Alte und neue Radio-Geschichten

Das Radio: Für die um die Jahrtausendwende Geborenen ist dies möglicherweise ein abstrakter Begriff für alles, was an reiner Toninformation über das Internet verbreitet wird. „Radiostationen“ oder „Sender“, Begrifflichkeiten aus dem Analogzeitalter, stehen in unüberschaubarer Anzahl zur Verfügung und sind nicht mehr von Sendeleistung abhängig, können also überall empfangen werden.
Was früher nur auf Kassette für das persönliche Archiv bewahrt werden konnte, steht nun in Mediatheken als Podcast für alle zum Download bereit. Dass etwas nur in dem Augenblick stattfindet, in dem es gesendet wird, und danach einfach weg ist, ist heute ein ungewohntes Konzept. Oder das Gefühl, dass der Moderator jetzt gerade zu einem selbst spricht, und je später die Nacht, umso näher kam man dieser Wirklichkeit. Ebenso verschwunden sind das leise Hintergrundrauschen beim Hören oder die Geräuschfetzen beim Wechseln des Senders, wenn man dies noch mit einem Drehknopf machte.
Das Musik-Radio gibt es immer noch: Im öffentlich-rechtlichen Dudelfunk, bei spezialisierten Programmen, die den ganzen Tag Jazz, Classic-Rock, Elektro oder was auch immer spielen (beides teilweise von Algorithmen erstellt), oder bei Sendern und Programmbestandteilen, die moderiert sind, ihre Auswahl kommentieren und sie mit Hintergrundinformationen in einen Kontext stellen oder die Musiker dazu interviewen.
Es gibt die Streaming-Dienste, die die „Kuratierung“ des Programms völlig in die Hände des Hörers legen oder es ermöglichen, auf die Playlisten anderer Hörer zuzugreifen, und dabei die eigenen Hörgewohnheiten berücksichtigen – oder negativ ausgedrückt: Andersartiges unter den Tisch fallen lassen.
Und es gibt die Podcasts zu allen möglichen und unmöglichen Themen entweder als Bestandteil der Mediatheken der großen Anbieter oder als Projekte von oft unabhängigen Enthusiasten, die vielleicht das darstellen, was einem „Audio-Fanzine“ am nächsten kommt.
Wir haben Menschen aus der Redaktion des ZWNN und aus dessen Umfeld zu ihren ganz persönlichen „Radio-Geschichten“ befragt – wohl wissend, dass sie der Generation der in den späten 60er- bis Mitte der 70er-Jahre Geborenen angehören und somit ihre Radio-Sozialisation noch mit UKW erfuhren (oder gar noch mit Mittelwelle Sender wie AFN – wer‘s nicht kennt, googelt es – hörten?). Wie haben sie das Radio entdeckt, wie nutzen sie es heute, wie sieht die Zukunft aus?

Zum virtuellen Plausch über das Medium Radio versammelten sich: Martin (Herausgeber des ZWNN), Stefan (Herbstmusik-Spezialist mit dubiosen musikalischen Neigungen), Klaus (fränkischer Altrocker), Dirk (Angehöriger des Trust-Fanatikerzirkels im ZWNN), Burkhard (Fear-of-God- und Kari-Bremnes-Koryphäe), Falko (ZWNN-Rundfunkbeauftragter) und Mardou (literarische Geheimagentin).

Was war dein erstes bewusstes Radio-Erlebnis?
Gibt es eine Radio-Sendung, die dich musikalisch oder auch über die Musik hinaus geprägt hat?
Habt Ihr die Sendung in besonderer Weise mit den Moderatorinnen und Moderatoren in Verbindung gebracht oder sogar wegen ihnen gehört?
Weißt du noch, womit und wann du sie immer gehört hast?
Was hast du zuletzt im Radio – klassisch oder im Netz – gehört?
Gibt es heute noch Radio-Sendungen, die du regelmäßig „live“ hörst, klassisch am Radiogerät oder als Stream? Nimmst du dir dann bewusst Zeit dafür?
In welche Radiosendungen oder Podcasts sollte man mal reinhören und warum?
Hörspiele im Radio, war oder ist das für dich ein Thema?
Warst du selbst schon einmal im Radio oder hast du selber Radio gemacht?
Was war deine Motivation, selbst aktiv zu werden? Hast du vielleicht auch ein paar schöne Anekdoten oder legendäre Pannen für uns auf Lager?
Wenn du eine Radio-Sendung machen dürftest, wie würde sie aussehen?
Ist Radio für dich heute noch relevant, um neue Musik zu entdecken?
Darf gutes Radio etwas kosten, von den Rundfunkgebühren abgesehen? Unterstützt du gar Radiosender oder Podcasts?
Links

„Radio, mein Radio
Ich lass mich in den Äther saugen
Meine Ohren werden Augen
Radio, mein Radio
So höre ich, was ich nicht seh‘
Stille heimlich fernes Weh“

Rammstein – Radio


Was war dein erstes bewusstes Radio-Erlebnis?

Klaus: Eine meiner frühesten Radio-Erinnerungen ist eher unmusikalischer Natur: Ich entsinne mich noch gut, wie mein Vater als leidenschaftlicher „Glubberer“ samstags nach der Gartenarbeit pünktlich um 16 Uhr Bayern 1 einzuschalten pflegte, um bei „Heute im Stadion“ die Bundesligaspiele seines heißgeliebten Vereins mitzuverfolgen. Der Apfel fällt ja bekanntlich nicht weit vom Stamm, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis auch ich dem Nimbus der „Ruhmreichen“ verfiel und ebenfalls vor dem Radio mitfieberte. Damals war der 1. FCN ja auch noch eine andere Hausnummer und zumindest auf nationaler Ebene durchaus noch konkurrenzfähig. Etwa zu dieser Zeit begann ich mich auch für Musik abseits der Schallplattensammlung meiner Eltern zu interessieren und da war es natürlich Pflicht, freitags um 18 Uhr die „Schlager der Woche“ auf Bayern 3 einzuschalten. Irgendwann kam dann ein eigener Radiorekorder ins Kinderzimmer und die Funktionsweise der Tastenkombination „Play/Rec./Pause“ war rasch ergründet.

Martin: Das muss so mit fünf oder sechs Jahren gewesen sein: Der „Sonntagswecker“ im Bayerischen Rundfunk, welcher um halb acht morgens bei meinen Eltern im Bett mit der gesummten „Ahum-Ahum Ahum-Ahum“-Melodie aus einem kleinen roten Transistorradio begann. Es war eine Kindersendung, aber an die genauen Inhalte kann ich mich natürlich nicht mehr erinnern. Nur daran, dass ich immer darüber rätselte, wie der Typ aussehen möchte, der da am Anfang summt – mutmaßlich irgendie unheimlich.
Später, in den 80ern, kam man in Bayern an Thomas Gottschalk mit der „B3-Radioshow“ (zusammen mit Günther Jauch) nicht vorbei – allein schon deshalb, weil Bayern 3 der einzige Sender für Pop-Musik war, den man auf UKW empfangen konnte. Gottschalk sagte die Musik nicht nur an, sondern quasselte damals schon gern und hatte beim BR nach der Vorarbeit mit „Pop nach acht“ Ende der 70er wohl schon Narrenfreiheit.

Mardou: In meiner Kindheit wurde viel Radio gehört, denn in unserem Wohnzimmer stand kein Fernseher. Es gab nur einen im Schlafzimmer meiner Eltern, wo wir auch öfter alle gemeinsam einen Film oder eine Sendung sahen. Mein Bruder und ich hatten später einen eigenen kleinen Fernseher auf einem Rollwagen, den wir uns teilten, weil ihn jeder in sein Zimmer schieben konnte. In meiner Erinnerung haben wir ihn aber nicht sehr häufig benutzt. So viele Sender gab es damals ja noch nicht. Drei West-Sender und zwei DDR-Sender, die wir als Westberliner auch empfangen haben. Also lief in der Küche das Radio und im Wohnzimmer dann meist das Radio der Stereoanlage oder Schallplatten meiner Eltern.

