etwas monoton wirkenden Klanglandschaften der Geschichte um eine Gruppe spanischer Konquistadoren den richtigen Rahmen verleiht. Nicht den eines Action-Abenteuerfilms, sondern den einer Reise in die existenzielle Selbsterfahrung, an deren Ende Delirium, Tod und Größenwahn stehen - daran ändert auch ein so sanftes Stück wie "Morgengruss II" nichts.

Die "Aguirre"-CD ist einerseits geprägt von wiederkehrenden Reprisen des einleitenden Titelstücks, mit dem auch der Film selbst beginnt, und auf der anderen Seite vom fast 17 Minuten währenden "Vergegenwärtigung", einer düsteren Soundcollage, deren Ursprung wohl wieder einmal Frickes Kiste mit seiner "Angstmusik" gewesen sein muss, denn hier geht's doch recht gruselig zur Sache. Der nächtliche Genuss unter dem Kopfhörer in einem nur von fahlem Mondlicht erleuchteten Raum könnte zarter besaiteten Naturen daher durchaus wie ein Soundtrack zu ihren Albträumen erscheinen. Den Bogen zur Eröffnung schlägt der Bonustrack "Aguirre III" und man denkt dabei unwillkürlich an den endgültig dem Wahn verfallenen Don Lope de Aguirre, wie er am Ende des Films auf seinem Floß steht: Nur noch von einigen Affen umgeben, der Rest seiner Begleiter tot, er selbst völlig ergriffen vom Traum eines großen Reiches und zugleich dem Irrsinn entgegentreibend ...

Eröffnungsszene NOSFERATU

Eröffnungsszene AGUIRRE

- Stefan- 10/2014


[03] SLINT - Spiderland (1991)

Es ist mittlerweile ein prallbepackter Rucksack voller Anerkennung, der "Spiderland" begleitet: Ein früher Postrock-Klassiker, stilbildend quasi rund um den Erdball. Wie es sich gehört, war die Scheibe seinerzeit kein allzu großer Erfolg, doch über die Jahre ist die Bedeutung des Albums kontinuierlich gewachsen. Was nicht unbedingt zu erwarten war, immerhin hatte sich die Band noch im Erscheinungsjahr von "Spiderland" aufgelöst und fand erst Mitte der 2000er zu sporadischen Live- und Festivalauftritten wieder zusammen.

Musikalisch bereitete SLINTs zweiter Longplayer den Boden für Bands wie CODEINE, die im vergangenen Jahr die Herbstwochen im ZWNN abschlossen: Minimale Instrumentierung, vereinzelt härtere Ausbrüche, die Texte meist im Sprechgesang erzählt. Ein eigenwilliger Stil, der die Expertenwelt vor einige Definitionsprobleme stellte, bis schließlich die Schubladenfindungskonferenz Begriffe wie Postrock, Math Rock oder Slowcore in den Ring warf. Ob das nun dafür geeignet war, einen aussagekräftigen Eindruck des SLINT-Sounds wiederzugeben, sei mal dahingestellt, bisweilen wirkte das eigentlich eher amüsant und orientierungslos.

Während des ersten Hörens mag "Spiderland" durchaus langweilig wirken, da sich die Band so gut wie nie darum bemüht, mit besonders auffallenden Mitteln um die Gunst des Publikums zu buhlen. Brachiale Härte? Gefällige Melodien? Dieses Arsenal an Möglichkeiten lassen SLINT weitgehend ungenutzt. Lässt man das Album jedoch eingehender auf sich wirken, wird die nervöse Spannung spürbar, die "Spiderland" begleitet. Diese wiederum korrespondiert mit einem (im Wortsinn) merkwürdigen Coverartwork, bei dem ich mich stets an Harold "Herk" Harveys surrealen Gruselklassiker "Carnival of Souls" erinnert fühle.

Die Metal-Bezugspunkte, die einige Kritiker in den Stücken aufspürten, sind kaum als offensichtliche Zitate zu erkennen, sondern bewegen sich eher unter der Oberfläche. Den Riffs und Drums in "Nosferatu Man" zum Beispiel werden Thrash-Aspekte zugeschrieben, was man sich allerdings nicht so vorstellen sollte, dass hier ein Metal-Derivat im Post-Rock-Gewand zu hören wäre. Überhaupt entpuppt sich in Interviews einiges von den Vermutungen seitens eifrig interpretierender Journalisten als wenig tatsachenorientiert, wenn etwa Bassist Todd Brashear als Einfluss auf die Songstrukturen METALLICA (!) nennt, was alles andere als offensichtlich ist, während die Band die öfters herangezogenen KING CRIMSON kaum gekannt habe.

