Trust im ehrwürdigen bestuhlten Amphitheater Theatre Des Champs in Carcassonne beginnen bei Tageslicht den Set souverän. Nacheinander betreten die Musiker spielend die Bühne und steigen vehement in den (unbekannten) den Opener „Archange“ ein. Carcassonne singt begeistert die Zeilen“… ni dieu, ni maitre…“ mit, bevor nahtlos „Marche ou Creve“ folgt. Ein fulminates und entsprechend gefeiertes „Fais où on te dit faire“ macht endgültig klar, dass es hier nicht nur die Greatest Hits Show gibt, sondern etwas für die Eingeweihten. Schließlich stammt letztgenannter Song vom umstrittenen Album 13 a la table. Die Band macht die ganzen 90 Minuten über einen extrem spielfreudigen, bissigen und inspirierten Eindruck. Genau das holt nach spätestens 20 Minuten auch den letzten Skeptiker in der ausverkauften Arena ab. Der neue jugendliche Drummer Chris Dupoy belebt und treibt die Rhythmussektion mit dem zurückgekehrten Virtuosen David Jacob am Bass nach vorne. Alsdann spuckt ihm Bernie regelmäßig Wasser auf den Kopf. Izo Diop an der Rhythmusgitarre spielt einen eher punkverhaften Stil, der aber in der Simplizität dem Tempo gut tut und den Kontrast zu Nono bildet. Bernie Bonvoisin, wie immer völlig unmetallisch gewandet mit Hawaiihemd und Sommerhut , hat so das Fundament seine links geprägten Lyrics entsprechend prägnant in Szene zu setzen. Und dann ist da natürlich der „Boss“ Nono, Norbert Krief, an der Leadgitarre. Er ist als einziger kleidungsstilistisch eindeutig als Rockstar erkennbar und zieht die volle Show des glitzernden Gitarrenhelden durch, der dabei aber immer sympathisch und lächelnd, song- und banddienlich spielt, sich aber niemals in Selbstdarstellung verliert. Die Band treibt sich durch einen Set mit Klassikern und vergessenen Perlen („Surveille ton look“) und vier neuen unbekannten Songs. Diese haben stilistische Bandbreite, sind latent bis offen aggressiv und lassen folglich auf ein großartiges neues Werk hoffen. Am meisten Anklang fand (natürlich) der Boogie Song, einer der Sorte, auf den man bei AC/DC seit Bad Boy Boogie wartet. Frech dort zitiert und ins heutige Frankreich katapultiert, Chapeau! Als Setcloser ein wütend forderndes „L‘Elite“, bevor die obligatorische Zugabe „Antisocial“ den Auftritt triumphal beendet. Auch bei letztgenannten Songs kommt nicht ein Sekundenbruchteil der Eindruck auf, dass es sich um eine bloße Reunion wegen des Geldes handelt. Hier haben die zwei Veteranen Bernie und Nono nochmal Blut geleckt und lassen sich mit drei weiteren hervorragenden Musikern nach vorne tragen. Übrigens hielt sich Bernie mit politischen Aussagen während des Auftritts zurück, schließlich wollten Europe ja dreißig Minuten später das Publikum zur selben Euphorie herausfordern. Allerdings war das Finale des Trustgigs hinsichtlich lautstarker Publikumsovationen über die inzwischen nächtliche Cité von Carcassonne nicht mehr zu toppen. Für einen Festivalauftritt vergebe ich 5 von 5 Sternen. Natürlich ist bei einem gemischten Publikum immer Luft nach oben. Deswegen geht es im November auch nochmal nach Paris, um Trust dort vor eigenem Publikum zu sehen.
TRUST im Amphitheater „Theatre Des Champs“ in Carcassonne am 21. Juli 2017
3 Kommentare
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Irgendwann geht es nur noch darum, jedwede Erinnerung für dein Leben zu halten. Nicht auszudenken, was aus dir geworden wäre, wenn du andere Filme gesehen hättest…
— [Michael Althen – „Warte, bis es dunkel ist“]
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Hi Dirk,
vielen Dank für deine TRUST-Liveberichterstattung. Die Band ist ja anscheinend – und zum Glück! – wirklich nicht totzukriegen… Rebelle & toujours débout! Klingt alles recht verheißungsvoll, was du so rezensierst, und wenn da tatsächlich ein neues Album anstehen sollte, dann werden sich wohl allmählich mal zwei alltagsstreßgeplagte ZWNN-Redakteure an die Fortsetzung der History machen müssen, oder Martin ;-? Und man sollte sich wohl wirklich mal zumindest zu einem Kurztrip ins Hexagone aufraffen… wenn es nicht mal die Macher vom „Bang your Head“ geschafft haben, TRUST zu einem Auftritt außerhalb Frankreichs zu buchen (so sie es jemals versucht haben sollten), dann wird das mit einem Deutschland-Gig der Band auch nix mehr. Ich checke wohl mal besser die Herbst-Tourdaten, überprüfe mein karges Urlaubskontingent und überlege, wie & wo ich mir das Vergnügen, TRUST live zu sehen, endlich mal gönnen werde! Merci! … Keep A Rockin´, Klaus
Denkbar wäre grundsätzlich auch ein Auftritt beim ROCK HARD-Festival, da Holger Stratmann (RH-Herausgeber) ja TRUST-Fan ist und Sänger Bernie auch schon interviewt hat. Ist halt nur die Frage, auf welcher Position man TRUST dort spielen lassen sollte: für einen Headliner-Slot sind sie in Deutschland kommerziell gesehen zu unbedeutend, aber aus Frankreich werden sie andere Verhältnisse gewohnt sein. Obwohl: Beim Hellfest (wo sie angeblich eher nicht so gut waren) traten sie auch schon am späten Nachmittag auf. Daran sollte es also nicht scheitern…
Hallo, die Kritik des RH vom Hellfest kann ich gar nicht nachvollziehen, Die Band tourt ja auch schon das ganze Jahr 2017, ist super eingespielt und Bernies Modegeschmack ist für mich eher sekundär. Trust in Frankreich zu sehen ist nur zu empfehlen. Im November bin ich ja nochmal in Paris dabei… Ansonsten gibt es für Euch bestimmt 2018 de Möglichkeit. Mit der neuen Platte im Gepäck werden Sie bestimmt erneut touren, dann wahrscheinlich aber größere Arenen als jetzt… Werde aber bei Begehr Euch auch vom Gig in Paris berichten.