Dirk: Wahrscheinlich der sonntägliche Gottesdienst im Radio meiner Oma. Ansonsten Musik im Radio hören bei Mal Sondocks Hitparade Ende der 1970er.

Burkhard: Das kann ich gar nicht sagen. Als Kind habe ich es natürlich bewusst mitbekommen, wenn meine Eltern Musik oder auch Nachrichtensendungen im Radio gehört haben, aber es gibt kein konkretes „erstes Mal“, an das ich mich erinnern könnte. Irgendwann in den 70ern – vielleicht 1977 – hatten meine Schwester und ich ein „eigenes“ älteres Radiogerät im gemeinsamen Kinderzimmer. Das hatte neben UKW auch noch Kurzwelle, Mittelwelle und Langwelle. Irgendwann in dieser Zeit bin ich dann auch auf die ersten Musiksendungen gestoßen, die ich dann mehr oder weniger regelmäßig gehört habe, und zwar die „Schlagerrallye“ und „Mal Sondocks Hitparade“.

Stefan: Das kann ich nur schwer zurückverfolgen, weil die Erinnerungen verblasst sind, aber als Einzelereignis mit größerer Bedeutung könnte das die Nachricht von der Ermordung John Lennons im Dezember 1980 gewesen sein. Ansonsten kannte ich damals außer Elvis und Beatles wenig Musik wirklich bewusst und hatte meinen Radio-Erstkontakt wohl über Bayern 1 mit Moderatoren wie Gustl Weishappel, der morgens nach einem Blick auf sein „Fensterbankl“ die aktuelle Außentemperatur zum Besten gab.


Mardou: Das Radio ist später wieder interessanter geworden. Bestimmte Musiksendungen wurden gehört, Songs auf Kassette aufgenommen, getauscht und kopiert. Die Aufnahmen waren in den meisten Fällen alles andere als perfekt, häufig fehlten Anfänge oder Enden. Entweder hatte man nicht schnell genug auf Aufnahme gedrückt, der Moderator quatschte dazwischen oder ein Jingle wurde zu früh abgespielt. Oder die Kassette war zu früh zu Ende. Hatte man den Sender nicht richtig reinbekommen, war alles etwas verrauscht.
Egal, es war wie Goldschürfen: manchmal bekam man große und perfekte Brocken, manchmal nur Splitter. Doch auf seinem Kassettenrekorder konnte man das Lied immer wieder hören, zumindest den Mittelteil. Das fühlte sich toll an.
Als es dann irgendwann Kabelfernsehen gab, war das Radio erstmal out. Die Flut an neuen Sendern und Sendungen war deutlich spannender. Außerdem hielten seit einiger Zeit eigene Musik-Platten und später auch CDs Einzug ins Kinderzimmer, die man sich vom Taschengeld kaufte, geschenkt bekam oder von Freunden lieh. Die Auswahl an selbstaufgenommenen Kassetten wuchs, auch deren Qualität. Die wunderbare Zeit der Mix-Tapes war angebrochen. Und der Walkman schenkte einem den Luxus, seine geliebten Kassetten immer und überall hören zu können.


Gibt es eine Radio-Sendung, die dich musikalisch oder auch über die Musik hinaus geprägt hat?

Falko: Eine Radiosendung tötete mich: Tony Jaspers „HM-Show“ auf BFBS (British Forces Broadcasting Service) rockte jeden Dienstagabend um 22 Uhr meine Welt. „HM“ stand und steht für Heavy Metal. Ich war noch klein, ging in die fünfte Klasse, und war schon ein totaler Freak. Kiss, AC/DC, Scorpions und Judas Priest waren meine Erlöser und Heilsbringer und wenn’s mal ausnahmsweise kein Metal war, mussten Pink Floyd herhalten. Die Show war in englischer Sprache. Mann, das war unglaublich aufregend: Ein englischer Sender, abends um die Zeit, und der brachte tatsächlich meine Lieblingsmusik, Hammer!

Dirk: Oh ja, musikalisch BFBS ab 1980: Monday Rock Show 21 Uhr und die HM-Show dienstags um 22 Uhr. Die mussten immer sein und haben mich ziemlich geprägt. Ab 1983 kam noch unregelmäßig Rodogans Rockers (Reggae) ebenfalls auf BFBS dazu. Rückblickend musste man als Nischenhörer BFBS hören, Heavy Metal, Punk oder andersartiger, nicht chartträchtiger Rock fanden damals und heute im WDR nicht statt.

Falko: Es ging direkt nach den 22-Uhr-Nachrichten los. Die Show begann jedes Mal mit dem Gitarrenriff von Kiss’ „Rocket Ride“. Das Radio brannte, ein paar einleitende Worte von Tony Jasper und dann jagte ein Höhepunkt den nächsten. Meine Seele zerbarst vor Jubel über die neuen Bands, die ich hörte: Riot – das schnell gespielte Schlagzeugintro zu „Loanshark“ blies mir den Fahrtwind eines mit 270 Stundenkilometern rasenden Schnellzuges ins Gesicht. Exciter – „Stand up and fight“ – zertrümmerten mir mit roher Brutalität Hammer, Amboss und Steigbügel. Raven hatten kein Mitleid, mir mit „Faster than the speed of light“ den Kopf zu spalten. Wie eine Kreissäge wütete der Song in meinem Kopf, meine Schädeldecke zersplitterte, Blut und Hirnmasse spritzten in alle Richtungen. Es war Wahnsinn.
Bekannte Bands wurden bei Tony Jasper auch gespielt: Led Zeppelin, Deep Purple, Motörhead oder Van Halen. Ich genoss es, neue Songs von bekannten Bands zu hören. Ich schnitt alles auf Kassette mit. Jahrelange Suche nach dem verlockendsten glitzernden Schatz, den man sich vorstellen kann, und diesen nun endlich gefunden zu haben, versetzte mich in einen Rausch der Begierde und Habgier nach mehr, immer noch mehr. Während jeder Anmoderation für den nächsten Titel lagen meine Finger weit gespreizt auf den Aufnahme- und Playtasten des Kassettenrekorders, um nicht auch nur eine tausendstel Lichtsekunde des nächsten Songs zu verpassen. Die schwergängigen Tasten mussten niedergerungen werden, um punktgenau die Aufnahmefunktion des primitiven Geräts zu aktivieren. Der Schnitt sollte perfekt sitzen, um nicht noch die letzten Worte des Moderators als störendes Signal mit aufzunehmen. Das war 1982.