Die Verbindung zu IRON MAIDEN im letzten Song "Good Morning, Captain" ist dagegen nur textlicher Natur, verarbeiten SLINT darin doch die selbe literarische Vorlage wie Bruce Dickinson & Co. in "The Rime of the Ancient Mariner" (dem das gleichnamige Gedicht von Samuel Taylor Coleridge zugrunde liegt). Auch hier passt sich der Gesang, falls ihn so nennen kann, der monotonen Musik an, der Text wird mehr rezitiert denn gesungen. Bass und Drums bilden das Fundament und den musikalischen Rahmen, aus dem SLINT stellenweise mit harten Gitarrenriffs ausbrechen. Freunden klassischer Rockmusik mag das über die volle Strecke viel zu langatmig sein, aber der besondere Status von "Spiderland" ist bei näherer Betrachtung gerechtfertigt.

Musikerkollegen wie etwa GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR wurden nachhaltig davon beeinflusst, was über den rein kommerziellen Aspekt hinaus zum wahren Erfolg dieses zu Anfang wenig beachteten Albums geworden ist. Im Sommer dieses Jahres ist eine Neuauflage von "Spiderland" erschienen, der zusätzlich eine Bonus-DVD mit einer Dokumentation in Spielfilmlänge beiliegt.

SLINT-Website bei "Touch and Go" Records

- Stefan - 10/2014


[04] SAINT VITUS - C.O.D. (1992)

In der Vitus-Discographie gilt diese Scheibe als Solitär, wie mir scheint, und es ist auch keiner, der besondere Beliebtheit genießt. Die Band hatte sich mit den früheren Sängern Scott Reagers und Scott "Wino" Weinrich ihren Kultstatus in der Doom-Szene erspielt, doch im Jahr 1992 nach dem Ausstieg von Wino (der damals wieder bei THE OBSESSED spielte) stand ein dritter Mann am Mikro und er hieß nicht Scott! Diesmal durfte mit Christian Linderson von COUNT RAVEN ein Labelkollege ran, der nur auf diesem Album hören ist. Die Reaktionen waren und sind gemischter Natur: Im Rock Hard nannte Uwe Deese seinerzeit "C.O.D." (steht für "Children of Doom") das kommerziellste Album der Band bis dahin, weil eben von Don Dokken produziert, stellenweise etwas flotter arrangiert und melodischer als auf den Vorgängerscheiben gehalten.

Auch wenn die Band damals ein größeres Publikum ansprechen wollte, ist dieses Vorhaben doch sehr relativ zu sehen: Zieht man den damaligen musikalischen Zeitgeist in Betracht, dann waren SAINT VITUS und Erfolg bei der breiten Masse auch 1992 weder der gleiche Sport noch spielten sie zumindest im selben Stadion (um einen Dialog aus "Pulp Fiction" zu bemühen). Sie klangen nur eben anders als zuvor, was sowohl am Sänger (logisch) wie auch an der Produktion lag, die aber deshalb weder typische Vitus-Trademarks ausblendete noch der Band gar irgendwelchen Schnickschnack aufs Auge drückte, der überhaupt nicht zu ihr passte.

Der Einstieg mit dem Titeltrack und einem Kracher wie "Shadow of a Skeleton" ist bravourös, auch wenn über die volle Distanz des Albums (mit 62 Minuten Spielzeit ungewohnt ausgiebig) die eine oder andere Länge nicht zu leugnen ist. Wem es bei "(I am) the screaming Banshee" zu schnell zur Sache geht, der kann bei "Plague of Man" wunderbar entschleunigen: Zeitlupen-Riffs, Nebel zieht auf, Dave Chandler soliert gewohnt exzentrisch. Spätestens hier sollten auch eingefleischte Vitus-Fundamentalisten, die mit dem ungeliebten "C.O.D." nie so ganz ihren Frieden schließen wollten, dann doch versöhnt sein.