Martin: Die „Schlager der Woche“ freitagabends (wenn ich mit recht erinnere, mit dem Beginn von „Our Darkness“ von Anne Clark als Jingle), die Klaus erwähnt hat, waren natürlich Pflichtprogramm. Dazu kam in den späten 80ern „Aus meiner Rocktasche“, moderiert von Georg Kostya, der auch „The Beat Goes On“ zusammen mit Julia Edenhofer machte. Kostyas Sendung war quasi ein Grundlagenkurs in Rockmusik, da hier bekannte und weniger bekannte Songs aus den 50er bis 70er Jahren gespielt wurden. Die Beatles (entdeckte ich hier richtig), Bob Dylan, Creedence Clearwater Revival – also Musik, die heute nur noch in Spartensendern gespielt wird.
Georg Kostya erfüllte auch Hörerwünsche, die per Postkarte an den Bayerischen Rundfunk geschickt wurden. Und tatsächlich war ich zweimal dabei: einmal mit „Knockin’ On Heaven’s Door“ von Dylan (das Cover von Guns n’ Roses gab’s Ende der 80er noch nicht) und mit „American Pie“ von Don McLean (in der langen Fassung gewünscht und gespielt), welches ich damals wahnsinnig melancholisch fand. Georg Kostya ist 2011 gestorben, Julia Edenhofer im Dezember 2018.
Metal und extreme Klänge musste man in Bayern suchen, aber immerhin gab es auf Bayern 2 im „Zündfunk“ einmal pro Woche eine Sendung etwa um 17 Uhr, recht krasses Zeug von Kreator über Death bis zu Morbid Angel in den Äther gespült. Stefan müsste sich noch an den Namen der Sendung und die Moderatoren erinnern; ich bin sicher, dass Maximilian Schönherr dabei war (der gute Max war seit den Achtzigern mit Krach und Computerthemen im Zündfunk aktiv, heute arbeitet er unter anderem für den Deutschlandfunk, den WDR sowie als Autor und Fotograf – Stefan). Gerne wurden die Texte analysiert und übersetzt rezitiert, z. B. „Genetic Reconstruction“ von Death, womit man dem Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachkam. Wenn man in den 90er-Jahren in Bayern Innovatives und Progressives hören wollte, blieb einem nur der „Zündfunk“, den es immer noch gibt.

Klaus: Meine eigentliche „radiologische Entjungferung“ erfolgte irgendwann 1979: Eher zufällig schaltete ich eines Abends das Radio ein und erlebte ein Riffgewitter erster Güte! Derartige Klänge waren bis dahin noch nicht an meine Ohren gedrungen, die gerade erst den zaghaften Wandel vom ABBA- zum Status-Quo-Fan zu verkraften hatten … und dann so etwas! Wie sich herausstellen sollte, handelte es sich um eine Band namens AC/DC. Deren Song „Riff Raff“ in der damals aktuellen Liveversion vom „If you want Blood“-Album wurde von einem sympathischen, lockeren, jungen Typen aufgelegt, dessen Sendung „Pop nach acht“ ich ab diesem Zeitpunkt selbstverständlich regelmäßig hören musste.
Thomas Gottschalk sollte mich nicht enttäuschen: Er spielte völlig unkonventionelles Zeug wie z. B. die eher unpopulären Stücke von Queen, Led Zeppelin & Co. oder die gerade aufstrebenden jungen Bands wie Demon, Vardis, Y&T, Santers oder New England, die ich ohne ihn vielleicht nie kennengelernt hätte. Er lud Bands zu Interviews in die Sendung ein und präsentierte später im Rahmen seiner Show sogar Livekonzerte. Ian Gillans Soloband Gillan war ein wahres Highlight in diesem Zusammenhang! Legendär auch Gottschalks Versprecher beim Interview mit Thin Lizzy, als er Phil Lynott mit „Thin Lynott“ ansprach … Ich habe damals zig Tapes mitgeschnitten, die mich zu allen möglichen langweiligen Familienfeiern begleiteten, wo ich mich dann mit dem Kassettenrekorder in eine abgelegene Ecke verdrückte – und die ich selbstverständlich auch heute noch besitze.
Etwa ab Mitte der Achtziger verlor das Radio dank rasch gewachsener eigener Schallplattensammlung und der frühen Freuden des juvenilen Daseins aber so nach und nach an Bedeutung. So richtig bewusst nahm ich Gottschalk erst wieder zu Studienzeiten wahr, als er zusammen mit Günther Jauch die „BR Radioshow“ im Nachmittagsprogramm moderierte, in der sich die beiden die Bälle auf witzige und bisweilen geradezu geniale Art nur so zuspielten. Anlässlich des 40. Jubiläums von „Pop nach acht“ erschien übrigens vor zwei Jahren ein recht lesenswerter Artikel im Ingolstädter Donaukurier.

Burkhard: Auch wenn es einige Musiksendungen gab, die ich über Jahre mehr oder weniger regelmäßig gehört habe, würde ich nicht sagen, dass sie mich musikalisch (oder gar darüber hinaus) „geprägt“ haben. Zumindest nicht in dem Sinne, dass sie entscheidenden Einfluss darauf gehabt hätten, welche Platten ich mir gekauft habe, abgesehen vielleicht von einer Ausnahme. Nachdem ich 1984 zunächst durch die „Live From Earth“ von Pat Benatar und dann durch Lita Fords „Dancin’ on the Edge“ Gefallen an härterer Musik gefunden hatte, muss ich irgendwann im Herbst 1984 auf die „Monday Rock Show“ auf BFBS gestoßen sein. Auf diesem Sender, den ich problemlos über UKW ohne nerviges Rauschen empfangen konnte, hatte ich schon seit Anfang der 80er wöchentlich die Sendung mit den englischen Charts gehört. Wann genau und auf welche Weise ich auf die „Monday Rock Show“ gestoßen bin, kann ich nicht mehr sagen. Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass es diese Sendung war, in der ich an einem Montagabend irgendwann im Herbst 1984 erstmals Metallicas „Fight Fire with Fire“ gehört habe, was für mich einer musikalischen Offenbarung gleichkam. Ich habe mir daraufhin Weihnachten 1984 die „Ride the Lightning“ schenken lassen und diese mehr als ein Jahr lang (gefühlt) nahezu täglich mit Begeisterung gehört. Leider habe ich damals noch keine Strichliste geführt, sodass mir genauere Angaben hierzu nicht möglich sind.

Klaus: Während der Examensvorbereitung entdeckte ich – ebenfalls auf Bayern 3 – die „ARD Popnacht“ mit Bea Reszat, die sich als angenehme, unaufdringliche Untermalung beim nächtlichen Büffeln erweisen sollte. Die samstägliche „Heute im Stadion“-Routine wurde inzwischen durch die nachmittags um drei beginnende Metalsendung des Ostsenders DT 64 eingeleitet. Bayreuth lag ja im ehemaligen Grenzland und somit hatte man einen einwandfreien Empfang dieser vorzüglichen Sendung, die sich härtetechnisch immer mehr steigerte und selbst Kaliber wie Slayer und Konsorten featurete (neben der einen oder anderen Ostband wie Formel I oder Plattform, versteht sich).
Zurück in heimatlichen Gefilden fiel zuallererst die dank der inzwischen aufgekommenen Privatsender völlig veränderte Rundfunklandschaft im Großraum Nürnberg auf. Aufgrund der ständig wechselnden Besitzverhältnisse konnte man sich nie allzu lange darauf verlassen, welcher Sender denn nun für die härteren Klänge zuständig war. Mal war es Gong, dann wieder N1, und selbst das aus einer Kneipe in Erlangen sendende Radio Downtown kapitulierte irgendwann einmal vor kommerziellen Interessen! Abgerundet wurde dieses Chaos der Rundfunkfrequenzen durch eine etwas bizarre Art der „Arbeitsteilung“ mit meiner im selben Zimmer arbeitenden älteren Kollegin: vormittags Schlager und Volkstümliches von Radio F, ab dem Nachmittag dann Rock von wem auch immer …