Die Platte lebt auch von ihren Kontrasten: Während "Fear" (zu dem auch ein Videoclip existiert) geradlinig und solide daherkommt, geht das akustisch eingeleitete "Get away" ausgefallenere Wege und lässt auch Drummer Armando Acosta (RIP!) mehr Raum als üblich. Ein bisschen zu lang geraten ist dieser Track vielleicht, was auch der Scheibe insgesamt als einziger (kleinerer) Kritikpunkt anzulasten wäre. Trotzdem wird "C.O.D." für meinen Geschmack bis heute deutlich unter Wert angesiedelt, was sicher auch der Tatsache geschuldet ist, dass Sänger Linderson und der Rest der Band offenbar nicht gut miteinander klarkamen, sodass eben nur ein einziges Album entstand und diese Besetzung keine Möglichkeit hatte, sich noch öfter zu beweisen.

Ausweichmöglichkeiten gab es ohnehin: Der Vorgänger "V" von 1990 zum Beispiel, noch mit Wino am Mikro, war Balsam für die Fanseele, schon wegen Klassikern wie "I bleed black". Selbst auf die Gefahr hin, als Ketzer auf dem Scheiterhaufen (brennt bei Doom gaaaanz langsam) zu landen, finde ich "C.O.D." sogar interessanter, weil es dem Vitus-Sound neue Möglichkeiten zu erschließen suchte und das durchaus überzeugend. Musikalisch einwandfrei, mit streckenweise gewöhnungsbedürftigem Gesang gesegnet, ist "Die healing" von 1995, für das noch einmal Scott Reagers gewonnen werden konnte. Jedoch war auch dieser Konstellation keine lange Dauer beschieden, lange 17 Jahre sollten bis zum nächsten Studioalbum vergehen. Als damaliger Schwanengesang für Saint Vitus hat "Die healing" nach wie vor sehr viel zu bieten, wenngleich mir z.B. "Let the End begin" in der Version von Paul Chain mehr zusagt: noch langsamer, noch feierlicher und dann dieses Solo ...

"Fear" - Videoclip mit Christian Linderson (1992)

"Let the end begin" - Paul Chain (Coverversion, 2002)

- Stefan - 11/2014



[05] CHRISTIAN DEATH - Ashes (1985)

Jetzt wird's heikel: Ein biographischer Abriss der Band CHRISTIAN DEATH und ihrer diversen Inkarnationen wäre sicher eine schöne Aufgabe für lange Winterabende, würde allerdings zu einem halben Roman werden. Mitte der Achtziger erschien das Album "Ashes", Ende und Beginn zugleich: In der Tourneephase nach dem Release trennten sich Rozz Williams und der Rest der Band, zu deren Kopf nun Gitarrist Valor Kand wurde. Ab diesem Zeitpunkt wurde es dann etwas komplizierter, da CHRISTIAN DEATH zunächst mit Namenszusätzen, später dann wie gehabt unter altem Banner weiter aktiv waren, zum Verdruss von Gründer Williams. Dieser wiederum veröffentlichte Jahre später ebenfalls Material unter dem alten Bandnamen.

Weitere Infos sind bei Wikipedia (vor allem in der englischsprachigen Ausgabe) in epischer Breite nachzulesen und brauchen uns hier weniger zu interessieren. Ursprünglich erschien "Ashes" auf CD über Normal Records, mit 36 Minuten Spielzeit nicht zu üppig ausgefallen. Die späteren Neuauflagen Ende der Neunziger bzw. Ende der 2000er Jahre unterscheiden sich nicht nur durch die Anzahl der Bonustracks, auch das Coverartwork wurde für jede dieser Veröffentlichungen neu gestaltet. Was die stilvolle Schlichtheit betrifft, hat die Normal-Ausgabe nach wie vor die Nase vorn, während die Edition von Candlelight Records ein Cover präsentiert, das ein wenig an die farbenfrohen Titelmotive der alten John-Sinclair-Groschenromane erinnert.

Der Opener "Ashes" legt mit seinem treibenden Gothic Rock ein vor allem gegen Ende beachtliches Tempo vor, wobei das Stück von einer geschickt arrangierten Rhythmussteigerung lebt. Kontrollierte Offensive sozusagen, der allerdings ein abrupter Stimmungswechsel folgt, denn mit "Ashes Part II" steigt die Band in die mit Moder und Spinnweben überzogenen Katakomben hinab. Langsame Trommelbegleitung und monotone Gitarreneinsätze bremsen das Tempo nahezu auf Zeitlupe herunter, bis dem melodiösen "When I was Bed" die Verbindung zum Eröffnungssong der Scheibe gelingt. Fans einer Band wie SIOUXSIE AND THE BANSHEES könnten sich bis hierher sehr wohlfühlen, prägten doch auch dort in den frühen Achtzigern ein häufig dominanter Bass und eine immer wieder schräg "hineinsägende" Gitarre das musikalische Gesamtbild.

Das ändert sich freilich mit dem teilweise deutsch gesungenen, mit Volksmusik-Rhythmen spielenden "Lament - Over the Shadows", sowohl Stilbruch wie auch Beleg für die häufiger auftauchenden Zitate deutscher Kultur bei Punk und Gothic, was vom Faible für den Ende der Weimarer Republik in Berlin spielenden Film "Cabaret" (war z.B. für das "Bromley Contingent", eine frühe Fangemeinde der Sex Pistols, sehr bedeutend) bis zu David Bowie reicht, der speziell während seiner Berliner Zeit auch aus diesem Reservoir schöpfte und dem seinerseits großer Einfluss als Ideengeber auf Punk, Post-Punk und Gothic Rock zugeschrieben wird.

Kaum ist dieses wie ein Fremdkörper klingende Stück vorbei, greift das schnelle "Face" den Stil des Titeltracks auf, gefolgt von "The Luxury of Tears", dem letzten Highlight des Albums mit seinem Wechsel von Männer- und Frauenstimme und dem spannungsgeladenen Midtempo-Aufbau. Wer es härter und wilder mag, kommt hier nicht so ganz auf seine Kosten, doch ein stimmungsvoller Ausklang wäre der Song zweifellos, wenn die Band mit dem unheimlichen "Of the Wound" nicht noch einen Track angehängt hätte, der einem die wohlige Behaglichkeit verhageln kann. Alptraumhafte schräge Melodien, das Weinen eines Kindes und ein horribler Ausklang mit rezitiertem Text beschließen "Ashes" auf eine Weise, die dem Album gerecht wird: Neben "konventionell" anmutendem Gothic Rock lauert noch so manch Anderes auf den Hörer, irritierend mitunter und doch nachhaltig im Gedächtnis bleibend. Für Rozz Williams sollte dies sein letzter Studio-Longplayer mit der hier zu hörenden CHRISTIAN DEATH-Mannschaft sein, danach ging er eigene Wege bis zu seinem Freitod 1998 im Alter von nur 34 Jahren. "He must remain an enigma" lautet eine Zeile im letzten Song dieses Albums ...

- Stefan - 11/2014


[06] JUD - Innermission (1997)

Die hatten wir schon länger nicht mehr auf dem Schirm: Damals (also kurz nach dem Krieg) in den Anfangsjahren des ZWNN hatte Martin die Band JUD vorgestellt, nebst Ausflügen zu Dave Clemmons' zweitem Standbein THE FULBLISS. Irgendwie klangen JUD in meinen Ohren immer nach zweiter Liga, mit guten Ansätzen zweifellos und doch nie durchgehend so hochwertig, dass mich eines ihrer Alben richtig begeistert hätte. Bemerkenswert ist aber der zweite Longplayer "Innermission" von 1997, weil JUD hier die harten E-Gitarrensounds einmal gegen etwas zurückhaltendere Klänge eingetauscht hatten. Dadurch fällt die Scheibe deutlich aus dem Rahmen und kann eher als eine Art Intermezzo zwischen den "regulären" Studioalben betrachtet werden.

JUD versammelten hier diverse Stücke, die in anderen Versionen bereits bekannt waren oder gewissermaßen auf Halde lagen, weil sich noch keine passende Gelegenheit ergeben hatte, sie in einem musikalisch angemessenen Rahmen zu veröffentlichen. Bei "Innermission" war diese Chance gekommen und so ging es während einer kurzen Tourneepause zwischen Auftritten in Österreich und Deutschland ins Studio. Den Angaben im Booklet zufolge sind die Aufnahmen offenbar in gerade einmal zwei Tagen entstanden. Ein überhasteter Schnellschuss wurde jedoch nicht daraus, das Resultat kann sich wirklich hören lassen.