Burkhard: Einige Zeit später habe ich entdeckt, dass es auf BFBS neben der „Monday Rock Show“ auch noch die „HM Show“ gab. Beide Sendungen habe ich häufig gehört und auch schon mal (teilweise) auf Kassette aufgenommen, diese Aufnahmen aber auch wieder regelmäßig durch neue Aufnahmen überspielt, um nicht ständig neue Kassetten kaufen zu müssen. Irgendwann 1985 gab es dann im WDR mit „Scream“ auch eine deutsche Radiosendung für Metalfans, die ich regelmäßig gehört habe.
Etwas später habe ich schließlich auch noch auf dem holländischen Sender Hilversum 3, den ich dank günstiger Lage ebenfalls über UKW empfangen konnte (wenngleich auch oft mit leichtem Rauschen) und auf dem ich zuvor schon einige Jahre lang die wöchentlichen Single-Charts „Tros Top 50“ und „Tros Top 40“ verfolgt hatte, eine Metalsendung mit dem Titel „Vara’s Vuurwerk“ entdeckt, die ich fortan regelmäßig gehört habe. Dort wurde auch ein Mitschnitt des Fear of God-Auftritts beim Aardschokdag-Festival 1992 gespielt, den ich mir seinerzeit auf Kassette aufgenommen habe – zum Glück war das vorher angekündigt worden, sodass ich für die Aufnahme vorbereitet war – und von dem ich dann 1993 eine Kopie an Dawn Crosby (R.I.P.) geschickt habe (und auf ihre nachfolgende Bitte dann noch weitere Kopien, die sie für die Musiker von Wrathchild America haben wollte, welche sie bei jenem Auftritt begleitet hatten).
Was Plattenkäufe angeht, habe ich mich allerdings nach meiner Erinnerung hauptsächlich an Rezensionen in Metalmagazinen orientiert. Abgesehen von Metallicas „Fight Fire with Fire“ bin ich mir nur in einem anderen Fall ganz sicher, dass ein im Radio gespielter Song für eine Kaufentscheidung maßgeblich war, und zwar das in „Vara’s Vuurwerk“ gespielte „Primitive Ways“ von Death, der mich seinerzeit zum Kauf des Albums „Leprosy“ veranlasst hat. Irgendwann in der ersten Hälfte der 90er ist allerdings auch die letzte der vorgenannten Metalsendungen eingestellt worden.

Mardou: Geboren Mitte der 70er, hörte ich am liebsten Hörspiele auf meinem Kassettenrekorder und war eben ein klassisches Kassettenkind. Doch jeden Sonntagmorgen saß ich in aller Frühe vor dem Radio im Wohnzimmer. Dann lief immer eine Sendung über den Berliner Zoo, von der ich meist nur die restlichen Minuten hörte, weil mich das weniger interessierte, bis danach eine Kindersendung anfing, an deren Namen ich mich nicht erinnere. Ob es sich dabei um eine Lesung oder ein Hörspiel handelte, weiß ich auch nicht mehr. Doch die Geschichten haben mir meistens gefallen und es war mein Radio-Highlight der Woche.

Stefan: Mit Blick auf die Musik war das zu Anfang Georg Kostya mit seinen Oldie-Sendungen, danach Bayern 3 mit „Schlager der Woche“ und logischerweise ein Mann wie Thomas Gottschalk, der auch heute, bis vor einiger Zeit noch für den BR, wieder Radio macht. Ein großes Thema waren aber auch Hörspiele wie „Die Grandauers und ihre Zeit“, später unter dem Titel „Löwengrube“ auch als TV-Serie kongenial verfilmt. Das wurde zu Hause innerhalb der Familie zeitweilig regelrecht rituell konsumiert: Sonntagnachmittag, Kaffee und Kuchen, Grandauers hören. Ganz hoch im Kurs (bis heute) stand auch die Fußballsendung „Heute im Stadion“ am Samstagnachmittag, die ist seit Jahrzehnten eine Konstante.
Später kam dann auch der „Zündfunk“ auf Bayern 2 hinzu, hier vor allem die im zweiwöchentlichen Rhythmus ausgestrahlte Metal-und-Hardcore-Sendung von Maximilian Schönherr („Ach Max …“), welcher seine halbstündige Computersendung mit Rubriken wie „Jeffersons Computernächte“ voranging. Da auf Bayern 3 härterer Stoff seinerzeit meist nur dann gesendet wurde, wenn Songs wie „Dr. Stein“ (Helloween) oder „Can I play with Madness“ (Iron Maiden) als Single-Neuheiten einen ordentlichen Einstieg in die Charts hingelegt hatten, war Schönherrs Sendung für einen Hörer in der entlegenen Provinz eine Offenbarung, denn ansonsten hielt der BR von solchen Klängen großen Abstand.
Thrash und Death Metal, Demos aus dem Untergrund und die offensichtlich so gar nicht „szenetypische“ Präsentation der Sendung waren ein großer Einfluss, gerade weil Schönherr sicher kein Metalfan der üblichen Sorte war und auch skurrile Elemente wie Aufnahmen von Basketballspielern in New York, von nächtlichen Hubschraubergeräuschen hinter seinem Haus oder Peter Alexander rückwärts einbaute. Das prägte meinen Zugang zu unterschiedlichen Musikgenres entscheidend mit: Mut zum bewussten Durcheinander.

Mardou: Als ich mit Anfang 20 meine erste eigene Wohnung bezog, hörte ich wieder häufiger Radio. Vor allem den 1993 neu gegründeten Sender FRITZ, eines der ersten medialen Ost-West-Produkte nach der Wende.
Zu meinen Favoriten dort gehörten die abendlichen „Blue Moon“-Sendungen, die täglich (außer am Samstag) von 22 Uhr bis 1 Uhr liefen. Die Sendungen bestanden hauptsächlich aus Telefongesprächen mit den Hörern, hin und wieder unterbrochen durch einen Song oder die Nachrichten. Jeder Wochentag hatte seinen Stamm-Moderator und jede Sendung dann ein Thema. Mein Lieblingsmoderator war Jürgen Kuttner (ja, der Vater von Sarah), dessen Sendung „Sprechfunk“ hieß. Nach einer sehr langen Pause gibt es jetzt übrigens wieder jeden Mittwoch frischen „Sprechfunk“ mit Kuttner, allerdings nun bei Radio Eins und nur etwa eine Stunde lang.
Sonntags gab es bei FRITZ am Vormittag immer den „Ohrenzeugen“, eine Art interaktives Hörspiel mit den Hörern, die anrufen und live mitspielen konnten.


Habt Ihr die Sendung in besonderer Weise mit den Moderatorinnen und Moderatoren in Verbindung gebracht oder sogar wegen ihnen gehört?

Burkhard: Für mich selbst hatte es eigentlich keine Bedeutung, wer die Sendungen moderierte, wobei es in der Regel schon dieselben Personen waren. Bei den beiden Sendungen auf BFBS habe ich keine Erinnerung mehr an die Namen, während ich mich noch gut daran erinnere, dass „Scream“ von Volkmar Kramarz moderiert wurde. Ich meine, dass als Moderatorin auch gelegentlich Siba Shakib mitgewirkt hat, wofür ich online aber keine Bestätigung habe finden können. Bei „Vara’s Vuurwerk“ ist mir noch der Name Henk Westbroek in Erinnerung. Außerdem erinnere ich mich an Mirella Simoncini, die irgendwann nach der Einstellung von „Vara’s Vuurwerk“ eine Metalsendung namens „Bad Grrrl“ hatte.

Dirk: Nein, nicht wirklich.