Auch wenn "Innermission" überwiegend akustisch und weniger hart als andere JUD-Alben ist, fehlt es nicht an Ecken und Kanten. Der Einstieg mit "Deadosphere" z.B. ist zunächst sehr sanft, fast etwas ereignisarm (um das hässliche Wort "langatmig" zu vermeiden), bis das Stück in der Mitte mit postrockartigem Sound und Anklängen an die RED SPAROWES zusehends Fahrt aufnimmt. Diesem stilistischen Mix bleibt die Platte treu, versinkt nicht etwa in süßlichem Balladenkleister, nur weil die musikalische Gangart hier andere Wege einschlägt als nur das Gaspedal durchzutreten. "Shot in the Park" ist einer dieser Songs, bei dem allerdings auch schon der düstere Text wirkungsvoll verhindert, dass es unbeschwert oder gar fröhlich werden könnte.

Einer der Höhepunkte auf "Innermission" ist das PJ HARVEY-Cover "Send his Love to me", das zunächst gar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war, doch als Einstieg in diverse Akustikshows so gut ankam, dass es im Zuge der Aufnahmesession zu diesem Album gleich mit eingemeindet wurde. Abgeschlossen wird die CD von dem depressiv klingenden "Something better" (auch hier wieder ein reichlich desillusionierter Text) und dem neunminütigen "King of Doses" (inspiriert von GRATEFUL DEADs Jerry Garcia). Das sparsam instrumentierte Stück lebt von durchgehender Wiederholung, bis sich die langsame, bassbetonte Melodie ins Gedächtnis des Hörers eingegraben hat. Wie das gesamte Album ist auch dieser Track zwar kein Meisterwerk, aber zumindest für meinen Geschmack das Beste, was JUD in ihrem bisherigen Schaffen festgehalten haben.

- Stefan - 11/2014



[07] EA80 - Grüner Apfel (1995)

EA80 haben nie eine 400seitige Biographie geschrieben oder schreiben lassen, die "unerwartete Einblicke in das Innenleben einer Rockband" gibt, so wie es die Toten Hosen getan haben, obwohl es EA80 sogar etwas länger gibt. Die Kontaktadresse auf den Alben ist hat sich bis heute nicht geändert, doch wer dort anfragt, wird enttäuscht werden, denn mit den Interviews, die sie seit 1979 gegeben haben, könnte man gerade mal ein dünnes Heftchen füllen. Alle paar Jahre gibt es ein neues Album, die Werbung dafür steht eher zufällig in den einschlägigen Fachorganen. Konzerte passieren in kleinen Clubs und wer dabei war, erzählt auf youtube davon, auch wenn's schon zwei Jahrzehnte oder mehr zurückliegt. Selten wird Verweigerungshaltung so konsequent praktiziert, von den Musikern sind nur Vornamen oder Künstlernamen auf den Alben genannt, was bei manchen Zeitgenossen zu Spekulationen führte; ein Bandmitglied soll Zahnarzt sein, ein anderes schwul. Doch wen interessiert's, ob einer Zahnarzt ist? Oder schwuler Zahnarzt.

Was gibt's musikalisch? Der erste reißt die Hand hoch und schnalzt mit den Fingern: Deutschpunk! Das wäre die Antwort für ein "befriedigend". Sicher, hier ist die Rede von drei Akkorden, vielleicht einen oder zwei mehr, mehr Energie und Ausdruck als "Können". Zumal man sich schon früh am amerikanischen Hardcore der Dead Kennedys orientierte, noch stärker zog man seine Inspiration aber sicher von Joy Division - welche auf ihrem Höhepunkt waren, als EA80 in Mönchengladbach zum ersten Mal die Gitarren in die fast noch jugendlichen Hände nahmen - ein Grund, weshalb EA80 manchmal das Zettelchen "Düster-" oder "Depro-Punk" aufgeklebt wird, Schubladen eben.
Die Süddeutsche Zeitung befand zur ersten Single von 1982 "eine erfreuliche Punk-Produktion aus dem deutschen Untergrund", "aufgenommen an einem seltsamen Ort", wie es auf dem Cover stand - und die mit der Textzeile "Manchmal gibt es Dinge zwischen Menschen die stören, manchmal gibt es Dinge, die einfach nicht dazu gehören" die lyrische Richtung zukünftiger Werke erahnen ließ.