Stefan: Einprägsame Stimmen mochte ich schon immer und diese Prägung hat naturgemäß das Radio ausgelöst. Das bezog sich allerdings nicht nur auf Moderatoren, sondern auch auf Reporter wie Günther Koch in „Heute im Stadion“, wenn dieser wieder einmal an seinen „Glubberern“ (sprich: am FCN) verzweifelte. Bei Max Schönherr war es diese Freiheit, im Genre (Metal und etwas Hardcore) einen völlig anderen Zugang an den Tag zu legen als es ein „echter“ Metal-Fan oder ein moderierender Journalist eines Fachmagazins wie etwa dem Metal Hammer vermutlich getan hätte. Der verbissene Bierernst mancher Gralshüter ging ihm ab, auch wenn er durchaus konsequent sein konnte: Als Metallica 1991 ihr nicht unumstrittenes schwarzes Album herausbrachten, wurde die markante Erkennungsmelodie von Schönherrs Sendung (ein Auszug aus einem 1988er „And Justice for all“-Track) durch eine Passage aus einem Coroner-Stück ersetzt. Für die Nerds: Es war „Semtex Revolution“ vom Album „Mental Vortex“.


Weißt du noch, womit und wann du sie immer gehört hast?

Burkhard: Die Metalsendungen habe ich über meine eigene Stereoanlage gehört und zwar zu den jeweiligen Sendeterminen, was beim Radio ja – zumindest damals, als es noch kein Internet gab – auch gar nicht anders möglich gewesen wäre, es sei denn, irgendjemand hätte für mich die Sendungen auf Kassette aufgenommen, sodass ich sie mir zu einem späteren Zeitpunkt hätte anhören können.

Dirk: Zuerst auf einem Grundig-Monoradio, an das ich meinen ITT-Mono-Kassettenrekorder zum Aufnehmen angeschlossen habe. Später dann (ab 14 dank des Konfirmationsertrages) wurden die neuesten Scheiben endlich in Stereo und mit echtem Tapedeck aufgenommen. Hi-Fi war Anfang der Achtziger wichtig, um die Musik in der bestmöglichen Qualität hören zu können.

Stefan: Das Equipment war vielfältig: Küchenradio und Grundig-Anlage meiner Eltern, dazu die noch aus den Fünfzigern stammende „Philetta“ in der Garage, diese war gern auch parallel zu Tischtennispartien im Einsatz. Außerdem später dann auch Kassettenrekorder, eigene Anlage und das Autoradio. Gehört wurde zwangsläufig immer live, in jenem Leben vor Podcasts und Mediatheken. Das war zum Beispiel am Samstagnachmittag auf Bayern 1 „Heute im Stadion“ (seinerzeit noch in der kurzen Ausgabe von 16 bis 17.30 Uhr) und alle zwei Wochen am Montag kurz nach 17 Uhr auf Bayern 2 Maximilian Schönherrs Metal-Sendung.

Martin: Gehört habe ich die Sendungen noch mit meinem Grundig-Kofferradio, mit dem man auch aufnehmen konnte. Ich weiß gar nicht, ob die gut 20 Kassetten aus dieser Zeit überhaupt noch anhörbar sind. Ab 1991 war es dann ein Denon-Receiver, der die Musik ins Haus brachte, Bestandteil der damals vom ersten richtigen Arbeitslohn angeschafften Stereo-Anlage. Mit diesem konnte ich nun auch die Kanäle aus dem Kabelnetz empfangen, was aber kaum zusätzliche wirklich interessante Sender brachte. 2019 hat er sich mit einem lauten Krächzen verabschiedet. Jetzt empfängt und streamt ein Onkyo-Receiver.


Was hast du zuletzt im Radio – klassisch oder im Netz – gehört?

Burkhard: Gestern Abend das „Echo des Tages“ auf WDR 5. Ganz klassisch.

Dirk: Analog – jeden Morgen – WDR 5.

Stefan: Nachrichten auf B5 aktuell, dazu etwas Deutschlandfunk und auf „Deutschlandfunk Kultur“ einen Nachruf auf Martin Birch („Der Handwerker des Heavy Metal“). An bald wieder kommenden Samstagen wird außerdem natürlich auch die Fußballreportage „Heute im Stadion“ auf Bayern 1 zelebriert.

Martin: Seit einiger Zeit höre ich regelmäßig „radio eins“ vom rbb (Sendermoto: „Nur für Erwachsene“), welches ein ziemlich breites Spektrum an Musik und Wortbeiträgen sendet, von Jazz über Elektro bis zu Metal. Da aus Berlin gesendet wird (und irgendwie merkt man auch die weltstädtische Attitude), höre ich am PC oder über die Internetradio-Funktion der Stereoanlage.


Gibt es heute noch Radio-Sendungen, die du regelmäßig „live“ hörst, klassisch am Radiogerät oder als Stream? Nimmst du dir dann bewusst Zeit dafür?

Burkhard: Das sind allenfalls Nachrichtensendungen, insbesondere das „Echo des Tages“ auf WDR 5, oder aber die jeweils am Samstagnachmittag ebenfalls auf WDR 5 ausgestrahlte Sendung „Unterhaltung am Wochenende“, in welcher Kabarettprogramme gesendet werden, entweder komplette Soloprogramme oder Programme, in denen verschiedene Kabarettisten auftreten. Die Sendungen höre ich jeweils klassisch am Radiogerät bzw. über meine Stereoanlage, wobei ich mir für die Nachrichtensendungen aber nicht bewusst Zeit nehme, sondern diese nebenbei beim Frühstück oder Abendessen höre. Für die „Unterhaltung am Wochenende“ nehme ich mir meistens schon bewusst Zeit, allerdings hängt es davon ab, wer dort auftritt. Insoweit wäre es vielleicht korrekter zu sagen, dass ich diese Sendung unregelmäßig höre.

Stefan: Teils live mitverfolgt, teils später als Stream gehört wurde in der Regel die Rock-Sendung von Thomas Gottschalk auf Bayern 1, die meist am ersten Sonntag im Monat lief. Immerhin bemerkenswert, dass neben den gängigen Classic-Rock-Geschichten dort auch Härteres wie Metallica oder Iron Maiden („The Number of the Beast“) den Weg ins Programm fand. „Heute im Stadion“ höre ich gerne live, das hat echte Tradition. Ansonsten suche ich abgesehen von aktuellen Nachrichten heute lieber das Podcast-Angebot diverser Rubriken nach interessanten Themen ab und ziehe mir dann gleich einen ganzen Schwung auf den Rechner.

Dirk: Leider nein, außer mein morgendliches WDR5-Programm. Die Radio-Streamer wie „BellyUp4Blues“ scheinen interessant zu sein, aber oft wird da eh nur die Musik gespielt, die ich schon längst kenne.

Martin: Wie gesagt: Wenn ich das Radio anmache, läuft „radio eins“ oder „Bayern 2“ oder der „Deutschlandfunk“. Bei „radio eins“ habe ich auch ungefähr das Sendeschema im Kopf – mal sehen, vielleicht stellt sich doch noch ein heimeliges Gefühl ein. Bewusst oder geplant aber eher selten, wie ich mich in den letzten Jahren überhaupt vom linearen Fernsehen oder Radio entfernt habe. Wenn‘s grad passt, höre ich momentan „Laut & Kantig“ mit Christiane Falk Montagabend oder „Die Blaue Stunde“ mit Serdar Somuncu am Sonntagnachmittag, jeweils auf „radio eins“ – kann man auch ein paar Tage danach noch nachhören.
Ich könnte nun echte Kennerschaft beweisen, wenn ich sagen würde, dass ich regelmäßig fm4, insbesondere „Im Sumpf“, von den österreichischen Nachbarn höre, welches zeitweise sogar mit Dachantenne zu empfangen war. Aber nein, bisher nicht.

Klaus: Etwa ab der Jahrtausendwende wurde ich über unser Veranstaltungsblättchen Rock City News auf den Sender Rockin´ Radio aufmerksam (beide waren aus der Anfang der Neunziger gestarteten „Rockin’ Radio“-Initiative entstanden), der von Freitag bis Sonntag ab dem frühen Abend bis Mitternacht ein sehr abwechslungsreiches und ausgewogenes Rockspektrum von Prog bis Krawall abdeckte und der auch ein gewisses Augenmerk auf regionale Bands legte, von dem auch meine ehemalige Band Fading Haze gerade in den frühen Jahren ordentlich profitieren konnte (thx! to Andrea Walter und Edda Lang!). Seit einigen Jahren sendet auch Rockin’ Radio übrigens aus einer Nürnberger Kneipe …


In welche Radiosendungen oder Podcasts sollte man mal reinhören und warum?

Klaus: Inzwischen hat sich das Thema Radio dank eines gewachsenen Ruhebedürfnisses meinerseits und einer enorm umfangreichen heimischen Musiksammlung doch ziemlich relativiert. Die Rock-Vormachtstellung in und um Nürnberg liegt nun wieder bei Radio Gong, deren eher mainstreamiges Tagesprogramm ich mir aber nur noch selten reinziehe. Die meisten Radiomoderatoren sind heutzutage leider nicht viel mehr als selbstverliebte Dampfplauderer. Eine rühmliche Ausnahme bildet hier allerdings Danny Keck: Was dieser junge Bursche an musikalischem Sachverstand, besonders für die alten Metalsachen, am Start hat, ringt mir allerhöchsten Respekt ab! Man merkt ihm förmlich an, wie er diese Einstellung auch lebt! Wenn also Gong läuft, dann die samstagabendliche Metalsendung mit ihm oder – quasi im Vorprogramm – das von Dee Snyder (Ex-Twisted Sister) moderierte US-Special „House of Hair“, das für nostalgisch verklärte, ewiggestrige Altrocker wie mich Musik vom Feinsten bietet!

Stefan: Im Netz kann ich den YouTube-Kanal von KEXP aus Seattle empfehlen: Indie-Rock mit Live-im-Studio-Konzerten, unprätentiös gemacht und ansprechende Musikauswahl. Eine ganz andere Baustelle ist auf Bayern 2 „Jazz und Politik“: Die Sendung widmet sich einem bestimmten Thema, zu dem dann zwischen den Musikstücken essayistische Kurzbeiträge gesendet werden. Hörenswert finde ich auch Podcasts mit Interviews und themenbezogenen Specials wie im „Zündfunk“, leider aus nicht selten traurigem Anlass (in diesem Jahr der Tod von Florian Schneider oder Gabi Delgado).

Dirk: Da muss ich passen.

Martin: Zum zielgerichteten Radiohören höre ich Podcasts. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben ihre Sendungen nun in der ARD-Audiothek gebündelt, die ich recht übersichtlich finde. Regelmäßig höre ich den „Bahnhofskino“-Podcast mit zwei Filmwissenschaftlern, beide noch aus der Videokassetten-Generation, die zugleich Fans der Klassiker und Phantastik-Filme sind, die sie besprechen.
„Kack- & Sachgeschichten“ dreht sich auch um Filme und beleuchtet die wissenschaftlichen Hintergründe („Bekannt für überdrehte, oft augenzwinkernde Analysen der Popkultur und des Nerdversums“ lautet die Eigendarstellung). Das Podcast-Label „Viertausendhertz“ produziert Interviews mit allen möglichen interessanten Menschen, unter anderem mit Mille Petrozza von Kreator. Ein Interview mit der Radio-Journalistin Marion Brasch, welche schon beim DDR-Radio DT64 aktiv war, hat mir die Idee für diese „Radio-Geschichten“ gegeben.
Das Schöne an den Podcasts ist, dass sie oft untereinander vernetzt sind, etwa so, wie das früher bei den Fanzines der Fall war, und man dadurch auf weitere Podcasts aufmerksam wird. Ein Geheimtip ist die „Turkey Thru The Corn Radio Show“. In den Genuss dieser Sendung kommt man jedoch nur mit speziellen Geheimkenntnissen, um sie hinter den „Doors of Perception“ zu erspähen. Dann wird man mit einer eklektischen Mischung aus Blues, Rock, Soul & Garage belohnt.


Hörspiele im Radio, war oder ist das für dich ein Thema?

Stefan: Früher schon, wenn ich an die „Grandauers“ zurückdenke. Heute habe ich allerdings kaum mehr Zeit dazu und das Interesse ist auch nicht allzu hoch. Es gibt als Konkurrenz vor allem zu viele Filme und einen Berg an Musik, beides will ja auch „abgearbeitet“ werden.

Burkhard: Nein, nie.

Mardou: Bis bei mir ein ernsthafteres Interesse für Musik erwachte, war das Radio ansonsten hauptsächlich eine Hintergrundbeschallung, die ich mal mehr, mal weniger wahrnahm. Hörspiele haben mich mehr interessiert. Die stärkste Erinnerung habe ich an die Hörspiel-Reihe des Senders RIAS Berlin „Damals war’s – Geschichten aus dem alten Berlin“, dort besonders an die Serie „Äpfel in Nachbars Garten“ von Werner E. Hintz. Die hatte die ganze Familie gehört und mein Bruder hatte die Folgen für uns auf Kassette aufgenommen.

Martin: Eine ganz frühe eindringliche Erinnerung ist das Hörspiel zur „Unendlichen Geschichte“ mit der Musik von Frank Duval, das muss bei der Erstausstrahlung 1981 gewesen sein. Etwa zehn Jahre später kam dann in Folgen mit je einer halben Stunde das erste Hörspiel zum „Herrn der Ringe“ (mit der Zeitschaltuhr aufgenommen, wenn im Zivildienst Nachmittagsschicht war) Heute schaue ich hin und wieder, was es auf „1live“ an Thrillern gibt oder an teils ziemlich schlockigen Horror-Geschichten. Hier findet man immer wieder auch mal Sachen, die Jörg Buttgereit im Spannungsfeld zwischen Kunst und Total-Trash produziert hat.

Dirk: Hörspiele gab es im WDR früher immer Samstag nachmittagsKrimis, immer gerne nach der Schule gehört.

„I’m on a Mexican radio
I’m on a Mexican (whoa) radio
I’m on a Mexican radio
I’m on a Mexican (whoa) radio“

Wall of Voodoo – Mexican Radio


Warst du selbst schon einmal im Radio oder hast du selber Radio gemacht?

Falko: Ich produzierte meine eigene Radioshow, die „Turkey Thru The Corn Radio Show“, 35 Jahre nach der „HM-Show“ – um genau zu sein, war es eher eine Art Podcast. Ich wollte es machen wie Tony Jasper: Ein geiles Intro, Musik bekannter wie unbekannter Bands, und gut unterhalten. Mehr als um HM ging es um den Blues, den Ursprung in der Rock’n’ Roll- und Rockmusik, den Weg zum Punk, zu Independent, Reggae, Soul oder sogar zu Elektro-Pop. Alles basierte für mich letztendlich auf dem Blues. Das war das Konzept.

Stefan: Aus gutem Grund nicht, weil ich das einfach nicht kann – zumindest so, wie ich es für angemessen halte. Ich würde auch keinem raten, mich in die Nähe eines Mikrofons zu lassen oder mich für eine Band gewinnen zu wollen – das wird garantiert nichts. Meine eigentliche Passion war immer das Schreiben, aktives Radiomachen dagegen war nie mein Interesse (und eine Begabung meinerseits wäre es mit Sicherheit auch nicht gewesen). Das redaktionelle Zusammenstellen einer Sendung jedoch wäre eine andere Baustelle, das könnte durchaus ziemlich spannend ausfallen.