live oktober 1999 - (c) bobtorture.de"Grüner Apfel" erschien 1995 ursprünglich als Doppel-10-Inch-Album, mit einem auf jeder Album-Seite um ein Viertel weniger werdenden Apfel in der Mitte der Scheibe.
Bei EA80 geht's nicht mehr um die Revolution, um den Kampf gegen das System, nicht mehr um die letzte Schlacht, die gewonnen werden wird. Im System, im selbst oder von der nächsten Umwelt geschaffenen, ist man gefangen und muss damit zurechtkommen oder muss sich selbst Freiräume erringen. Die Welt erscheint ein surrealer Ort, der Fragen statt Antworten produziert. So beginnt das Album mit einer Vision einer "besseren Welt", die plötzlich einfach so da ist, unbekannt durch wessen Zutun: "Wenn… in allem nur noch Gutes ist / das sich vermehrt und fruchtbar ist / wenn all dies kaum zu ertragen ist / dann ist es wohl geschehen" ("Prestissimo"); vier Strophen flott in einer Minute vier in klassischer Punk-Manier heruntergeholzt.
Innerhalb des Genres lotet Sänger Martin Kircher alias Junge alle Möglichkeiten aus, das stakkatoartige Harcore-Gebrülle und Gekeife, welches ein Verständnis ohne Textblatt unmöglich macht ("Heilbutt": "Ein Schrei / aus der Tiefe / der befreit / ohne Grenzen / der nicht verzeiht"), den unfröhlich fröhlichen Punk oder den sonoren und emotionaler Sprechgesang, wie in "All Das", ein Lied für die Idee der Möglichkeit der alles heilenden Liebe, die der alles beherrschenden Desillusionierung und Verwirrung trotzt. Da ist man dem Lyriker Erich Fried näher als Karl Marx: "Bevor ich sterbe / noch einmal sprechen / von Liebe / damit noch einige sagen: / Das gab es / das muss es geben" ("Bevor ich sterbe").
Der Titelsong "Grüner Apfel" erzählt eine Art kindliche Gewaltphantasie und könnte mit etwas weniger verzerrter Instrumentierung ein sommerlicher Gute-Laune-Hit sein: "Nummeriere deine Feinde / koch und zerleg sie / mach Gummibärchen aus ihren Gebeinen / sie sollen wenigstens gut schmecken".
Die Alben von EA80, zwölf dürften es aktuell sein und diverse Singles und EPs, werden mir nie langweilig, wegen ihrer Texte, die in Fragmenten beim Hörer gleichzeitig Verständnis, Wiedererkennen und Verwirrung auslösen, ähnlich der von William S. Burroughs verwendeten Cut-Up-Technik, bei der Texte zerschnitten und danach neu aneinander geklebt werden. Der Kommentar dazu ist "Pffft": "Die Musik sagt, dieses Lied handelt von dir / sie sagt mehr als ich es will - oder kann / sie weiß alles und will alles sagen / von dem wie es jetzt ist, und wie als begann / doch ich schweige …"
Eindeutigkeit wird vermieden, stattdessen verschrobene Ideen textlicher und klanglicher Natur.

Warum's gerade "Grüner Apfel" von allen Alben in die "Herbstmusik" geschafft hat? - und sagen wir's ehrlich: so riesig unterscheiden sich die nicht voneinander. Eher nicht dem Wesen des klassischen Punk entsprechend, machen EA80 immer wieder lange, sich stetig steigernde Songs, die in einem treibenden, sich in sich selbst verlierenden Gitarren- und Gesangs-Mahlstrom kulminieren. "Fliegen" lässt sich dafür 17 Minuten und eine ganz Schallplattenseite Zeit. Ich habe mir erlaubt, das Stück in voller Länge hier einzustellen - kauft euch das komplette Album!

Der Text lässt viele Interpretationen zu, die Kommentatoren zum obigen Video entdeckten den Hinweis auf die "Einstein-Rosen-Brücke"... Pffft.

Ich bin nicht der größte Fan der Toten Hosen, doch wenn ich jetzt EA80 auflege oder von einem neuen Album lese, kommt mir "Altes Fieber" in den Sinn: "Und immer wieder sind es dieselben Lieder, die sich anfühlen, als würde die Zeit stillstehen..."

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Inoffizielle Fanpage

- Martin - 11/2014

[08] GRIEF - Come to Grief (1994)

Ebenso lange, wie es dauerte, ein Album von EA80 zu besprechen, reifte auch das Vorhaben, das vorliegende Werk in Worte zu fassen: Die zweite Scheibe der US-Doomer GRIEF, die damit 1994 ein bis heute schwer im Magen liegendes Dokument bleischwerer Eintönigkeit veröffentlichten. Über 54 Minuten dauert dieses Gebräu aus schier abwechslungsfreien Slow-Motion-Riffs und heiserem Röcheln des Sängers, der in den finsteren Texten alle Schattenseiten des menschlichen Daseins verarbeitet: Vereinsamung, Depression, Selbstverletzung, Hass, Alkohol, Drogen, völlige Ziellosigkeit. "Trapped within a cell of Negativity" ...