Martin: Wie oben erwähnt, war ich als „Hörerwunsch“ bei Georg Kostya. 2008 trat ich indirekt im Radio in Erscheinung, als „Radio Dunkle Welle“ angefragt hatte, ob sie meinen Joy-Divison-Text aus dem ZWNN für ein langes Special zu der Band verwenden dürfen. Ich weiß nicht, ob die Sendung mehr als einmal im Internet gestreamt wurde, aber ich habe sie noch als Datei.

Mardou: In der Schulzeit, so mit 13 Jahren, war ich zwei Mal als Gast in einer Sendung des SFB (Sender Freies Berlin) zu hören. Einmal las ich dort eine Kurzgeschichte von mir vor, beim zweiten Mal war es ein Interview zu irgendeinem Schüler-/Teenager-Thema. Den Kontakt hatte meine Deutschlehrerin vermittelt.

Falko: Woher kam der Wunsch, eine eigene Sendung zu machen? Ich merkte im Laufe der Jahre mehr und mehr, dass mich all das Szenegehabe, sei es im Heavy Metal, Punk, Blues oder was es sonst auch immer geben mag, zunehmend nervte. Immer dieses Getue mit der wahren Lehre, dieses und jenes sei Verrat an der Sache oder an der Idee. Wie Musiker sich kleideten, welche Instrumente sie nutzten, in welcher Stimmung sie spielten, welche Tattoos und Frisuren sie hatten, wie kommerziell sie geworden seien oder was auch immer an den Haaren herbeigezogen wurde, um Bands scheiße zu finden.
Ich finde das okay, wenn die einen immer „Motherfucker“ ins Mikrofon brüllen und die anderen immer von sich als wahre Metal-Keeper reden. Derartige Rituale von Bands bedienen das Image einer Band und Klischees gehören nun mal dazu – aber muss man das als Fan alles ernst nehmen? Muss daraus eine Lebenseinstellung abgeleitet werden? Mich nervte auch die musikalische Eingeschränktheit einiger Leute. Nein, lasst es mich genauer sagen: Mich nervte die Ignoranz von Musikfans gegenüber allem anderen, was nicht aus ihrer Szene kommt, gepaart mit Dogmatismus und Blasiertheit. Wieso soll gutgemachte Popmusik per se schlechter sein als irgendeine Metalband, die ständig rumgrowlt?
Wenn es glaubhaft ist, hat jegliche Band ihre Berechtigung, solange sie nicht irgendeinen braunen Scheiß von sich gibt.
Aber genug davon, eigentlich wollte ich ja nur eine möglichst interessante und unterhaltsame Radiosendung mit guter Musik machen.

„All I ever wanted to do was hear music that I like and play it to other people.“
John Peel


Was war deine Motivation, selbst aktiv zu werden? Hast du vielleicht auch ein paar schöne Anekdoten oder legendäre Pannen für uns auf Lager?

Falko: Die Sendung zu produzieren bereitete mir ein Riesenvergnügen. Ich kramte Platten aus meiner Sammlung hervor, die ich lange nicht mehr gehört hatte oder kaufte neue Platten. Bestimmte Songs wollte ich unbedingt von Vinyl spielen. Ich stellte Playlists von Songs zusammen, die ich nicht mehr auf Platte besorgen konnte, machte mir Notizen zu einzelnen Songs. Ich erarbeitete die Reihenfolge der Songs, die ich spielen wollte: seitenlange Listen wurden erstellt, Titel flogen raus, andere kamen dazu. Nur Sachen, die ich selbst gut fand, wollte ich bringen und so das Publikum mit Songs überraschen, die es nicht kannte oder die unberechtigt in Vergessenheit geraten waren. Ich hoffte, Zuhörer dazu bringen zu können, sich mit Bands und Interpreten zu beschäftigen, von denen sie bisher wenig oder gar nichts gehört hatten.
Besonders lustig war es, wenn Gastmoderatoren mitwirkten – eigentlich waren es nur Freunde von mir, die mitmachten. Sehr gerne erinnere ich mich daran, dass wir alle während einer Sendung viel zu viel tranken und irgendwann gab es ein merkwürdiges Geräusch: „Krumpfsch-Plopp“. Ein dumpfer Aufprall auf der Tischplatte war durch die Kopfhörer zu vernehmen. Einer meiner Kumpel hatte genug, sackte weg und knallte einfach während der Moderation mit dem Kopf auf den Tisch. Dann schlief er ein und wer genau hinhörte, konnte sein Geschnarche vernehmen. So etwas passiert im unabhängigen Radio, wir nahmen uns aber fest vor, bei zukünftigen Gelegenheiten weniger zu trinken.
Ich weiß nicht, wer meine Sendung gehört hat. Es gab ein paar ermutigende Reaktionen, von vielen aber auch gar keine Reaktion. Letztendlich ist das egal. Ich habe mir die Shows alle nochmal angehört, fand sie gut und somit ist das für mich in Ordnung. Ich werde auf jeden Fall immer mal wieder eine Sendung machen und wer es hören mag, sehr gerne, ich freue mich darüber.



Wenn du eine Radio-Sendung machen dürftest, wie würde sie aussehen?

Burkhard: Die Frage ist mir nie in den Sinn gekommen. Wenn, dann wäre es wohl eine Musiksendung, in der ich ausschließlich Sachen vorstellen würde, die mir selbst gefallen, wobei ganz große Namen, welche die meisten ohnehin kennen, wohl so gut wie gar nicht auftauchen würden. Außerdem würde ich Metal und andere Musikrichtungen wohl miteinander mischen. OK, aus Rücksicht auf die Hörer könnte man die Sendung vielleicht in einen Metal- und einen Nicht-Metal-Teil unterteilen.

Dirk: Von Philip Glass, Beethoven, Chuck Berry, Muddy Waters über Zappa inklusive Killing Joke, Art Blakey und Johnny Hallyday – eine große Spannbreite. Und immer zu einem bestimmten Thema die verschiedenen Künstler dazu aussuchen.

Stefan: In Zeiten der durchreglementierten Formate wäre das wohl kaum irgendwo unterzubringen: Es wäre eine Sendung wie eine Art Audio-Zeitschrift, idealerweise in Doppelmoderation, um auch einen Dialog innerhalb der Show in Gang zu bringen, etwa wenn es um kontroverse Themen geht. Inhaltlich würde das Ganze diverse Genres bedienen – also im Grunde ein Sammelsurium auch jenseits rein musikalischer Inhalte sein. Aber ob so etwas einem Sender als Konzept verkauft werden könnte?

Martin: Eine wilde Mischung frei assozierter Pop-Kultur-Stücke aus Musik, Film und Büchern. Völlig subjektiv und mit Hang zu nebensächlichen Details. Also so ähnlich, wie das hier im ZWNN geschieht. Anhören würde sich das niemand. Nicht mal ich selbst würde mir das danach nochmal anhören – aber ich hätte vermutlich viel Spaß dabei.

„I just want to hear something I haven’t heard before.“
John Peel

Ist Radio für dich heute noch relevant, um neue Musik zu entdecken?