Diese Themen sind sicher nicht außergewöhnlich, weder für den Metal im Allgemeinen noch für düsteren Doom im Besonderen. Auch in depressiven Gothic-Sounds (vgl. THE CUREs "Pornography"-Album) findet man sie, untrennbar mit dem umgebenden musikalischen Kosmos verbunden, der sich nur schwerlich mit leichten, unbeschwerten Inhalten vorstellen lässt. Was an GRIEF nachhaltig beeindruckt, ist die Radikalität, mit der sie auf diesem Album zu Werke gehen. Wobei es zweifellos etliche Bands gibt, die erheblich massivere musikalische Gewalt auffahren und neben dem Gesang vor allem die Geschwindigkeit in ganz andere Extreme treiben - sei es das Überschallgeknüppel im Black Metal oder die Superzeitlupe à la SUNN O))).

Das radikale Element in diesem Fall ist die pure Monotonie, die sich über acht Stücke erstreckt, nach deren Ende nur zwei in Erinnerung bleiben (Nr. 3 & 8) und auch nur deshalb, weil sie für kurze Momente in fast beschwingt klingende, rhythmische Passagen verfallen. Doch als würden sie dem plötzlichen Aufkommen von etwas, das sich als Unterhaltungswert bezeichnen ließe, von Grund auf misstrauen, drosseln GRIEF das Tempo sofort wieder und lassen sich erneut in den Treibsand enervierender Langsamkeit hinabziehen. Das mag leicht pures Unverständnis hervorrufen und führt dazu, dass sich beim Blick auf die Songtitel kein einziger Wiedererkennungsmoment, kein Erinnern eines bestimmten Gitarrensolos oder eines anderen prägenden Augenblicks einstellt, wie das bei anderen Bands, deren Alben man wieder und wieder gehört hat, für gewöhnlich der Fall ist.

GRIEF widersetzen sich dem, was Max Goldt einst mit "Das Publikum beklatscht sein Gedächtnis" beschrieb. Hier geschieht nichts, was als Songeinstieg mit einem Riff wie in "Smoke on the Water" oder mit der Eröffnung von Dave Brubecks "Take Five" auch nur ansatzweise vergleichbar wäre, also mit Momenten, in denen z.B. bei Konzerten garantiert hineingejohlt oder -geklatscht wird, um zu beweisen, dass man den Song erkannt hat (bei weltweit populären Hits eine wahnsinnig schwierige Aufgabe). Bei GRIEF herrscht in dieser Hinsicht die totale Verweigerung: Feedback-Gekreische der Gitarren leitet die Songs ein bzw. in den nächsten über, der Rest besteht dann aus einer alles niederwalzenden Welle von Riffs und Röchelgesang.

Seit seinem Erscheinen ist "Come to Grief" das einzige Album der Band, das zu hören ich jemals gewagt habe. Außer einem kurzen Antesten von Liveclips bei Youtube kam bisher kein weiterer Kontakt zustande, könnte er doch die einzigartige Wirkung dieses Meilensteins wenn nicht schmälern, dann doch immerhin so verändern, dass sie nicht mehr wie zuvor wäre. Das führte zwangsläufig in eine Zwickmühle: Was ist, wenn die anderen Alben oder Singles NOCH besser sein sollten? Dann hätte ich mich fast zwei Jahrzehnte lang dieser Erfahrung beraubt, nur weil mir die bisherige als nicht wiederholbar erschien. Vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit, vorsichtig die Fühler nach etwas Neuem auszustrecken und die Reise zu unbekanntem Terrain zu wagen ...

Neueinsteigern kann ich daher zwangsläufig nur dieses eine Album empfehlen, das sich freilich eher an geladene, vorbereitete Gäste richtet. Denn wie leicht wäre ein schnöder Verriss ausgesprochen, die Musik als langweiliger Schrott diffamiert. Doch bei mehrfachem, intensiverem Hören in der richtigen Stimmung, gerät "Come to Grief" in seiner erschlagenden Eintönigkeit zu einem beeindruckenden Monument - geformt aus Verfall, Hässlichkeit, Nihilismus und Weltekel. Auf seine ganz eigentümliche Art vielleicht ein Meisterwerk?

- Stefan - 12/2014