Burkhard: Überhaupt nicht. Allerdings ist es das für mich auch in der Vergangenheit eigentlich nie wirklich gewesen. Selbst in der Zeit von Mitte der 80er bis Anfang der 90er, als es noch Metalsendungen im Radio gab, waren allenfalls mal in Ausnahmefällen im Radio gespielte Songs für die Entscheidung, mir eine Platte zu kaufen, entscheidend.
Maßgeblich waren für mich viel mehr die Rezensionen in einschlägigen Fachmagazinen, wobei es eigentlich nie zu wirklichen Fehlkäufen gekommen ist. Obwohl man ja, insbesondere als die CDs in der zweiten Hälfte der 80er Jahre die Vinylplatten schrittweise ablösten, im Plattenladen problemlos vor dem Kauf reinhören konnte, habe ich das allenfalls mal in seltenen Ausnahmefällen gemacht.
Als Ausnahme, bei der ich mir aufgrund eines im Radio gespielten Songs eine Platte gekauft habe, fällt mir jetzt spontan nur das Album „Zazal“ der mongolischen Gruppe Egschiglen ein. Von diesem Album wurde mal ein Song in einer Weltmusiksendung im WDR gespielt, was aber inzwischen auch schon fast 20 Jahre her sein muss. Die Sendung wurde dann irgendwann abgesetzt.
Allgemein habe ich bei mir den Eindruck, dass das Bedürfnis nach der Entdeckung neuer Musik im Laufe der Jahre deutlich zurückgegangen ist, wobei ich noch nicht einmal sagen kann, dass ich dies bedaure. Ich habe mehr als genug Platten aus völlig verschiedenen Stilrichtungen, die ich mir anhören kann, wenn ich Lust dazu habe. Es freut mich durchaus, wenn ich gelegentlich noch mal eine neue Band entdecke, die mich richtig begeistern kann (was in den vergangenen zehn Jahren schätzungsweise alle ein bis zwei Jahre einmal vorgekommen ist), aber das genügt mir dann auch.

Stefan: Das ist kaum mehr der Fall, da hat das reichweitenmächtige und ständig präsente Internet einfach die besseren Karten, gerade auch dank der Möglichkeit zu direkten Verlinkungen auf Label- und Bandwebsites, Plattformen wie YouTube, Bandcamp und dergleichen mehr.

Martin: Hm, möglicherweise, dann aber eher zufällig. Meine Art, Neues nicht nur in der Musik zu entdecken, passiert oft dadurch, dass ich irgendwo etwas beiläufig erwähnt finde, danach im Netz grabe, dabei vielleicht auf etwas stoße, das ich schon mal gehört habe, aber noch nicht in diesem Zusammenhang und dann am Faden der Hyperlinks einen Weg durch ein vorher nicht bewusstes Labyrinth entlanglaufe. So geschehen kürzlich mit den Swans, die tatsächlich bis dahin nicht von mir wahrgenommen worden waren. Die Doku „Where Does A Body End?“ lief hier nur einen Abend im Kino und hat mich ziemlich weggeblasen.

Dirk: Ja, manchmal. Und dann schnell per shazam herausfinden, was es war.

Mardou: Genauso wie das Internet das Sehverhalten geändert hat, hat es auch das Hörverhalten verändert. Radiosendungen und -hörspiele hört man dank Mediatheken gezielt und wann man möchte. Sowieso leben wir, die Generation Kassettenkinder, jetzt im Hörparadies: Beinahe jedes Buch erscheint auch als Hörbuch oder Hörspiel, viele alte und neue Hörspiele gibt es frei verfügbar im Netz, hinzu kommt aktuell die Flut an Podcasts. Die Auswahl wächst fast täglich, da gerade jeder meint, seine Gedanken oder Gespräche in einem Podcast mit der Öffentlichkeit teilen zu müssen.
Was das zerstörerische „Nichts“ in der „Unendlichen Geschichte“ war, ist im Internet die Belanglosigkeit. Sie überschwemmt nun auch die Podcasts. Die Perlen muss man jetzt suchen, auf der anderen Seite gibt es nun Podcasts für alle Geschmäcker und zu jedem Thema. Um Musik zu hören, braucht man schon lange kein Radio mehr. Wir haben Festplatten voller Mp3s, wir haben YouTube, Spotify & Co. und natürlich noch die alten CDs und LPs … Wir können immer alles hören. Wir sind satt und ungeduldig.
Auch mit allen wichtigen Informationen versorgt uns das Internet, ob nun über Zeitgeschehen oder Wetter. Oder auch Zeitungen und Zeitschriften, die zwar ebenfalls in die Jahre gekommen, aber zum Glück noch nicht ausgestorben sind. Wie auch das lineare Fernsehen spielt das Radio eine immer kleinere Rolle in meinem Leben. Doch es ist irgendwie beruhigend, dass es noch da ist.


Darf gutes Radio etwas kosten, von den Rundfunkgebühren abgesehen? Unterstützt du gar Radiosender oder Podcasts?

Burkhard: Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass mich das Programm eines Senders so sehr anspricht, dass ich bereit wäre, dafür noch neben den Rundfunkgebühren etwas zu bezahlen. Mein Bedarf an Nachrichten- und Kabarettsendungen wird bereits durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abgedeckt. Auch im Hinblick auf Musiksendungen kann ich mir kein Programm vorstellen, für das ich noch zusätzlich bezahlen würde. Würde dort Musik gespielt, von der ich bereits weiß, dass ich sie mag, hätte ich die Platten selber und könnte sie mir jederzeit anhören, wenn ich Lust dazu habe. Würde dort mir bislang unbekannte Musik gespielt, bei der lediglich eine vage Hoffnung besteht, dass mir vielleicht ein oder zwei Songs wirklich gut gefallen, würde ich es wahrscheinlich vorziehen, mir stattdessen eines meiner Lieblingsalben anzuhören, von dem ich weiß, dass es mir gefällt. Wenn ich das Bedürfnis nach musikalischen Neuentdeckungen haben sollte, könnte ich mich ja auch gezielt im Internet danach auf die Suche machen.

Dirk: Rundfunkgebühren sind mehr als ausreichend.

Stefan: Rundfunk- und Fernsehgebühren für die ÖR-Medien reichen, mehr ist finanziell nicht drin. Dieses Geld halte ich aber für sehr gut angelegt, denn trotz der bewusst herbeigeredeten schlechten Reputation von öffentlich-rechtlichem Radio und Fernsehen ist gerade in den Zeiten der Fake-News-Lawinen ein seriöses Angebot mit gewissem Anspruch (inhaltlich und handwerklich) dringend nötig.

Auch wenn sich die gebührenfinanzierten Medien zu Recht kritischen Stimmen stellen müssen: Mir wird für meinen Geschmack zu viel pauschale Dauernörgelei abgefeuert à la „Alles schlecht und niveaulos, früher war’s besser, die Öffentlich-Rechtlichen braucht eh keiner mehr“. Das Ende vom Lied sind die Verschwörungsdödel im Netz, die in den hinterletzten Ecken des Internets unüberprüft und kritiklos jeden Mist glauben, sofern er ihr Weltbild bestätigt und sei dieses noch so verschroben.

Dass mit den Gebühren auch Uninteressantes oder gar Schreckliches wie volkstümlicher Schlager oder der ZDF-Fernsehfriedhof mitfinanziert wird, stellt in diesem Zusammenhang einen Kollateralschaden dar, der wohl nicht zu vermeiden ist und letztlich auch in Ordnung geht, denn das Publikum dieser Sendungen zahlt ja schließlich auch seine Gebühren.

Martin: Ich bin bekennender Rundfunkgebührenzahler und nehme auch in Kauf, dass mich vieles davon nicht interessiert. Jedoch gibt es durch die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender endlich die Möglichkeit, das, was einen interessiert, gezielt zu suchen und zu abonnieren. Was der öffentlich-rechtliche Rundfunk meiner Meinung nach noch viel stärker machen sollte – Nischenthemen aufzugreifen, bei anderen Themen auch mal tiefer zu gehen und sich viel Zeit für ein Thema zu lassen – haben oft Podcasts übernommen. Den „Bahnhofskino“-Podcast unterstütze ich mit einem regelmäßigen monatlichen Betrag.

„Let’s hope you never leave old friend
Like all good things on you we depend
So stick around cos we might miss you
When we grow tired of all this visual
You had your time, you had the power
You’ve yet to have your finest hour
Radio, Radio“


Queen – Radio Ga Ga

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